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Personalwirtschaft 08 _ 2017 41 u In den meisten Fällen gelten sie als der letzte Ret- tungsanker: Wenn die Nachfolgesuche oder der Perso- nalaufbau für ein neues Geschäftsfeld nicht gelungen sind, setzen Unternehmen einen Hilferuf beim Personal- berater ab – und mahnen ihn zur Eile. Für diese Stan- dardsituation haben die Suchspezialisten durchaus Ver- ständnis. Denn es ist nachvollziehbar, dass interne Recruiter zunächst ihre eigenen Sourcing-Instrumente ausreizen. Das machen sie oft gut, bescheinigen ihnen die Personalberater in der Diskussionsrunde, doch in knappen Kandidatenmärkten stoßen sie dabei mehr und mehr an ihre Grenzen. Was den Headhuntern dagegen nicht einleuchten will, ist die fehlende Personalplanung, auf die sie oft in Unternehmen treffen. Ohne eine voraus- schauende Recruiting-Strategie, die den Zeithorizont der Such- und Diagnostikmaßnahmen berücksichtigt, set- zen sich Organisationen überflüssigerweise unter Druck, wenn sie eine Vakanz mit dem passenden Kompetenz- träger besetzen müssen. Dass es auf dem Markt sehr vie- le attraktive Positionen gibt und wesentlich weniger pass- genaue Kandidaten, ist zwar allen Beteiligten bekannt, schlägt sich aber selten in der Beschaffungsplanung von HR oder Vorstand nieder. Realistische Einschätzung gefragt Einen „Vorteil“ hat die vorgeschaltete gescheiterte Such- strategie: Sie führt dazu, dass die Erwartungen von Auf- traggebern nicht in den Himmel wachsen – und sie beschönigte Vorhersagen zur Suchdauer möglicher- weise leichter durchschauen. Denn auf solche Progno- sen treffen sie durchaus. Seriöse Personalberater wis- sen dagegen, dass eine „ehrliche Einschätzung zur Besetzungswahrscheinlichkeit und Zeitdauer eine uner- lässliche Voraussetzung einer guten Geschäftsbezie- hung ist“. Mit diesen Worten definiert Christoph Stichel das Fundament erfolgreicher Beratungsprojekte. Eben- Mehr als 60 000 Führungs- und Expertenpositionen wurden im vergangenen Jahr mit Unterstützung von Personalberatern neu besetzt. Über ihre Suchprozesse, den Kandidatenmarkt, Vertragsmodelle und die Rolle von Big Data diskutierten die Headhunter beim Round Table. VON CHRISTIANE SIEMANN Operation Rettungsanker SPECIAL PERSONALBERATUNG Erwin Stickling, Herausgeber der Personalwirtschaft, moderierte die Expertenrunde.

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u In den meisten Fällen gelten sie als der letzte Ret-tungsanker: Wenn die Nachfolgesuche oder der Perso-nalaufbau für ein neues Geschäftsfeld nicht gelungensind, setzen Unternehmen einen Hilferuf beim Personal-berater ab – und mahnen ihn zur Eile. Für diese Stan-dardsituation haben die Suchspezialisten durchaus Ver-ständnis. Denn es ist nachvollziehbar, dass interneRecruiter zunächst ihre eigenen Sourcing-Instrumenteausreizen. Das machen sie oft gut, bescheinigen ihnendie Personalberater in der Diskussionsrunde, doch inknappen Kandidatenmärkten stoßen sie dabei mehr undmehr an ihre Grenzen. Was den Headhuntern dagegennicht einleuchten will, ist die fehlende Personalplanung,auf die sie oft in Unternehmen treffen. Ohne eine voraus-schauende Recruiting-Strategie, die den Zeithorizontder Such- und Diagnostikmaßnahmen berücksichtigt, set-zen sich Organisationen überflüssigerweise unter Druck,wenn sie eine Vakanz mit dem passenden Kompetenz-träger besetzen müssen. Dass es auf dem Markt sehr vie-le attraktive Positionen gibt und wesentlich weniger pass-genaue Kandidaten, ist zwar allen Beteiligten bekannt,schlägt sich aber selten in der Beschaffungsplanung vonHR oder Vorstand nieder.

Realistische Einschätzung gefragt

Einen „Vorteil“ hat die vorgeschaltete gescheiterte Such-strategie: Sie führt dazu, dass die Erwartungen von Auf-traggebern nicht in den Himmel wachsen – und siebeschönigte Vorhersagen zur Suchdauer möglicher-weise leichter durchschauen. Denn auf solche Progno-sen treffen sie durchaus. Seriöse Personalberater wis-sen dagegen, dass eine „ehrliche Einschätzung zurBesetzungswahrscheinlichkeit und Zeitdauer eine uner-lässliche Voraussetzung einer guten Geschäftsbezie-hung ist“. Mit diesen Worten definiert Christoph Sticheldas Fundament erfolgreicher Beratungsprojekte. Eben-

Mehr als 60 000 Führungs- und Expertenpositionen wurden im vergangenen Jahr mit Unterstützung von Personalberatern neu besetzt. Über ihre Suchprozesse, den Kandidatenmarkt,Vertragsmodelle und die Rolle von Big Data diskutierten die Headhunter beim Round Table.VON CHRISTIANE SIEMANN

Operation Rettungsanker

SPECIAL PERSONALBERATUNG

Erwin Stickling, Herausgeberder Personalwirtschaft, moderierte die Expertenrunde.

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TITEL NAME DES BEITRAGS

so erwarte der Kunde Auskunft, aus welchen Branchenund Unternehmen potenzielle Kandidaten kommen,sowie über ihr jetziges Gehaltsniveau, ergänzt derGeschäftsführer von Division One Executive Search, dievorrangig Positionen in den Bereichen Industrie, Auto-motive und IT besetzt. Richtig unzufrieden zeigt sichder Kunde nämlich dann, wenn versprochen wurde,dass die Besetzung im Zeitraum x klappt und sie schei-tert. In diesen Fällen ist Frust vorprogrammiert. Eine Ursache, die zum Scheitern des Suchauftrags füh-ren kann, liegt in einer fehlenden detaillierten Profil-beschreibung. Es klingt zwar lapidar, ist es aber nicht:Je genauer der Kunde das Profil definiert, umso genau-er können Personalberater einschätzen, wie sich Such-prozess und -dauer gestalten, ergänzt Philipp J. Fleisch-mann. Im Gegenzug, so der Executive Director beiKienbaum Consultants International, könne der Auf-traggeber von dem Berater eine Ehrlichkeit erwarten,„die auch mögliche Hürden signalisiert, denn wir redenüber Menschen, die oft unberechenbar, und Situatio-nen, die oft unabsehbar sind“. Fehlschlagen kann ein Suchauftrag ebenso, weil dasVertragsmodell falsch gewählt wurde: Wenn der Kun-de nur erfolgsbasiert honorieren will und aus Sicht desBeraters sicher ist, dass „auf diesem Weg keine schnel-len Ergebnisse erzielt werden, bleibt die Option, einenAuftrag abzulehnen“, sagt Marcus Opper von AllgeierExperts. Auftraggeber schätzen jedoch diese Offenheit.Letztlich gelte für die Personalberatung, „wir können jedePosition besetzen, aber es ist eine Frage des Aufwands“,der auch entsprechend honoriert werden müsse.

Ansprüche an Topkandidaten steigen

Die Engpässe auf dem Markt der Fach- und Führungs-kräfte sind keine neue Entwicklung. Folgt man den

Schilderungen aus Unternehmen, verstärkt sich dieBesetzungsnot. Trifft diese Einschätzung zu, kann es imKandidatenmarkt noch enger werden? Es kann und eswird! Zum einen ist die gute konjunkturelle Lage dafürverantwortlich: Kandidaten, von vielen Seiten umwor-ben, haben eine große Auswahl an Positionen; in derFolge nimmt die Knappheit in allen Segmenten zu.Zum anderen zeige sich im Führungssegment, so Kien-baum-Berater Fleischmann, dass die Suche noch heraus-fordernder werde, weil „die Erwartungen an Ausbil-dung, Erfahrung und Persönlichkeit in einer zunehmendkomplexen Wirtschaft ständig wachsen“. Am Beispiel der Position eines CFO veranschaulicht Dr.Michael Faller, Geschäftsführer der Baumann Unter-nehmensberatung, was sich verändert hat: Ein hervor-ragendes kaufmännisches Kompetenzprofil wird heutebeim CFO selbstverständlich vorausgesetzt. Darüberhinaus erwarteten Unternehmen berechtigterweise wei-tere spezifische Kompetenzen und Erfolge. Hierzu zählen insbesondere ein „genaues Verständnis der rele-vanten Geschäftsmodelle und -prozesse sowie Manage-menterfolge in spezifischen Unternehmenssituationen wieim Turnaround“. Kunden wollten sichergehen, dass diekünftige Führungskraft in der Lage ist, „die Organisati-on erfolgreich weiterzuentwickeln“. Dafür sei es bei-spielsweise unabdingbar, dass Executives auf Augenhö-he mit Kollegen und Fachabteilungen arbeiten können.Folglich sei der Kandidatenmarkt in der Regel kleiner unddie Laufzeit der Suchen könnte sich verlängern. Die Per-sonalberatung Baumann, die auf Positionen im C-Level,mittleren Management und Executive-Segment in tech-nisch orientierten Branchen spezialisiert ist, macht darü-ber hinaus die Erfahrung: Da die Zahl der Suchkanälewächst, es aber nicht den einen richtigen Weg gibt, müss-ten in der Regel „alle Kanäle bespielt werden, infolgedes-sen wachsen Aufwand und Laufzeit“.

Intern oder extern: Unterschiede im Recruiting

Externe Recruiter beherrschen den Search nicht grund-sätzlich besser, betonen die Diskussionsteilnehmer –doch sie sind sich im Gegenzug sehr wohl bewusst, woihre eigenen Stärken liegen. Was aber machen die exter-nen Headhunter besser oder anders, sodass sie eineBesetzung erreichen? Zwar gelinge es manchem Arbeit-geber, in einem einzelnen Segment sehr gut zu rekru-tieren, beispielsweise bei der Gewinnung von Berufs-einsteigern oder Experten in einem Spezialgebiet. „Aberdas gilt nicht für Executive-Positionen und im HiddenSearch“, bringt es Bina Brünjes von Hays auf den Punkt.Die Beraterin, im temporären Vermittlungsgeschäft

„Bei Executive-Positionen und im Hidden Search sind Personalberater immerin der besseren Rolle.“Bina Brünjes, LL.M, Bereichsleiterin NiederlassungFrankfurt, HAYS

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und im Executive-Search-Bereich tätig, nennt einengroßen Vorzug: „Im Hidden Search ist der Personalbe-rater in der besseren Rolle, da der Kandidat – geradein kleinen Branchen – nicht will, dass sein Wechsel-wunsch sofort bekannt wird.“ Ein ähnlicher Effekt lie-ße sich bei Anzeigenschaltungen beobachten. Eine Per-sonalberatung bekomme in der Regel einen viel höherenRücklauf als der Arbeitgeber selber. Bina Brünjes warntvor einem Kardinalfehler im Zusammenspiel zwischeninternen und externen Recruitern: Werde ein Auftragan eine Personalberatung vergeben, sei es kontrapro-duktiv, wenn sich das interne Recruiting trotzdem wei-ter bemühe – oder gar mehrere Beratungshäuser auf dieSuche angesetzt würden. Denn wird der Kandidat vonverschiedenen Seiten angesprochen, fragt er sich, „wieverzweifelt der Kunde sein muss oder welchen Hakenes gibt, wenn die Stelle derart oft angeboten wird“. Dass in manchen Bereichen eine Gleichheit der Waffenherrsche, beispielweise beim Datenbank-Sourcing, kannMichael Faller von der Baumann Unternehmensberatungbestätigen. „Die erfolgsentscheidende Frage lautet jedochnicht, ob ein interner Recruiter diesen Weg nutzt, son-dern wie er ihn nutzt.“ Da es eine gewisse Überfrequen-tierung der Datenbanken gibt, reiche ein einfachesAnschreiben in der Regel nicht, um in Kontakt mit demanpeilten Kandidaten zu treten. Der eigentliche Auf-wand beginne danach. „Häufig sind viele Prozessschrit-te und Gespräche erforderlich, um einen wirklich gutenKandidaten, der nicht wechseln muss, für eine Vakanzzu interessieren.“ Diesen Aufwand könnten und wolltenUnternehmen häufig gar nicht leisten. Dieser beginnebereits mit dem Problem der Erreichbarkeit der angespro-chenen Kandidaten. Zudem führe es bei Kandidatenimmer wieder zu Irritationen, wenn Unternehmen direktKontakt aufnehmen. „Kandidaten wissen zu schätzen,wenn sie eine Vakanz zunächst mit einem Headhunterdiskutieren können, um herauszuarbeiten, ob die Posi-tion ein interessanter nächster Schritt sein könnte.“ Eine Schwachstelle von internen Recruitern bei derDirektansprache identifiziert auch Christoph Stichelvon Divison One: Sie kennen die Zielfirmen und denWettbewerb nicht so gut wie Personalberater. Mit exter-nen Beratern verlaufen die Gespräche der Wechselwil-ligen aufrichtiger. Die Kandidaten äußern sich überOptionen und Wünsche wesentlich offener, stellenandere Fragen und offenbaren im vertraulichenGespräch, welchen nächsten Karriereschritt sie planen.  

Die Beziehungspfleger

Einen weiteren Unterschied zum Inhouse-Recruitingführt Ricardo Corominas von Page Personnel ins Feld:

HR und die Mitarbeiter im Recruiting haben wederZeit noch Möglichkeit, eine Beziehung zu Kandidatenderart intensiv zu pflegen, wie es Personalberater kön-nen. „Interne Recruiter sind Generalisten, wir dage-gen sind Spezialisten, und Beziehungspflege ist das Aund O unseres Handelns.“ Bei der Page Group geltedaher der Grundsatz, „der erste Ansprechpartner fürdie Kandidaten zu sein und schon frühzeitig gute Bezie-hungen zu ihnen zu pflegen“. Außerdem sei auch nichtzu unterschätzen, dass Personalberater über einenImagevorteil verfügen: Wenn ein wenig bekanntesUnternehmen den Kontakt zu einem Kandidaten suche,sei die Wahrscheinlichkeit, dass er zurückrufe, ehergering. Anders falle die Reaktion aus, wenn er voneinem Personalberater kontaktiert werde. Unternehmen profitieren von Personalberatern nichtnur durch eine bessere Kontaktanbahnung und einegrößere Anzahl von Kontakten, sondern auch „durcheine qualifizierte Vorselektion“, beschreibt Szilvia Len-gyel, Head of Permanent Placement bei Randstad, dieVorzüge des externen Recruitings. Ebenso sei es für

„Unsere internationaleErfahrung zeigt, dass sich die erfolgsabhängigeHonorierung in der Personalvermittlungdurchsetzen wird – außerim Executive Search."Ricardo Corominas, Managing Director, Page Personnel Deutschland

„Hinter einer erfolgreichenKandidatenplatzierungsteht immer ein aufwen-diger, strukturierter Such- und Auswahlprozessmit hohen Qualitäts-standards.“Dr. Michael Faller, Geschäftsführer, Baumann Unternehmensberatung

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TITEL NAME DES BEITRAGS

Kandidaten von Vorteil, dass der Personalberater für siedie Rolle des Türöffners und Wegbereiters einnehme.Als Karriereberater könne er gut abschätzen, welcheChancen die Bewerbung des Kandidaten bei dem aus-schreibenden Unternehmen hat. Klaus Mantel von Experteer fasst zusammen: Das Assetder Personalberater sei die Stärke und Aktualität ihresNetzwerkes, „auch weil viele Personalabteilungen kei-nen Talent Pool aufbauen und eben nicht auf Bewer-ber aus der Vergangenheit zurückgreifen“. Ebenso wen-den Personalberater diagnostische Verfahren an undkennen die Kandidaten detaillierter. Darüber hinauswüssten sie, wo „die Kandidaten stehen, ob sie wech-selbereit sind oder nicht“, ergänzt der Geschäftsführerdes Online-Karrieredienstes.

Was Executives und Fachkräfte wollen

Dass Unternehmen höhere Erwartungen an ihr Füh-rungspersonal und ihre Mitarbeiter in Expertenposi-

tionen stellen, ist nur die eine Seite der Medaille. Auchdie Ansprüche der Umworbenen ändern sich – wobeisich ein Trend herauskristallisiert: Statussymbole, Titelund Gehalt spielen nach wie vor eine Rolle. Doch vie-le Kandidaten fragen mittlerweile „nach dem Hand-lungsspielraum, den sie mit einem Wechsel gewinnen“,berichtet Philipp J. Fleischmann, Kienbaum Consul-tants. Dieser könne attraktiver sein als ein höheresGehalt, denn sie wollen einen „eigenen, erkennbarenBeitrag bei ihrem künftigen Arbeitgeber leisten“. Eineähnliche Haltung der Kandidaten zeigt sich auch beiDivision One. Die Erwartungen an kreative und inno-vative Aufgaben liegen bei allen sehr hoch. Mehr als dasGehalt locke der Inhalt einer Position in einem inno-vativen Unternehmen. Fach- und Führungskräfte, diein einer festgefahrenen Organisationsstruktur sitzenund denen der Arbeitgeber keine Perspektiven bietenwürde, wechselten selbst dann, wenn das Gehalt gerin-ger sei, aber die Aufgabe sie reize. Bei jüngeren Berufsstartern und im mittleren Manage-ment spielen Corporate Social Responsibility und Work-Life-Balance eine große Rolle, beobachten die Beratervon Hays. Ab einem gewissen Level gelte dies nichtmehr, dann legten Kandidaten mehr Wert auf Gestal-tungsspielraum. Leider werde aber der Rückschritt imGehalt bei Kunden nicht positiv bewertet – völlig zuUnrecht.

Big Data in der Personalberatung – ein Zukunftsmodell

Statt händischer Datenbankrecherche digitalisierteSuchprozesse über alle Medien hinweg? Algorithmenersetzen den Recruiter? Die Selektion der passendenKandidaten übernimmt Predictive Analytics? Szena-rien gibt es viele, doch welche taugen für das People Busi-ness der Personalberatung? Der Research könnte mit-hilfe von Big Data mittelfristig um 20 bis 30 Prozenteffizienter gestaltet werden, lautet die Prognose vonExperteer-Geschäftsführer Klaus Mantel. Gerade dierepetitiven Tätigkeiten wie zum Beispiel die Daten-bankrecherche von Lebensläufen nach bestimmten Kri-terien oder die Abfrage von immer wiederkehrendenBasisinformationen wie Wechselbereitschaft, zeitlicherVerfügbarkeit oder Gehalt, ließen sich maschinell erle-digen. Auch sei vorstellbar, dass ergänzend interaktiveChatbots diese standardisierten ersten Schritte desResearchs vornehmen. Mantel zählt noch mehr poten-zielle Anwendungsfelder auf: Neben der Abfrage vonStandardinformationen seien künftig weitere Prozess-schritte denkbar – digitalisiert und durch künstlicheIntelligenz ergänzt. Insbesondere im Bereich der Bild-,

„Algorithmen werdenan Bedeutung gewinnen,doch man wird nieeinen passenden Topkandidaten auf Knopfdruck identifizieren können.“Philipp J. Fleischmann, Executive Director, KienbaumConsultants International

„Der Vorteil für Unter-nehmen ist, dass wir übereine größere Anzahl von Kontakten zu möglicherweise passenden Kandidatenverfügen.“Szilvia Lengyel, Head of PermanentPlacement, Randstad

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„Eine rein erfolgsabhän-gige Honorierung fälltauch deshalb auf frucht-baren Boden, weil es in Unternehmen vielUnkenntnis über die Leistung von Personal-beratungen gibt.“Klaus Mantel, Geschäftsführer,Experteer

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SPECIAL PERSONALBERATUNG

Text- oder Stimmanalysen zeigten sich heute schoninteressante Entwicklungen. Allerdings schränkt er ein:„Je weiter man in die kognitiven Bereiche des Recrui-tings vorstößt, wie in Diagnose oder Assessment, des-to höher wird der Anspruch an die Technologie derkünstlichen Intelligenz. Hier steht die Entwicklungnoch am Anfang.“

Algorithmen als Prozessbeschleuniger?

Die Haltung der Personalberater zum digitalen Inno-vationspotenzial ist wenig euphorisch, sie wägen vor-sichtig ab. Sicherlich, Algorithmen würden an Bedeu-tung gewinnen. Wahrscheinlich werde der Researcheffizienter, doch Kienbaum-Berater Fleischmannschränkt ein: „Einen passenden Topkandidaten wirdman nie auf Knopfdruck identifizieren können. Eben-so werden Datenaggregate die Beratung auf absehbareZeit nicht ersetzen können.“ Dem schließt sich RicardoCorominas von Page Personnel an: Algorithmen sorg-

ten auf jeden Fall für eine größere Effizienz im Such-prozess und für eine gezielte Ansprache durch mehrInformationen im Vorfeld. Doch „unsere Aufgabe, dieBeratung von Kunden und Kandidaten, können Maschi-nen nicht übernehmen, ebenso können sie keine Refe-renzen einholen“. Gleichzeitig beobachten die Personalberater die daten-getriebenen Innovationen sehr genau und reagieren.Bei der Baumann Unternehmensberatung wird „mas-siv in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter imResearch“ investiert, ebenso in den Ausbau und diePflege der internen Kandidaten-Datenbank. Denn nurgut gepflegte und richtig kategorisierte Kandidaten-profile seien in einer Datenbank schnell auffindbar.Für diese Arbeit benötige man hervorragend geschul-tes Personal, so Michael Faller: „Big Data ist eben nichtnur eine Frage der richtigen Technologie, wenn wir dieErwartungen der Unternehmen an die Geschwindig-keit des Such- und Auswahlprozesses sowie die Pass-genauigkeit vorgestellter Kandidaten erfüllen wollen.“ Einen Nutzwert von Predictive Analytics identifiziertHays-Beraterin Bina Brünjes: Algorithmen seien in derLage, Karrierepfade zu analysieren. So könnte sichherausstellen, dass zum Beispiel die Gruppe der Con-troller nach einigen Jahren ins Risk Management wech-selt. Anhand der vorliegenden Daten und Statistiken seidann eine Personalberatung in der Lage, potenzielleKandidaten mit maßgeschneiderten Angeboten zubegleiten. Auch bei Randstad gewinnt Big Data immermehr an Bedeutung, sagt Szilvia Lengyel: „Wir sehengroße Chancen für neue Tools, die es uns ermöglichen,passende Vorhersagen zu treffen, um zu einer besserenEntscheidung zu kommen.“ Die Validität der Datenund vor allem der Datenschutz seien jedoch noch Fel-der, die eine verstärkte Aufmerksamkeit forderten.

Markt und Vertragsmodelle

Nicht nur Big Data ist eine Herausforderung für diePersonalberater – sie müssen ebenso auf Marktteilneh-mer, die mit neuen Vertragsmodellen arbeiten, reagie-ren. Etabliert hat sich über Jahrzehnte das Retainer-Modell. Danach erhält der Berater je ein Drittel desvereinbarten Honorars nach Projektfortschritt wie Zeit-punkt der Kandidatenpräsentation oder Einstellung.Beim Contingency-Modell, das auf den Markt drängt,zahlt der Kunde kein Honorar, bevor die Position nichterfolgreich besetzt ist. Manche Personalberater bietendem Kunden die Auswahl zwischen den Modellen oderauch eine Mischform aus beiden an; die Mehrheit hältam Retainer-Modell mit Exklusivauftrag fest. Aus zweiGründen: Bei schwierig zu besetzenden Positionen, die

„Eine signifikante Gehaltssteigerung ist nicht die ausschlag-gebende Wechsel-motivation. Im Vordergrund steht die berufliche Weiterentwicklung.“Marcus Opper, Director Sales Perm, Allgeier Experts

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einen großen Zeitaufwand erfordern, kann die Perso-nalberatung bei einer erfolgsbasierten Vergütung –zumal wenn keine Exklusivität vereinbart wurde – aneinen Punkt kommen, an dem der Auftrag unwirt-schaftlich wird. Außerdem bringe eine solche Vorgehens-weise aus Kundensicht keinen Vorteil. Oftmals werdeihnen „Masse statt Klasse“ präsentiert und eine echteVorauswahl der Kandidatenprofile finde nicht statt. Fürden Kunden könne dies bedeuten, dass eine Stelle letzt-lich unbesetzt bleibt – was sich zum Beispiel bei Füh-rungspositionen als sehr kostspielig erweist. Wie kommt das neue Honorierungsangebot am Marktan? Im klassischen Executive Search sind die Marktver-änderungen nicht so gravierend wie im Mid-Manage-ment und Spezialistenbereich, berichtet Michael Faller,Baumann Unternehmensberatung. Im Non-Executive-Bereich sehe er durchaus zunehmende Konkurrenzdurch Dienstleister wie CV-Trader, die mit erfolgsori-entierten Honoraren arbeiten. Faller ist skeptisch, ob die-se Modelle mittel- und langfristig erfolgreich sind.Schlussendlich stehe hinter einer erfolgreichen Kandi-datenplatzierung immer ein „aufwendiger, strukturier-ter Such- und Auswahlprozess mit hohen Qualitäts-standards und nicht nur die bloße Übersendung einesmehr oder weniger passenden Lebenslaufs“.

Honorar nur nach Erfolg?

Der erfolgsbasierten Honorierung räumt ChristophStichel nur im unteren Level eine Berechtigung ein. DieDrittelregelung sei ab einer bestimmten Funktionsebe-ne das einzig sinnvolle Modell und „Unternehmen, dieSpezialisten suchen, beurteilen diese Regelung als fairund angemessen“. Auch bei Allgeier gibt man der Retai-ner-Lösung den Vorzug bei Positionen, die einen eherhohen Suchaufwand erfordern. Dadurch entstehe dieerforderliche Verbindlichkeit sowie eine Beschleuni-gung der Rekrutierungsprozesse beim Kunden. DasContingency-Modell komme dann zum Einsatz, wennvergleichbare Kundenaufträge vorliegen und die vor-handenen Kandidaten auf diese Position zusätzlichangesprochen werden können. Die Drittelregelung wird weiter Bestand haben, ist sichBina Brünjes von Hays sicher, vor allem bei Führungs-und Executive-Funktionen, die „eine besondere Vor-gehensweise mit einem individuellen Servicelevel erfordern“. Bei der Rekrutierung im sogenannten Spe-cial Recruitment, wie bei IT-Experten, Fachanwältenoder Logistikern, funktioniere das erfolgsorientierteModell allerdings sehr gut. Noch entschiedener ver-

tritt Ricardo Corominas von Page Personnel das Con-tingency-Modell: Zwar tendierten Unternehmen inDeutschland noch dazu, stundenweise oder nach Zeit-abschnitt zu vergüten und nicht nach Erfolg. Doch„diese Honorierung wird die bislang üblichen ablösen– mit Ausnahme im Executive-Search-Bereich“, pro-gnostiziert der Berater. Für jedes Modell lassen sich Pro- und Kontra-Argumen-te austauschen. Die Schwierigkeit für HR und Geschäfts-führung: Sie können oft nicht entscheiden, ob das Ange-bot einer erfolgsbasierten Vermittlung ein gutes oderschlechtes Modell ist oder ob das Retainer-Modell bezie-hungsweise die Festvergütung nach der Drittelregelungeher zum Erfolg führt. „Eine rein erfolgsabhängigeHonorierung fällt auch deshalb auf einen fruchtbarenBoden, weil es in Unternehmen viel Unkenntnis überdie Leistung von Personalberatungen gibt“, erklärt KlausMantel von Experteer. Neue Player seien aber durch-aus bereit, bewährte Modelle zu unterwandern, „umMandate auf Erfolgsbasis zu ergattern“. Etablierte Per-sonalberatungen seien dagegen in der Regel in der Lage,den Kandidatenmarkt realistisch abzuschätzen, denAufwand für Mandate zu taxieren und Festhonoraregegenüber dem Kunden zu rechtfertigen.Für Auftraggeber, die den Rettungsanker nach demPersonalberater auswerfen, gilt daher: Sie müssen sichüber die Leistungen der Headhunter informieren, Pro und Kontra der verschiedenen Geschäftsmodelleabwägen und vor allem den Stellenwert der Vakanz imAuge behalten. Auch wenn es schnell gehen muss, soll-te HR die Zeit investieren und sich eine genaue Kennt-nis der Prozessschritte verschaffen – um dann die Ent-scheidung für den richtigen Dienstleister sicher treffenzu können. p

„Für interne Recruiter ist die Direktanspracheextrem schwierig. Auchsind Kandidaten imGespräch mit externenBeratern wesentlich offener.“Christoph Stichel, Managing Partner, division one Executive Search