65
STIFTUNG BAUWESEN Kein industrielles Bauen ohne Handwerk Vorträge Hans Helmut Schetter Friedrich Lenger Hanns-Eberhard Schleyer Manfred Nußbaumer

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STIFTUN

G BA

UW

ESEN

Kein industrielles Bauen

ohne Handw

erk

VorträgeH

ans Helm

ut SchetterFriedrich LengerH

anns-Eberhard SchleyerM

anfred Nußbaum

er

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Kein industrielles B

auenohne H

andwerk

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Kein industrielles Bauen

ohne Handw

erk

Vorträge,gehalten am

9. März 2007 in Stuttgart,

Veranstaltung der Stiftung Bauw

esen

Professor Dipl.-Ing. H

ans Helm

ut Schetter,M

annheim

Professor Dr. Friedrich Lenger,

Gießen

Hanns-Eberhard Schleyer,

Berlin

Professor Dr.-Ing. E.h. M

anfred Nußbaum

er M. Sc.,

Stuttgart

Heft 1

„Der B

auingenieurund seine gesellschaftspolitischeA

ufgabe“

Heft 2

„Der B

auherr in der Dem

okratie“

Heft 3

„Bauen in einer globalisierten

Wirtschaft – Stim

men gegen

den Stillstand“

Heft 4

„Bauen für eine m

obile Gesellschaft“

Heft 5

„Die Stunde der B

auingenieure“

Heft 6

„Der B

auingenieurund seine kulturelle Verantw

ortung“

Heft 7

„Die B

auleute und der Jurist“

Heft 8

„Infrastruktur und Wohlstand“

Heft 9

„Energie und Bau“

Heft 10

„Bauen ist Lebensgrundlage –

der Wegfall der Investitionen

ist der falsche Weg“

Heft 11

„Bauen im

Aufbruch ?!“

Heft 12

„Kein industrielles B

auen ohne H

andwerk“

Schriftenreihe der Stiftung Bauw

esen zu „D

er Bauingenieur und die G

esellschaft“

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Kein industrielles Bauen

ohne Handw

erk

Vorträge,gehalten am

9. März 2007 in Stuttgart,

Veranstaltung der Stiftung Bauw

esen

Professor Dipl.-Ing. H

ans Helm

ut Schetter,M

annheim

Professor Dr. Friedrich Lenger,

Gießen

Hanns-Eberhard Schleyer,

Berlin

Professor Dr.-Ing. E.h. M

anfred Nußbaum

er M. Sc.,

Stuttgart

Heft 1

„Der B

auingenieurund seine gesellschaftspolitischeA

ufgabe“

Heft 2

„Der B

auherr in der Dem

okratie“

Heft 3

„Bauen in einer globalisierten

Wirtschaft – Stim

men gegen

den Stillstand“

Heft 4

„Bauen für eine m

obile Gesellschaft“

Heft 5

„Die Stunde der B

auingenieure“

Heft 6

„Der B

auingenieurund seine kulturelle Verantw

ortung“

Heft 7

„Die B

auleute und der Jurist“

Heft 8

„Infrastruktur und Wohlstand“

Heft 9

„Energie und Bau“

Heft 10

„Bauen ist Lebensgrundlage –

der Wegfall der Investitionen

ist der falsche Weg“

Heft 11

„Bauen im

Aufbruch ?!“

Heft 12

„Kein industrielles B

auen ohne H

andwerk“

Schriftenreihe der Stiftung Bauw

esen zu „D

er Bauingenieur und die G

esellschaft“

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Einführung7

von Professor Dipl.-Ing. H

ans Helm

ut Schetter

Das (deutsche) H

andwerk in der

9N

eueren Geschichte: Q

ualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungenvon Professor D

r. Friedrich Lenger

Bauen m

it IQ – Innovation durch

23Q

ualifizierung im B

auhandwerk

von Hanns-Eberhard Schleyer

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander35

von Professor Dr.-Ing. E.h.

Manfred N

ußbaumer M

. Sc.

Schlusswort

55

Autoren

56

Inhalt

Impressum

Herausgeber:

Stiftung Bauw

esenA

lbstadtweg 3

70567 StuttgartTelefax 0711 7883-228

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711

Inhalt

Einführungvon Professor D

ipl.-Ing. Hans H

elmut Schetter

Qualitätssicherung und M

arktzugangbeschränkungen

von Professor Dr. Friedrich Lenger

Bauen m

it IQ – Innovation durch Q

ualifizierung im

Bauhandw

erkvon H

anns-Eberhard Schleyer

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander von Professor D

r.-Ing. E.h.M

anfred Nußbaum

er M. Sc.

Schlusswort

Autoren

Impressum

Herausgeber:

Stiftung Bauw

esenA

lbstadtweg 3

70567 StuttgartTelefax 0711 7883-228

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EinführungProfessor D

ipl.-Ing. Hans H

elmut Schetter

Nach dem

letzten Krieg w

ar Bauen in D

eutschland Konjunkturlokom

otive und langeZeit im

Mittelpunkt der G

esellschaft. Bauen w

ar geprägt durch ein enges, handwerklich

solides Zusamm

enwirken zw

ischen Ingenieuren und Facharbeitern.

Die deutsche B

aulandschaft war in diesen Jahrzehnten durch eine Vielzahl großer

Bauunternehm

en gekennzeichnet, die in Deutschland hervorragend funktionierende

Niederlassungsnetze unterhielten und über gut eingespielte und ausgebildete Fach-

arbeiterkolonnen verfügten. D

ie Technik und das baubetriebliche Können w

urde in den Technischen Büros konzi-

piert, entwickelt und zur A

usführungsreife gebracht. Die U

msetzung erfolgte auf den

Baustellen, national und international. D

ie Qualität des deutschen B

aues gab weltw

eitZeugnis von unserer Leistungsfähigkeit.

Einführung7

Tab. 1:G

roße deutsche Bauunternehm

en mit ausgeprägter zentraler Technik

Die tabellarische A

uflistung zeigt die Entwicklung der großen deutschen B

aufirmen,

überwiegend B

auaktiengesellschaften, in der Zeit von 1975 über 1990 bis in die Gegen-

wart. D

er jahrelange ruinöse Wettbew

erb hat zu einer signifikanten Auslichtung geführt.

Mit dem

Großteil der Firm

en sind auch ihre zentralen technischen Abteilungen und

Exportfähigkeiten verschwunden.

Der Schluss liegt nahe, dass dieses auch ein Stück (bau-)technischer Verarm

ung desStandortes D

eutschland bedeutet.

1975

. H

och

tief AG

. B

ilfing

er + B

erger B

auaktien

gesell.

. Ed

. Züb

lin A

G.

Strabag

Bau

-AG

. W

ayss & Freytag

AG

.Philipp H

olzmann A

G.

Dyckerhoff &

Widm

ann AG

.Bosw

au & K

nauer AG

.Thosti Bau-A

G.

Bauunternehmung E. H

eitkamp G

mbH

.H

eilmann &

Littmann Bau-A

G.

Sager & W

oerner KG

Bauunternehmung

.W

iemer &

Trachte AG

.C

. Baresel AG

.H

uta-Hergerfeld-A

G.

Polensky & Zöllner A

G.

Beton- und Monierbau A

G.

Held &

Francke Bau-AG

1990

.H

och

tief AG

.B

ilfing

er + B

erger B

auaktien

gesell.

.Ed

. Züb

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G.

Strabag

Bau

-AG

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ayss & Freytag

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.Philipp H

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G.

Dyckerhoff &

Widm

ann AG

.W

alter Thosti Boswau A

G.

Bauunternehmung E. H

eitkamp G

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.H

eilit + W

oerner Bau AG

.W

iemer &

Trachte AG

.

C. Baresel A

G

.H

uta-Hegerfeld-A

G

2006

.H

och

tief AG

.B

ilfing

er Berg

er AG

.

Ed. Zü

blin

AG

.

Strabag

AG

.

Wayss &

Freytag A

G‘s

.M

ax Bögl Bauservice Gm

bH &

Co. K

G.

Köster-G

ruppe (Wiem

er & Trachte A

G,

Baresel AG

, Köster A

G)

Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungen: D

as deutsche Handw

erk in derN

euerenG

eschichteüüüüü1

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EinführungProfessor D

ipl.-Ing. Hans H

elmut Schetter

Nach dem

letzten Krieg w

ar Bauen in D

eutschland Konjunkturlokom

otive und langeZeit im

Mittelpunkt der G

esellschaft. Bauen w

ar geprägt durch ein enges, handwerklich

solides Zusamm

enwirken zw

ischen Ingenieuren und Facharbeitern.

Die deutsche B

aulandschaft war in diesen Jahrzehnten durch eine Vielzahl großer

Bauunternehm

en gekennzeichnet, die in Deutschland hervorragend funktionierende

Niederlassungsnetze unterhielten und über gut eingespielte und ausgebildete Fach-

arbeiterkolonnen verfügten. D

ie Technik und das baubetriebliche Können w

urde in den Technischen Büros konzi-

piert, entwickelt und zur A

usführungsreife gebracht. Die U

msetzung erfolgte auf den

Baustellen, national und international. D

ie Qualität des deutschen B

aues gab weltw

eitZeugnis von unserer Leistungsfähigkeit.

Einführung7

Tab. 1:G

roße deutsche Bauunternehm

en mit ausgeprägter zentraler Technik

Die tabellarische A

uflistung zeigt die Entwicklung der großen deutschen B

aufirmen,

überwiegend B

auaktiengesellschaften, in der Zeit von 1975 über 1990 bis in die Gegen-

wart. D

er jahrelange ruinöse Wettbew

erb hat zu einer signifikanten Auslichtung geführt.

Mit dem

Großteil der Firm

en sind auch ihre zentralen technischen Abteilungen und

Exportfähigkeiten verschwunden.

Der Schluss liegt nahe, dass dieses auch ein Stück (bau-)technischer Verarm

ung desStandortes D

eutschland bedeutet.

1975

. H

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Trachte AG

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G.

Polensky & Zöllner A

G.

Beton- und Monierbau A

G.

Held &

Francke Bau-AG

1990

.H

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Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungen: D

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Auch die A

usbildung zum M

aurer, Beton- und Stahlbetonbauer oder Zim

merm

ann– B

erufe, die für Konstruktion und Standsicherheit stehen – hat einen besonders starken

Rückgang erlebt.

Einführung9

Neben dem

Rückgang der G

roßfirmen und der H

albierung der Mitarbeiter im

Bau-

hauptgewerbe sind w

ir in den letzten Jahren auch mit einem

drastischen Rückgang der

Bauingenieurstudenten konfrontiert.

Seit drei bis vier Jahren war prognostizierbar, dass in naher Zukunft der B

edarf anB

erufsanfängern die Anzahl an A

bsolventen wieder übersteigen w

ürde. D

ieser Zustand ist jetzt eingetreten.

Hans H

elmut Schetter

8 Abb. 2:

Studierende Bauingenieurw

esen

Aktuell können bereits ca. 4.000 B

auingenieurstellen nicht besetzt werden.

Wir brauchen dringend m

ehr Bauingenieure. A

ber wie kann die R

olle des Bauingenieurs

–für w

elche die Stiftung in besonderem M

aße eintritt – auf Wiederhall stoßen, w

ennunser B

erufsbild nicht bekannt genug ist. Jeder weiß, w

as ein Bauarbeiter und eine

Baustelle ist, aber viele haben keine Vorstellung von dem

faszinierenden Berufsbild

eines Bauingenieurs. W

ir müssen alles tun, unseren B

eruf bekannt zu machen und für ihn

zu werben.

Die Zahl der G

ewerblichen M

itarbeiter im B

auhauptgewerbe ist seit 1995 von 1 M

io. aufjetzt nur noch 475.000 m

assiv zurückgegangen.

Auslöser w

ar ein rezessionsgetriebener, imm

enser Kosten- und W

ettbewerbsdruck.

Heute m

üssen wir uns fragen, ob w

ir mit dem

massiven A

rbeitsplatzabbau unserer Bau-

facharbeiter nicht auch ein Stück handwerkliches K

önnen und handwerkliche Q

ualitätm

it abgeschafft haben.

Abb. 3:

Gew

erbliche Mitarbeiter und A

uszubildende Bauhauptgewerbe

Abb. 4:

Auszubildende in ausgew

ählten Berufen seit 1997

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Auch die A

usbildung zum M

aurer, Beton- und Stahlbetonbauer oder Zim

merm

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Berufe, die für K

onstruktion und Standsicherheit stehen – hat einen besonders starkenR

ückgang erlebt.

Einführung9

Neben dem

Rückgang der G

roßfirmen und der H

albierung der Mitarbeiter im

Bau-

hauptgewerbe sind w

ir in den letzten Jahren auch mit einem

drastischen Rückgang der

Bauingenieurstudenten konfrontiert.

Seit drei bis vier Jahren war prognostizierbar, dass in naher Zukunft der B

edarf anB

erufsanfängern die Anzahl an A

bsolventen wieder übersteigen w

ürde. D

ieser Zustand ist jetzt eingetreten.

Hans H

elmut Schetter

8 Abb. 2:

Studierende Bauingenieurw

esen

Aktuell können bereits ca. 4.000 B

auingenieurstellen nicht besetzt werden.

Wir brauchen dringend m

ehr Bauingenieure. A

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olle des Bauingenieurs

– für welche die Stiftung in besonderem

Maße eintritt – auf W

iederhall stoßen, wenn

unser Berufsbild nicht bekannt genug ist. Jeder w

eiß, was ein B

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austelle ist, aber viele haben keine Vorstellung von dem faszinierenden B

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üssen alles tun, unseren Beruf bekannt zu m

achen und für ihnzu w

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Die Zahl der G

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io. aufjetzt nur noch 475.000 m

assiv zurückgegangen.

Auslöser w

ar ein rezessionsgetriebener, imm

enser Kosten- und W

ettbewerbsdruck.

Heute m

üssen wir uns fragen, ob w

ir mit dem

massiven A

rbeitsplatzabbau unserer Bau-

facharbeiter nicht auch ein Stück handwerkliches K

önnen und handwerkliche Q

ualitätm

it abgeschafft haben.

Abb. 3:

Gew

erbliche Mitarbeiter und A

uszubildende Bauhauptgewerbe

Abb. 4:

Auszubildende in ausgew

ählten Berufen seit 1997

Page 11: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

Handw

erkliche Herausforderung – w

eit gespannte Tragwerke:

Für die Messehalle 3 in Frankfurt w

urde zur Erzielung einer stützenfreien Ausstellungs-

fläche ein 123 m w

eit gespanntes, mehrfach gekrüm

mtes räum

liches Stabtragwerk

errichtet. Schwerste Stahlteile w

aren am B

oden zusamm

enzubauen, hochzuheben undstandsicher zu versetzen, m

ehrfach gekrümm

te Dachflächen einzudecken.

Einführung11

Die entsprechende A

rbeit hat sich mehr und m

ehr auf Subunternehmer aus unterschied-

lichsten europäischen Ländern verlagert. Nicht nur sprachliche Problem

e, sondern auchherkunftsbedingte, m

angelnde Erfahrung im U

mgang m

it unseren Werkstoffen und Vor-

schriften führten zwangsläufig zu Q

ualitätseinbußen bzw. konnten nur durch imm

ensenzusätzlichen B

auleitungsaufwand kom

pensiert werden.

Aktuelle B

auwerke sind aber im

mer noch B

eweis dafür, dass Spitzenleistungen der

Bauingenieure einhergehen m

it hoher handwerklicher H

erausforderung und demzufolge

ohne leistungsfähiges Handw

erk nicht denkbar sind!

Nachfolgende B

eispiele sollen dies veranschaulichen.

Handw

erkliche Herausforderung – H

ochhausbau:

Schalung, hydraulische Selbstklettertechnik, Einhausung, in der Spitze 4 Tage für einG

eschoss!Früher gab es drei A

rbeitsschritte auf einer Decke: Schalung, B

ewehrung und B

eton;heute sind zehn A

rbeitsschritte durchaus üblich, weil um

fangreiche Installationen in derkünftigen B

etondecke integriert werden: z.B

. Brandm

elder, Sprinkler, Heizung, Elektro,

Kühlung usw.

Hans H

elmut Schetter

10 Abb. 5: H

ochhaus Gallileo, Frankfurt

Abb. 6: M

essehalle 3, Frankfurt

Abb. 7: H

auptbahnhof Mannheim

Handw

erkliche Herausforderung – B

auen im B

estand:

Entkernung und Um

bau des 130 Jahre alten Hauptbahnhofs der Stadt M

annheim unter

laufendem B

etrieb hat höchste Anforderungen an handw

erkliches Können und Logistik

gestellt.

Page 12: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

Handw

erkliche Herausforderung – w

eit gespannte Tragwerke:

Für die Messehalle 3 in Frankfurt w

urde zur Erzielung einer stützenfreien Ausstellungs-

fläche ein 123 m w

eit gespanntes, mehrfach gekrüm

mtes räum

liches Stabtragwerk

errichtet. Schwerste Stahlteile w

aren am B

oden zusamm

enzubauen, hochzuheben undstandsicher zu versetzen, m

ehrfach gekrümm

te Dachflächen einzudecken.

Einführung11

Die entsprechende A

rbeit hat sich mehr und m

ehr auf Subunternehmer aus unterschied-

lichsten europäischen Ländern verlagert. Nicht nur sprachliche Problem

e, sondern auchherkunftsbedingte, m

angelnde Erfahrung im U

mgang m

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schriften führten zwangsläufig zu Q

ualitätseinbußen bzw. konnten nur durch imm

ensenzusätzlichen B

auleitungsaufwand kom

pensiert werden.

Aktuelle B

auwerke sind aber im

mer noch B

eweis dafür, dass Spitzenleistungen der

Bauingenieure einhergehen m

it hoher handwerklicher H

erausforderung und demzufolge

ohne leistungsfähiges Handw

erk nicht denkbar sind!

Nachfolgende B

eispiele sollen dies veranschaulichen.

Handw

erkliche Herausforderung – H

ochhausbau:

Schalung, hydraulische Selbstklettertechnik, Einhausung, in der Spitze 4 Tage für einG

eschoss!Früher gab es drei A

rbeitsschritte auf einer Decke: Schalung, B

ewehrung und B

eton;heute sind zehn A

rbeitsschritte durchaus üblich, weil um

fangreiche Installationen in derkünftigen B

etondecke integriert werden: z.B

. Brandm

elder, Sprinkler, Heizung, Elektro,

Kühlung usw.

Hans H

elmut Schetter

10 Abb. 5: H

ochhaus Gallileo, Frankfurt

Abb. 6: M

essehalle 3, Frankfurt

Abb. 7: H

auptbahnhof Mannheim

Handw

erkliche Herausforderung – B

auen im B

estand:

Entkernung und Um

bau des 130 Jahre alten Hauptbahnhofs der Stadt M

annheim unter

laufendem B

etrieb hat höchste Anforderungen an handw

erkliches Können und Logistik

gestellt.

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Handw

erkliche Herausforderung – B

rückenbau:

Bei der Svinesundbrücke in Schw

eden gehörte der Freivorbau des Brückenbogens schon

beinahe zum Standard. Eine ganz besondere H

erausforderung war hier das Einschw

im-

men, H

eben und Versetzen des Mittelteils an einem

Stück mit einem

Gew

icht von 1.300 t.Es ist im

mer w

ieder faszinierend, mit w

elch handwerklichem

Feingefühl selbst schwerste

Lasten sicher bewegt und versetzt w

erden.

Einführung13

Handw

erkliche Herausforderung – vielfältige Fassadensystem

e:

Die A

rchitektur der Britischen B

otschaft in Berlin hatte für die Fassade eine K

omposi-

tion aus Glas, N

aturstein und gebogenem A

luminium

vorgesehen.

Die anspruchsvollen D

etails konnten in der Werkstatt und auf der B

austelle nur mit hoher

handwerklicher K

ompetenz fachgerecht ausgeführt w

erden.

Hans H

elmut Schetter

12 Handw

erkliche Herausforderung – Zuschlagsstoffgew

innung und B

etonverarbeitung:

In Algerien entsteht ein D

amm

aus Walzbeton, für den aus gem

ischten Böden stündlich

1.000 to Zuschlagsstoffe gewonnen w

erden und damit eine B

etonierleistung von 400 m3/

Stunde für Herstellung und Einbau gew

ährleistet werden kann. O

hne handwerkliches

Können an G

eräten und Maschinen ist eine solche Spitzenleistung undenkbar.

Abb. 8: B

ritische Botschaft, B

erlinA

bb. 10:Svinesundbrücke, Schw

eden

Abb. 9: Staudam

m K

oudiat Acerdoune, A

lgerien

Handw

erkliche Herausforderung – Tunnelbau:

Bei aller w

issenschaftlicher und theoretischer Ausreifung der G

eotechnik und Fels-m

echanik ist das handwerkliche G

efühl und Können des M

ineures im Tunnel und

insbesondere an der Ortsbrust für Sicherheit und Erfolg der bergm

ännischen Arbeiten

nach wie vor unverzichtbar.

Abb. 11:

Gotthard B

asistunnel, Los Sedrun

Page 14: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

Handw

erkliche Herausforderung – B

rückenbau:

Bei der Svinesundbrücke in Schw

eden gehörte der Freivorbau des Brückenbogens schon

beinahe zum Standard. Eine ganz besondere H

erausforderung war hier das Einschw

im-

men, H

eben und Versetzen des Mittelteils an einem

Stück mit einem

Gew

icht von 1.300 t.Es ist im

mer w

ieder faszinierend, mit w

elch handwerklichem

Feingefühl selbst schwerste

Lasten sicher bewegt und versetzt w

erden.

Einführung13

Handw

erkliche Herausforderung – vielfältige Fassadensystem

e:

Die A

rchitektur der Britischen B

otschaft in Berlin hatte für die Fassade eine K

omposi-

tion aus Glas, N

aturstein und gebogenem A

luminium

vorgesehen.

Die anspruchsvollen D

etails konnten in der Werkstatt und auf der B

austelle nur mit hoher

handwerklicher K

ompetenz fachgerecht ausgeführt w

erden.

Hans H

elmut Schetter

12 Handw

erkliche Herausforderung – Zuschlagsstoffgew

innung und B

etonverarbeitung:

In Algerien entsteht ein D

amm

aus Walzbeton, für den aus gem

ischten Böden stündlich

1.000 to Zuschlagsstoffe gewonnen w

erden und damit eine B

etonierleistung von 400 m3/

Stunde für Herstellung und Einbau gew

ährleistet werden kann. O

hne handwerkliches

Können an G

eräten und Maschinen ist eine solche Spitzenleistung undenkbar.

Abb. 8: B

ritische Botschaft, B

erlinA

bb. 10:Svinesundbrücke, Schw

eden

Abb. 9: Staudam

m K

oudiat Acerdoune, A

lgerien

Handw

erkliche Herausforderung – Tunnelbau:

Bei aller w

issenschaftlicher und theoretischer Ausreifung der G

eotechnik und Fels-m

echanik ist das handwerkliche G

efühl und Können des M

ineures im Tunnel und

insbesondere an der Ortsbrust für Sicherheit und Erfolg der bergm

ännischen Arbeiten

nach wie vor unverzichtbar.

Abb. 11:

Gotthard B

asistunnel, Los Sedrun

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Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungen: D

as deutsche Handw

erk in derN

eueren Geschichte

1

Friedrich Lenger

Der B

egriff des Handw

erks dürfte zu den Begriffen gehören, die jeder kennt und von

denen jeder meint, ein konkretes Verständnis zu haben, die aber gleichw

ohl kaumjem

and trennscharf zu definieren vermag. D

as dürfte damit zusam

menhängen, dass im

Begriff des H

andwerks höchst unterschiedliche W

esensmerkm

ale zusamm

enfließen, diezudem

noch einem erheblichen zeitlichen W

andel unterworfen sind und für verschiedene

Handw

erkszweige von ganz unterschiedlicher Einschlägigkeit sind. So definiert G

rimm

sD

eutsches Wörterbuch H

andwerk „als ,händew

erk’, das mit der H

and vollbrachte Werk”

und im engern Sinne dann „ein dauernd betriebenes G

ewerbe”, zu dessen A

usführung imU

nterschied zur Kunst und zur niedrigen H

andarbeit vorzüglich manuelle G

eschick-lichkeit erforderlich ist. 2Letztlich sei das H

andwerk aber auch die geschlossene G

esamt-

heit derer, die ein bestimm

tes Gew

erbe treiben, also ein Synonym zu G

ilde, Zunft undInnung. D

agegen wird H

andwerk in der w

irtschaftsgeschichtlichen Literatur meist als

eine gewerbliche Betriebsform

begriffen, in Abgrenzung zu H

eimgew

erbe, Verlag, Manu-

faktur und Fabrik. 3Und A

nnahmen über die Ü

berlegenheit konkurrierender Betriebs-

formen, w

ie namentlich der Fabrik, haben dann seit dem

19. Jahrhundert zu den zahlrei-chen und w

ohl bekannten Beschw

örungen eines Niedergangs des H

andwerks geführt,

wie sie von M

arx bis ins 20. Jahrhundert hinein die Diskussion beherrscht haben.

Systematisiert m

an die hier keineswegs vollständig aufgelisteten D

efinitionsbestand-teile, bleiben vier G

rundelemente, die für ein Verständnis des H

andwerks in den zurück-

liegenden Jahrhunderten wesentlich sind, w

obei erst im Verlauf m

einer Ausführungen

deutlich werden kann, w

arum der R

ückgriff in die oft als Vormoderne bezeichnete Zeit

unverzichtbar ist. Doch betrachten w

ir zunächst die angesprochenen vier Wesens-

merkm

ale. Es sind: –

die kleinbetriebliche Produktion und Dienstleistung in m

eist kleinen, dezentralenBetriebsstätten, die aber für das B

augewerbe von jeher nur eingeschränkt typisch w

ar,–

die Bedeutung des personalen Elem

ents im A

rbeitsprozess, bei dem der arbeitende

Mensch über H

andfertigkeit und individuelle Werkstoffbeherrschung verfügt und

Werkzeuge sow

ie Maschinen zur Ergänzung der H

andarbeit einsetzt. Der w

eitge-henden B

erufsteilung – das ist wichtig – entspricht aber eine geringe A

rbeitsteilung, –

eine Vielzahl von Berufen m

it einem geregelten A

usbildungsgang, der sich imSpätm

ittelalter herausgebildet hat, und als Träger die Lehrlinge, die Gesellen und

schließlich die Meister um

fasst, wobei im

deutschen Sprachraum lange der G

esellen-w

anderung eine besondere Bedeutung zukam

, und schließlich

Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungenH

ans Helm

ut Schetter

1514 B

auen ist durch eine in den 70er und 80er Jahren aufkomm

ende Technikfeindlichkeitund die langjährige R

ezession an den Rand der G

esellschaft gerückt.H

eute begreifen alle, dass die Herausforderungen des K

limaw

andels, erneuerbareEnergien, Schutz gegen N

aturgewalten usw. ohne Technik und Ingenieure nicht zu be-

wältigen sind. W

ir brauchen für unsere Wettbew

erbsfähigkeit eine gut ausgebaute undfunktionierende Infrastruktur.D

azu müssen Investitions- und R

eparaturstau aufgelöst werden. D

ie Zeit ist reif für eineR

ückkehr zu Wertschätzung und Pflege von Ingenieurs- und H

andwerkskunst.

Nach 10 Jahren Rezession bestehen beste Voraussetzungen. W

ir haben im Bau in D

eutsch-land in 2006 eine Leistungssteigerung von 9,2 %

und 5 % m

ehr Auftragseingänge ver-

zeichnet.Es gibt w

ieder positive Schlagzeilen:„B

auwirtschaft stellt w

ieder ein“„B

ausektor stellt deutlich mehr Lehrlinge ein“

„4.000 offene Stellen für Bauingenieure“

usw.

Handw

erk muss w

irtschaftlich leistbar und aus Sicht der Kosten w

ettbewerbsfähig sein.

Dazu bedarf es flexibler Vergütungssystem

e und schlanker Lohnnebenkosten. Können

wir w

irklich auf den Meisterbrief verzichten? Zum

indest in technisch anspruchsvollenG

ewerken m

uss er erhalten bleiben. Ein gut ausgebildeter Handw

erksmeister steht nicht

nur für Fachwissen, D

IN-Treue und Q

ualität, sondern auch für eine solide und guteA

usbildung unserer Lehrlinge.

Ingenieure braucht das Land!D

ie Weichen w

erden nach der Mittelstufe in den G

ymnasien gestellt. W

er Mathem

atik,Physik und naturw

issenschaftliche Fächer abwählt, ist einer Ingenieurlaufbahn m

eistschon verloren gegangen.H

ier müssen unsere B

otschaften greifen.

Ingenieure und Handw

erk Hand in H

and können auch in Zukunft ein Erfolgsfaktor unseresLandes sein. D

ies gilt ganz besonders für uns Bauleute.

Unsere R

eferenten werden das aus verschiedenen B

lickwinkeln vertiefen.

Bildnachw

eis:A

bb. 2H

auptverband der Deutschen B

auindustrie, 01/2007A

bb. 3H

auptverband der Deutschen B

auindustrie, 02/2007A

bb. 4Zentralverband des D

eutschen Handw

erks e.V. (ZDH

), 02/2007

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Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungen: D

as deutsche Handw

erk in derN

eueren Geschichte

1

Friedrich Lenger

Der B

egriff des Handw

erks dürfte zu den Begriffen gehören, die jeder kennt und von

denen jeder meint, ein konkretes Verständnis zu haben, die aber gleichw

ohl kaumjem

and trennscharf zu definieren vermag. D

as dürfte damit zusam

menhängen, dass im

Begriff des H

andwerks höchst unterschiedliche W

esensmerkm

ale zusamm

enfließen, diezudem

noch einem erheblichen zeitlichen W

andel unterworfen sind und für verschiedene

Handw

erkszweige von ganz unterschiedlicher Einschlägigkeit sind. So definiert G

rimm

sD

eutsches Wörterbuch H

andwerk „als ,händew

erk’, das mit der H

and vollbrachte Werk”

und im engern Sinne dann „ein dauernd betriebenes G

ewerbe”, zu dessen A

usführung imU

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andarbeit vorzüglich manuelle G

eschick-lichkeit erforderlich ist. 2Letztlich sei das H

andwerk aber auch die geschlossene G

esamt-

heit derer, die ein bestimm

tes Gew

erbe treiben, also ein Synonym zu G

ilde, Zunft undInnung. D

agegen wird H

andwerk in der w

irtschaftsgeschichtlichen Literatur meist als

eine gewerbliche B

etriebsform begriffen, in A

bgrenzung zu Heim

gewerbe, Verlag, M

anu-faktur und Fabrik. 3U

nd Annahm

en über die Überlegenheit konkurrierender B

etriebs-form

en, wie nam

entlich der Fabrik, haben dann seit dem 19. Jahrhundert zu den zahlrei-

chen und wohl bekannten B

eschwörungen eines N

iedergangs des Handw

erks geführt,w

ie sie von Marx bis ins 20. Jahrhundert hinein die D

iskussion beherrscht haben.

Systematisiert m

an die hier keineswegs vollständig aufgelisteten D

efinitionsbestand-teile, bleiben vier G

rundelemente, die für ein Verständnis des H

andwerks in den zurück-

liegenden Jahrhunderten wesentlich sind, w

obei erst im Verlauf m

einer Ausführungen

deutlich werden kann, w

arum der R

ückgriff in die oft als Vormoderne bezeichnete Zeit

unverzichtbar ist. Doch betrachten w

ir zunächst die angesprochenen vier Wesens-

merkm

ale. Es sind: –

die kleinbetriebliche Produktion und Dienstleistung in m

eist kleinen, dezentralenB

etriebsstätten, die aber für das Baugewerbe von jeher nur eingeschränkt typisch w

ar,–

die Bedeutung des personalen Elem

ents im A

rbeitsprozess, bei dem der arbeitende

Mensch über H

andfertigkeit und individuelle Werkstoffbeherrschung verfügt und

Werkzeuge sow

ie Maschinen zur Ergänzung der H

andarbeit einsetzt. Der w

eitge-henden B

erufsteilung – das ist wichtig – entspricht aber eine geringe A

rbeitsteilung,–

eine Vielzahl von Berufen m

it einem geregelten A

usbildungsgang, der sich imSpätm

ittelalter herausgebildet hat, und als Träger die Lehrlinge, die Gesellen und

schließlich die Meister um

fasst, wobei im

deutschen Sprachraum lange der G

esellen-w

anderung eine besondere Bedeutung zukam

, und schließlich

Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungenH

ans Helm

ut Schetter

1514 B

auen ist durch eine in den 70er und 80er Jahren aufkomm

ende Technikfeindlichkeitund die langjährige R

ezession an den Rand der G

esellschaft gerückt.H

eute begreifen alle, dass die Herausforderungen des K

limaw

andels, erneuerbareEnergien, Schutz gegen N

aturgewalten usw. ohne Technik und Ingenieure nicht zu be-

wältigen sind. W

ir brauchen für unsere Wettbew

erbsfähigkeit eine gut ausgebaute undfunktionierende Infrastruktur.D

azu müssen Investitions- und R

eparaturstau aufgelöst werden. D

ie Zeit ist reif für eineR

ückkehr zu Wertschätzung und Pflege von Ingenieurs- und H

andwerkskunst.

Nach 10 Jahren Rezession bestehen beste Voraussetzungen. W

ir haben im Bau in D

eutsch-land in 2006 eine Leistungssteigerung von 9,2 %

und 5 % m

ehr Auftragseingänge ver-

zeichnet.Es gibt w

ieder positive Schlagzeilen:„B

auwirtschaft stellt w

ieder ein“„B

ausektor stellt deutlich mehr Lehrlinge ein“

„4.000 offene Stellen für Bauingenieure“

usw.

Handw

erk muss w

irtschaftlich leistbar und aus Sicht der Kosten w

ettbewerbsfähig sein.

Dazu bedarf es flexibler Vergütungssystem

e und schlanker Lohnnebenkosten. Können

wir w

irklich auf den Meisterbrief verzichten? Zum

indest in technisch anspruchsvollenG

ewerken m

uss er erhalten bleiben. Ein gut ausgebildeter Handw

erksmeister steht nicht

nur für Fachwissen, D

IN-Treue und Q

ualität, sondern auch für eine solide und guteA

usbildung unserer Lehrlinge.

Ingenieure braucht das Land!D

ie Weichen w

erden nach der Mittelstufe in den G

ymnasien gestellt. W

er Mathem

atik,Physik und naturw

issenschaftliche Fächer abwählt, ist einer Ingenieurlaufbahn m

eistschon verloren gegangen.H

ier müssen unsere B

otschaften greifen.

Ingenieure und Handw

erk Hand in H

and können auch in Zukunft ein Erfolgsfaktor unseresLandes sein. D

ies gilt ganz besonders für uns Bauleute.

Unsere R

eferenten werden das aus verschiedenen B

lickwinkeln vertiefen.

Bildnachw

eis:A

bb. 2H

auptverband der Deutschen B

auindustrie, 01/2007A

bb. 3H

auptverband der Deutschen B

auindustrie, 02/2007A

bb. 4Zentralverband des D

eutschen Handw

erks e.V. (ZDH

), 02/2007

Page 17: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

–die korporative O

rganisation, die regional differierend und abhängig von politischenR

ahmenbedingungen verschiedene Funktionen w

ahrnehmen kann und die sich aus-

gehend von der politischen Zunft des Spätmittelalters über die A

ufhebung des Zunft-zw

anges hinweg in veränderter Form

bis in die Gegenw

art erhalten hat. 4

1.Schon im Spätm

ittelalter treten die hier an den Anfang gestellten W

esensmerkm

ale undder von ihnen gebildete Spannungsbogen zw

ischen Qualitätssicherung auf der einen,

Marktzugangsbeschränkungen auf der anderen Seite deutlich hervor: D

ie Zunft (oder dasA

mt) als Zusam

menschluss aller selbständigen H

andwerksm

eister eines Gew

erbes suchtedie sog. N

ahrung ihrer Mitglieder durch die M

onopolisierung ihres genau definiertenA

rbeits- bzw. Produktionsbereiches sicherzustellen, wobei die A

bgrenzung der Zustän-digkeiten häufig A

nlass zu Streit unter den Zünften bot. Wenn m

an liest, dass in Nürn-

berg das mit der H

erstellung von Harnischen befasste Plattnerhandw

erk in 12 Unter-

handwerke ausdifferenziert w

ar, „die jeweils ein Teil oder m

ehrere Teile der Platten-harnische fertigten“, überrascht das nicht. 5D

ie Zünfte wachten aber nicht nur eifersüch-

tig über die ihnen jeweils vorbehaltenen A

rbeits- und Fertigungsbereiche, sondern ver-folgten auch rigoros jede außerzünftische Produktion, sei es durch das Landhandw

erk,sei es durch die sog. Pfuscher innerhalb der Stadt. U

nd schließlich limitierten sie die Zahl

der zu beschäftigenden Lehrlinge und Gesellen je B

etrieb, um U

ngleichheiten innerhalbder Zunft vorzubeugen. N

eben solchen Mechanism

en der Marktbegrenzung w

ar unterw

irtschaftlichen Gesichtspunkten die Q

ualitätssicherung – nicht zuletzt im B

ereich derA

usbildung – die wichtigste Funktion der Zunft. M

it Blick auf die A

usbildung sind ihreLeistungen nur schw

er einzuschätzen: Zum einen ist die B

lüte der Handw

erkskunst desausgehenden M

ittelalters – etwa im

Bereich der G

oldschmiedekunst – unübersehbar.

Und dazu trug das hier und in m

anch anderem G

ewerbe entw

ickelte und weite Teile

Europas umspannende, allerdings konfessionelle G

renzen beachtende, System der G

e-sellenw

anderung maßgeblich bei, brachte es doch zahlreiche G

esellen vorübergehend inw

ohlbekannte Zentren einer hoch entwickelten H

andwerkskultur, w

ie etwa N

ürnberg.Zum

anderen aber ist gleichfalls unübersehbar, dass das Gesellenw

andern in vielenBerufen und über w

eite Zeiträume hinw

eg lediglich verbreitete Arbeitslosigkeit kaschierte.

Qualitätssicherung w

ar aber nicht nur im A

usbildungsbereich wichtig: D

ie Versamm

lungder Zunftm

eister, die eine eigene Jurisdiktion beanspruchte, ahndete Verstöße und kon-trollierte m

it dem abzulegenden M

eisterstück zugleich die berufliche Qualifikation neuer

Zunftmitglieder. D

ass sie damit ein w

eiteres Mittel zur K

onkurrenzbegrenzung in Händen

hielt, liegt auf der Hand, zum

al nach Ausw

eis zahlloser Prozesse das Meisterstück auch eine

hohe finanzielle Hürde bedeutete, w

enn etwa von einem

Möbelschreiner die A

nfertigungeiner äußerst kunstvollen, aber später unverkäuflichen K

omm

ode gefordert wurde.

Friedrich Lenger

16

Nun deutet der H

inweis auf Prozesse – gem

eint sind hier vor allem solche vor den

Reichsgerichten – bereits darauf hin, dass die Zünfte keinesw

egs so autonom operieren

konnten, wie sie dies selbst beanspruchten. 6Zur A

ufnahme m

issliebiger Bew

erber in dieZunft konnten sie von städtischer oder staatlicher Seite durchaus gezw

ungen werden. U

nddoch bot die enge Verbindung von M

eisterprüfung und Aufnahm

e in die Zunft, Ehe-schließung und A

ufnahme ins B

ürgerrecht den auf komm

unaler Ebene einflussreichenH

andwerkern einer Stadt viele M

öglichkeiten, Konkurrenz abzuw

ehren. Die M

eister-prüfung w

ar eben bis ins 19. Jahrhundert hinein weit m

ehr als der Abschluss einer gere-

gelten Berufsausbildung und zugleich Voraussetzung der Eheschließung und des Erwerbs

des Bürgerrechts. Und die A

ufnahme in die Zunft w

urde dementsprechend nicht allein aus

wirtschaftlichen M

otiven heraus abgelehnt. Mindestens ebenso w

ichtig war die Ehrbar-

keit des Bewerbers, w

orunter vor allem seine eheliche G

eburt, sein Ledigsein während der

Gesellenzeit und nicht zuletzt seine K

onfession verstanden wurden. 7

Zwischen A

nspruch und Wirklichkeit zünftisch organisierten H

andwerks klaffte nicht

erst im 17. oder 18. Jahrhundert eine tiefe K

luft, auch wenn die G

eschichtsschreibungdes 19. Jahrhunderts gerne das B

ild einer blühenden Handw

erkswelt des Spätm

ittelaltersund eines sich daran anschließenden Verfalls gezeichnet hat. 8Zu den Verfallssym

ptomen

ist dabei zum einen die sog. Schließung der Zünfte gezählt w

orden. Eine solche Abschot-

tung, wie sie etw

a an der ausschließlichen Aufnahm

e der meist privilegierten örtlichen

Meistersöhne ablesbar w

äre, lässt sich aber für kaum eine m

itteleuropäische Zunft derZeit nachw

eisen. Zum anderen ist gerne die innovationsfeindliche H

altung der Zünfte,ihre gleichsam

maschinenstürm

erische Qualität betont w

orden. Auch hier handelt es sich

um recht einseitige Zuspitzungen. Zw

ar lehnten viele Zünfte von außen komm

ende Inno-vationen ab, entw

ickelten aber nicht selten innerhalb ihres eigenen Kosm

os wichtige

Neuerungen. Strukturell begrenzten aber die Vorschriften über die einem

Gew

erbe zu-gehörigen Endprodukte und die zu verw

endenden Werkstoffe das Innovationspotential.

Wichtige den W

ettbewerb hem

mende M

aßnahmen, w

ie die eingangs angesprochene Be-

grenzung der Lehrlings- und der Gesellenzahl, griffen dagegen in der R

egel nicht. 9

2.Den gew

ichtigsten Grund aber, die w

irtschaftlichen Konsequenzen zünftischer B

e-schränkungen der G

ewerbefreiheit nicht zu überschätzen, liefert der Vergleich von R

e-gionen, die die G

ewerbefreiheit einführten, und solchen, die an der zünftischen O

rgani-sation des H

andwerks festhielten. B

ekanntlich hatte ja Preußen 1810 die Gew

erbefreiheiteingeführt, w

ährend dies in den meisten übrigen deutschen Staaten erst in den 1860er

Jahren erfolgte. Und dennoch gibt es in den vorliegenden Strukturdaten zur Entw

icklungdes H

andwerks kaum

Hinw

eise darauf, dass diese ordnungspolitische Differenz von grö-

Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungen17

Page 18: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

–die korporative O

rganisation, die regional differierend und abhängig von politischenR

ahmenbedingungen verschiedene Funktionen w

ahrnehmen kann und die sich aus-

gehend von der politischen Zunft des Spätmittelalters über die A

ufhebung des Zunft-zw

anges hinweg in veränderter Form

bis in die Gegenw

art erhalten hat. 4

1.Schon im Spätm

ittelalter treten die hier an den Anfang gestellten W

esensmerkm

ale undder von ihnen gebildete Spannungsbogen zw

ischen Qualitätssicherung auf der einen,

Marktzugangsbeschränkungen auf der anderen Seite deutlich hervor: D

ie Zunft (oder dasA

mt) als Zusam

menschluss aller selbständigen H

andwerksm

eister eines Gew

erbes suchtedie sog. N

ahrung ihrer Mitglieder durch die M

onopolisierung ihres genau definiertenA

rbeits- bzw. Produktionsbereiches sicherzustellen, wobei die A

bgrenzung der Zustän-digkeiten häufig A

nlass zu Streit unter den Zünften bot. Wenn m

an liest, dass in Nürn-

berg das mit der H

erstellung von Harnischen befasste Plattnerhandw

erk in 12 Unter-

handwerke ausdifferenziert w

ar, „die jeweils ein Teil oder m

ehrere Teile der Platten-harnische fertigten“, überrascht das nicht. 5D

ie Zünfte wachten aber nicht nur eifersüch-

tig über die ihnen jeweils vorbehaltenen A

rbeits- und Fertigungsbereiche, sondern ver-folgten auch rigoros jede außerzünftische Produktion, sei es durch das Landhandw

erk,sei es durch die sog. Pfuscher innerhalb der Stadt. U

nd schließlich limitierten sie die Zahl

der zu beschäftigenden Lehrlinge und Gesellen je B

etrieb, um U

ngleichheiten innerhalbder Zunft vorzubeugen. N

eben solchen Mechanism

en der Marktbegrenzung w

ar unterw

irtschaftlichen Gesichtspunkten die Q

ualitätssicherung – nicht zuletzt im B

ereich derA

usbildung – die wichtigste Funktion der Zunft. M

it Blick auf die A

usbildung sind ihreLeistungen nur schw

er einzuschätzen: Zum einen ist die B

lüte der Handw

erkskunst desausgehenden M

ittelalters – etwa im

Bereich der G

oldschmiedekunst – unübersehbar.

Und dazu trug das hier und in m

anch anderem G

ewerbe entw

ickelte und weite Teile

Europas umspannende, allerdings konfessionelle G

renzen beachtende, System der G

e-sellenw

anderung maßgeblich bei, brachte es doch zahlreiche G

esellen vorübergehend inw

ohlbekannte Zentren einer hoch entwickelten H

andwerkskultur, w

ie etwa N

ürnberg.Zum

anderen aber ist gleichfalls unübersehbar, dass das Gesellenw

andern in vielenBerufen und über w

eite Zeiträume hinw

eg lediglich verbreitete Arbeitslosigkeit kaschierte.

Qualitätssicherung w

ar aber nicht nur im A

usbildungsbereich wichtig: D

ie Versamm

lungder Zunftm

eister, die eine eigene Jurisdiktion beanspruchte, ahndete Verstöße und kon-trollierte m

it dem abzulegenden M

eisterstück zugleich die berufliche Qualifikation neuer

Zunftmitglieder. D

ass sie damit ein w

eiteres Mittel zur K

onkurrenzbegrenzung in Händen

hielt, liegt auf der Hand, zum

al nach Ausw

eis zahlloser Prozesse das Meisterstück auch eine

hohe finanzielle Hürde bedeutete, w

enn etwa von einem

Möbelschreiner die A

nfertigungeiner äußerst kunstvollen, aber später unverkäuflichen K

omm

ode gefordert wurde.

Friedrich Lenger

16

Nun deutet der H

inweis auf Prozesse – gem

eint sind hier vor allem solche vor den

Reichsgerichten – bereits darauf hin, dass die Zünfte keinesw

egs so autonom operieren

konnten, wie sie dies selbst beanspruchten. 6Zur A

ufnahme m

issliebiger Bew

erber in dieZunft konnten sie von städtischer oder staatlicher Seite durchaus gezw

ungen werden. U

nddoch bot die enge Verbindung von M

eisterprüfung und Aufnahm

e in die Zunft, Ehe-schließung und A

ufnahme ins B

ürgerrecht den auf komm

unaler Ebene einflussreichenH

andwerkern einer Stadt viele M

öglichkeiten, Konkurrenz abzuw

ehren. Die M

eister-prüfung w

ar eben bis ins 19. Jahrhundert hinein weit m

ehr als der Abschluss einer gere-

gelten Berufsausbildung und zugleich Voraussetzung der Eheschließung und des Erw

erbsdes B

ürgerrechts. Und die A

ufnahme in die Zunft w

urde dementsprechend nicht allein aus

wirtschaftlichen M

otiven heraus abgelehnt. Mindestens ebenso w

ichtig war die Ehrbar-

keit des Bew

erbers, worunter vor allem

seine eheliche Geburt, sein Ledigsein w

ährend derG

esellenzeit und nicht zuletzt seine Konfession verstanden w

urden. 7

Zwischen A

nspruch und Wirklichkeit zünftisch organisierten H

andwerks klaffte nicht

erst im 17. oder 18. Jahrhundert eine tiefe K

luft, auch wenn die G

eschichtsschreibungdes 19. Jahrhunderts gerne das B

ild einer blühenden Handw

erkswelt des Spätm

ittelaltersund eines sich daran anschließenden Verfalls gezeichnet hat. 8Zu den Verfallssym

ptomen

ist dabei zum einen die sog. Schließung der Zünfte gezählt w

orden. Eine solche Abschot-

tung, wie sie etw

a an der ausschließlichen Aufnahm

e der meist privilegierten örtlichen

Meistersöhne ablesbar w

äre, lässt sich aber für kaum eine m

itteleuropäische Zunft derZeit nachw

eisen. Zum anderen ist gerne die innovationsfeindliche H

altung der Zünfte,ihre gleichsam

maschinenstürm

erische Qualität betont w

orden. Auch hier handelt es sich

um recht einseitige Zuspitzungen. Zw

ar lehnten viele Zünfte von außen komm

ende Inno-vationen ab, entw

ickelten aber nicht selten innerhalb ihres eigenen Kosm

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Neuerungen. Strukturell begrenzten aber die Vorschriften über die einem

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erbe zu-gehörigen Endprodukte und die zu verw

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Wichtige den W

ettbewerb hem

mende M

aßnahmen, w

ie die eingangs angesprochene Be-

grenzung der Lehrlings- und der Gesellenzahl, griffen dagegen in der R

egel nicht. 9

2.Den gew

ichtigsten Grund aber, die w

irtschaftlichen Konsequenzen zünftischer B

e-schränkungen der G

ewerbefreiheit nicht zu überschätzen, liefert der Vergleich von R

e-gionen, die die G

ewerbefreiheit einführten, und solchen, die an der zünftischen O

rgani-sation des H

andwerks festhielten. B

ekanntlich hatte ja Preußen 1810 die Gew

erbefreiheiteingeführt, w

ährend dies in den meisten übrigen deutschen Staaten erst in den 1860er

Jahren erfolgte. Und dennoch gibt es in den vorliegenden Strukturdaten zur Entw

icklungdes H

andwerks kaum

Hinw

eise darauf, dass diese ordnungspolitische Differenz von grö-

Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungen17

Page 19: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

ßerer Bedeutung gew

esen wäre. H

ellsichtigen Zeitgenossen war das – w

ie auch dieG

ründe dafür – nur zu bewusst: „W

ir wissen alle“, so konnte m

an z.B. 1844 in der H

ol-steinischen Ständeversam

mlung hören, „daß factisch bei uns eine G

ewerbefreiheit besteht,

dieselbe ist aber durchaus principlos, hunderte von Handw

erkern sind concessioniert undebenso viele treiben sich herum

, ohne Concessionen zu haben.“

10Von daher sollte auchnicht überraschen, dass der im

18. und frühen 19. Jahrhundert gewerblich am

stärkstenentw

ickelte deutsche Staat, das Königreich Sachsen, noch lange an der Zunftverfassung

festhielt. Der industriellen Entw

icklung Sachsens und seit den 1830er/1840er Jahrenauch anderer deutscher R

egionen stand die im A

lltag wenig w

irksame Zunftverfassung

also nicht im W

ege.

Gleichw

ohl blieb die zünftische Denkw

eise dominant, w

ie sich vor allem in der R

evolu-tion von 1848/49 überdeutlich zeigte. Eine R

eihe überregionaler Handw

erkerkongresseforderte einm

ütig die Abschaffung der G

ewerbefreiheit sow

ie eine Gew

erbeordnung, dieeine nur leicht reform

ierte Variante der oben skizzierten Zunftverfassung bedeutet hätte.Von rund 1200 Petitionen, die H

andwerkerorganisationen an die Frankfurter N

ational-versam

mlung schickten, stim

mten die allerm

eisten diesen in einem Entw

urf einer Hand-

werks- und G

ewerbeordnung form

ulierten Forderungen zu. Bezeichnend für die Präge-

kraft der handwerklichen Vorstellungsw

elt ist auch, dass die Forderungen der entstehen-den A

rbeiterbewegung und insbesondere einiger früher G

ewerkschaften deren Logik

widerspiegelten. So w

ollten die überwiegend heim

gewerblich oder in M

anufakturen ar-beitenden Zigarrenm

acher ihre Situation durch den Ausschluss von Frauen und durch die

Begrenzung der Lehrlingszahlen verbessern. 11

Für breite Bevölkerungsschichten w

ar also bis weit ins 19. Jahrhundert hinein das M

o-dell der spätm

ittelalterlichen Handw

erkszunft bestimm

end für ihre Vorstellungen voneiner gerechten G

esellschaft, ohne dass in der Regel über die H

ärten, die das Mittel

des Marktausschlusses für die B

etroffenen nach sich gezogen hätte, intensiver nachge-dacht w

orden wäre. D

urchsetzbar waren derlei Vorstellungen in den R

evolutionsjahren1848/49 nicht, und so standen die auch nach 1849 vor allem

in Süddeutschland nochfortbestehenden B

eschränkungen der Gew

erbefreiheit der industriellen Entwicklung

nicht wirklich im

Wege. Vielm

ehr wird m

an umgekehrt festhalten m

üssen, dass das Hand-

werk über seine A

usbildungsleistung einen wichtigen B

eitrag zur Industriellen Revo-

lution in Mitteleuropa geleistet hat. D

as gilt weniger für die in D

eutschland entschei-denden Führungssektoren w

ie Eisenbahnbau, Bergbau und Eisen- und Stahlindustrie,

die ganz überwiegend m

it unqualifizierten Arbeitskräften arbeiteten, die zum

Teil ausItalien und Polen rekrutiert w

urden. Es gilt aber umso m

ehr für den Maschinenbau, der

auf lange Zeit eine Schlüsselbranche blieb, und ganz maßgeblich von U

nternehmern

mit handw

erklichem H

intergrund aufgebaut wurde. H

ier mochten auch die staatlichen

Gew

erbeschulen einen Beitrag leisten, aber w

enn man liest, dass sie einen A

ugust Borsig

Friedrich Lenger

18

als „technisch unbegabt“ exmatrikulierten, w

ird man diesen B

eitrag vielleicht nicht allzuhoch veranschlagen w

ollen. 12

Die B

edeutung der handwerklichen Tradition als R

ahmenvoraussetzung für die indus-

trielle Entwicklung D

eutschlands ist also hoch zu veranschlagen. Um

gekehrt gilt es auchdie K

onsequenzen der Industrialisierung für das Handw

erk kurz zu skizzieren, da sie oftfalsch und allzu negativ eingeschätzt w

urden. Die die D

ebatten dominierende Verdrän-

gung handwerklicher Produktion durch fabrikindustrielle führte näm

lich nur in wenigen

Fällen zum Verschw

inden einzelner Handw

erkszweige. D

ie Nagelschm

iede wären ein

solcher Fall. Sehr viel typischer waren zw

ei andere Muster. Zum

einen gab es eine ganzeR

eihe von Handw

erkszweigen, deren Tätigkeitsfeld sich in R

ichtung Installation, Repa-

ratur und Handel verschob, w

eil sie in der Neuanfertigung nicht länger konkurrenzfähig

waren. H

ier wären etw

a Schlosser und Klem

pner zu nennen, für das späte 19. und das20. Jahrhundert aber auch N

ähmaschinen- und Fahrradm

echaniker oder Elektrohand-w

erker, Berufszw

eige also, die ihre Existenz überhaupt erst der industriellen Ent-w

icklung verdankten. Zum anderen – und aufgrund der zahlenm

äßigen Dom

inanz vonSchneidern, Schuhm

achern, Tischlern, Zimm

erleuten und Maurern w

ichtiger – gab eseine schon in der ersten H

älfte des 19. Jahrhunderts sichtbare Tendenz, dass zuvor selb-ständige H

andwerker den direkten Zugang zum

Kunden verloren. A

uf Bestellung w

urdezunehm

end seltener gearbeitet, und Schneider, Schuhmacher und M

öbeltischler konntenoft kein eigenes Ladenlokal finanzieren, um

so den Zugang zum M

arkt zu behaupten.Stattdessen gerieten sie häufig in A

bhängigkeit von Verlegern, Kaufleuten also, die ihnen

die Arbeitsm

aterialien vorstreckten und später ihre Arbeitsprodukte in M

agazinen ver-trieben. D

ie Kapitalkraft des H

andels, nicht die Überlegenheit der fabrikindustriellen

Produktion, die bei Kleidung, Schuhen und M

öbeln bis ins frühe 20. Jahrhundert hineinkaum

eine Rolle spielte, bedrohte hier die handw

erkliche Existenz. Und w

ie in diesenM

assenhandwerken kam

auch im B

augewerbe die lange übliche Produktion auf B

estel-lung zunehm

end außer Übung. H

erkömm

licherweise übernahm

ein Baum

eister den Bau

eines Hauses auf B

estellung und bekam die dazu nötigen B

aumaterialien vom

Bauherrn

gestellt. Nun aber gew

annen der Bau auf eigene R

echnung und die Bauspekulation an

Gew

icht. 13Häuser zu errichten, für die m

an noch keine Käufer hatte, w

ar aber ungleichkapitalintensiver als das herköm

mliche B

auen auf Bestellung. D

as führte zu einer Pola-risierung zw

ischen einigen Groß- und einer Vielzahl kleinerer B

etriebe. Letztere arbei-teten häufig im

Auftrag einiger G

roßfirmen, w

urden aber auch nicht selten Opfer m

ittel-loser Zw

ischenunternehmer, deren Insolvenz sie in den R

uin trieb. Klagen über ein Preis

und Qualität drückendes Subm

issionswesen begleiten das B

auhandwerk gleichfalls seit

dem späten 19. Jahrhundert.

Auch w

enn also bei den zahlenmäßig w

ichtigsten Handw

erken der Schneider, Schuh-m

acher, Schreiner, Maurer und Zim

merleute nicht die produktionstechnische U

nter-

Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungen19

Page 20: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

ßerer Bedeutung gew

esen wäre. H

ellsichtigen Zeitgenossen war das – w

ie auch dieG

ründe dafür – nur zu bewusst: „W

ir wissen alle“, so konnte m

an z.B. 1844 in der H

ol-steinischen Ständeversam

mlung hören, „daß factisch bei uns eine G

ewerbefreiheit besteht,

dieselbe ist aber durchaus principlos, hunderte von Handw

erkern sind concessioniert undebenso viele treiben sich herum

, ohne Concessionen zu haben.“

10Von daher sollte auchnicht überraschen, dass der im

18. und frühen 19. Jahrhundert gewerblich am

stärkstenentw

ickelte deutsche Staat, das Königreich Sachsen, noch lange an der Zunftverfassung

festhielt. Der industriellen Entw

icklung Sachsens und seit den 1830er/1840er Jahrenauch anderer deutscher R

egionen stand die im A

lltag wenig w

irksame Zunftverfassung

also nicht im W

ege.

Gleichw

ohl blieb die zünftische Denkw

eise dominant, w

ie sich vor allem in der R

evolu-tion von 1848/49 überdeutlich zeigte. Eine R

eihe überregionaler Handw

erkerkongresseforderte einm

ütig die Abschaffung der G

ewerbefreiheit sow

ie eine Gew

erbeordnung, dieeine nur leicht reform

ierte Variante der oben skizzierten Zunftverfassung bedeutet hätte.Von rund 1200 Petitionen, die H

andwerkerorganisationen an die Frankfurter N

ational-versam

mlung schickten, stim

mten die allerm

eisten diesen in einem Entw

urf einer Hand-

werks- und G

ewerbeordnung form

ulierten Forderungen zu. Bezeichnend für die Präge-

kraft der handwerklichen Vorstellungsw

elt ist auch, dass die Forderungen der entstehen-den A

rbeiterbewegung und insbesondere einiger früher G

ewerkschaften deren Logik

widerspiegelten. So w

ollten die überwiegend heim

gewerblich oder in M

anufakturen ar-beitenden Zigarrenm

acher ihre Situation durch den Ausschluss von Frauen und durch die

Begrenzung der Lehrlingszahlen verbessern. 11

Für breite Bevölkerungsschichten w

ar also bis weit ins 19. Jahrhundert hinein das M

o-dell der spätm

ittelalterlichen Handw

erkszunft bestimm

end für ihre Vorstellungen voneiner gerechten G

esellschaft, ohne dass in der Regel über die H

ärten, die das Mittel

des Marktausschlusses für die B

etroffenen nach sich gezogen hätte, intensiver nachge-dacht w

orden wäre. D

urchsetzbar waren derlei Vorstellungen in den R

evolutionsjahren1848/49 nicht, und so standen die auch nach 1849 vor allem

in Süddeutschland nochfortbestehenden B

eschränkungen der Gew

erbefreiheit der industriellen Entwicklung

nicht wirklich im

Wege. Vielm

ehr wird m

an umgekehrt festhalten m

üssen, dass das Hand-

werk über seine A

usbildungsleistung einen wichtigen B

eitrag zur Industriellen Revo-

lution in Mitteleuropa geleistet hat. D

as gilt weniger für die in D

eutschland entschei-denden Führungssektoren w

ie Eisenbahnbau, Bergbau und Eisen- und Stahlindustrie,

die ganz überwiegend m

it unqualifizierten Arbeitskräften arbeiteten, die zum

Teil ausItalien und Polen rekrutiert w

urden. Es gilt aber umso m

ehr für den Maschinenbau, der

auf lange Zeit eine Schlüsselbranche blieb, und ganz maßgeblich von U

nternehmern

mit handw

erklichem H

intergrund aufgebaut wurde. H

ier mochten auch die staatlichen

Gew

erbeschulen einen Beitrag leisten, aber w

enn man liest, dass sie einen A

ugust Borsig

Friedrich Lenger

18

als „technisch unbegabt“ exmatrikulierten, w

ird man diesen B

eitrag vielleicht nicht allzuhoch veranschlagen w

ollen. 12

Die B

edeutung der handwerklichen Tradition als R

ahmenvoraussetzung für die indus-

trielle Entwicklung D

eutschlands ist also hoch zu veranschlagen. Um

gekehrt gilt es auchdie K

onsequenzen der Industrialisierung für das Handw

erk kurz zu skizzieren, da sie oftfalsch und allzu negativ eingeschätzt w

urden. Die die D

ebatten dominierende Verdrän-

gung handwerklicher Produktion durch fabrikindustrielle führte näm

lich nur in wenigen

Fällen zum Verschw

inden einzelner Handw

erkszweige. D

ie Nagelschm

iede wären ein

solcher Fall. Sehr viel typischer waren zw

ei andere Muster. Zum

einen gab es eine ganzeR

eihe von Handw

erkszweigen, deren Tätigkeitsfeld sich in R

ichtung Installation, Repa-

ratur und Handel verschob, w

eil sie in der Neuanfertigung nicht länger konkurrenzfähig

waren. H

ier wären etw

a Schlosser und Klem

pner zu nennen, für das späte 19. und das20.Jahrhundert aber auch N

ähmaschinen- und Fahrradm

echaniker oder Elektrohand-w

erker, Berufszw

eige also, die ihre Existenz überhaupt erst der industriellen Ent-w

icklung verdankten. Zum anderen – und aufgrund der zahlenm

äßigen Dom

inanz vonSchneidern, Schuhm

achern, Tischlern, Zimm

erleuten und Maurern w

ichtiger – gab eseine schon in der ersten H

älfte des 19. Jahrhunderts sichtbare Tendenz, dass zuvor selb-ständige H

andwerker den direkten Zugang zum

Kunden verloren. A

uf Bestellung w

urdezunehm

end seltener gearbeitet, und Schneider, Schuhmacher und M

öbeltischler konntenoft kein eigenes Ladenlokal finanzieren, um

so den Zugang zum M

arkt zu behaupten.Stattdessen gerieten sie häufig in A

bhängigkeit von Verlegern, Kaufleuten also, die ihnen

die Arbeitsm

aterialien vorstreckten und später ihre Arbeitsprodukte in M

agazinen ver-trieben. D

ie Kapitalkraft des H

andels, nicht die Überlegenheit der fabrikindustriellen

Produktion, die bei Kleidung, Schuhen und M

öbeln bis ins frühe 20. Jahrhundert hineinkaum

eine Rolle spielte, bedrohte hier die handw

erkliche Existenz. Und w

ie in diesenM

assenhandwerken kam

auch im B

augewerbe die lange übliche Produktion auf B

estel-lung zunehm

end außer Übung. H

erkömm

licherweise übernahm

ein Baum

eister den Bau

eines Hauses auf B

estellung und bekam die dazu nötigen B

aumaterialien vom

Bauherrn

gestellt. Nun aber gew

annen der Bau auf eigene R

echnung und die Bauspekulation an

Gew

icht. 13Häuser zu errichten, für die m

an noch keine Käufer hatte, w

ar aber ungleichkapitalintensiver als das herköm

mliche B

auen auf Bestellung. D

as führte zu einer Pola-risierung zw

ischen einigen Groß- und einer Vielzahl kleinerer B

etriebe. Letztere arbei-teten häufig im

Auftrag einiger G

roßfirmen, w

urden aber auch nicht selten Opfer m

ittel-loser Zw

ischenunternehmer, deren Insolvenz sie in den R

uin trieb. Klagen über ein Preis

und Qualität drückendes Subm

issionswesen begleiten das B

auhandwerk gleichfalls seit

dem späten 19. Jahrhundert.

Auch w

enn also bei den zahlenmäßig w

ichtigsten Handw

erken der Schneider, Schuh-m

acher, Schreiner, Maurer und Zim

merleute nicht die produktionstechnische U

nter-

Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungen19

Page 21: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

legenheit, sondern allein die relative Kapitalknappheit zum

entscheidenden Wettbew

erbs-nachteil w

urde, unterschied sich das Baugew

erbe ansonsten doch in wichtigen Punkten

von den genannten Massenhandw

erken. Anders als bei diesen w

ar die selbständigeExistenz schon in vorm

odernen Zeiten nicht der erwartbare Schlusspunkt handw

erkli-cher A

usbildung. Dafür w

aren die Beschäftigtenzahlen pro B

etrieb schon imm

er zu groß.W

enn Berliner M

aurermeister in den 1840er Jahren durchschnittlich 20 G

esellen undLehrlinge beschäftigten, ihre Zim

mererkollegen im

merhin noch 15, dann m

achen dieseaus heutiger Sicht niedrigen Zahlen doch einsichtig, dass nicht jeder G

eselle zumM

eister aufsteigen konnte. Nur im

Baugew

erbe gab es deshalb lange vor 1800 verheira-tete G

esellen, für die der Gesellenstatus eben kein vorübergehender m

ehr war. 14D

a sichtechnisch im

Baugew

erbe während der Industriellen R

evolution zunächst nur wenig

änderte, blieb auch die Ausbildungsw

eise weitgehend konstant. D

abei lässt sich nach-w

eisen, dass Bauhandw

erker besonders häufig die nach der Jahrhundertmitte zunehm

enderrichteten H

andwerkerfortbildungsschulen besuchten. B

ei einer Gesam

tschülerzahl die-ser Einrichtungen in Preußen von knapp 30000 M

itte der 1860er Jahre war dies aber

auch im B

auhandwerk keinesw

egs die Regel. 15W

ährend also im B

augewerbe A

usbil-dung und Q

ualitätssicherung in der Industriellen Revolution im

Kern unverändert blie-

ben, spielten sich in der Schneiderei, der Schuhmacherei und der M

öbeltischlerei massive

Dequalifizierungsprozesse ab, da die Verleger die A

rbeitsteilung vorantrieben und bei-spielsw

eise Schneider zu Ärm

eleinsetzern, Möbeltischler zu Stuhlm

achern spezialisier-ten. H

andwerkliche Q

ualität wurde etw

a bei der Möbelherstellung am

ehesten noch inder Fabrik sichergestellt. D

enn während die Produkte der zu H

eimarbeitern degradierten

Kleinhandw

erker erst im M

öbelmagazin nach G

utdünken zu kompletten Einrichtungen

zusamm

engestellt wurden, stellten in der Fabrik hoch qualifizierte H

andwerker Einzel-

stücke ohne größeren Maschineneinsatz nach einem

zuvor festgelegten Gesam

tplan auseinheitlichen M

aterialien her. 16

Vor dem H

intergrund der damit nur für einige H

andwerkszw

eige angedeuteten Struk-turw

andlungsprozesse scheint es durchaus nachvollziehbar, dass Nationalökonom

en wie

Karl B

ücher im ausgehenden 19. Jahrhundert das H

andwerk in G

efahr sahen zwischen

Heim

gewerbe und Fabrik zerrieben zu w

erden. Der Verein für Socialpolitik, dem

Bücher

wie die m

eisten seiner Kollegen angehörte, veranstaltete deshalb in den späten 1890er

Jahren eine umfassende Enquete zur Lage des H

andwerks. A

us ihr zogen viele Zeitge-nossen den Schluss, dem

Handw

erk könne allein mit der W

iedereinführung von Markt-

zugangsbeschränkungen geholfen werden, die m

it der vom D

eutschen Reich 1871 über-

nomm

enen Gew

erbeordnung des Norddeutschen B

undes endgültig abgeschafft zu seinschienen. D

abei fallen die Forderungen nach Handw

erkerschutz zeitlich im W

esent-lichen zusam

men m

it der noch grundsätzlicheren Debatte um

die Frage, ob Deutschland

ein exportorientierter Industriestaat werden oder agrarisch autark bleiben solle. A

nge-sichts der hohen w

eltwirtschaftlichen Verflechtung D

eutschlands war die Frage realiter

Friedrich Lenger

20

längst entschieden, und doch ist die heute befremdlich anm

utende Debatte w

ichtig, umverstehen zu können, w

arum es die Interessenvertreter des H

andwerks in den späten

1890er Jahren vermochten, einen erheblichen Teil ihrer traditionellen Forderungen

durchzusetzen. 17Konkret ging es um

die seit den frühen 1880er Jahren wieder vehem

entvon der im

Allgem

einen Deutschen H

andwerkerbund zusam

mengeschlossenen H

and-w

erkerbewegung geforderten Ziele der Zw

angsinnung und des Befähigungsnachw

eises,zum

einen also um die Zw

angsmitgliedschaft aller selbständigen H

andwerker in Innungen

und zum anderen um

die Bindung der B

erechtigung zum selbständigen G

ewerbebetrieb

an die Meisterprüfung. So sehr sich also das H

andwerk auch strukturell gew

andelt hatte,lagen seine Forderungen doch ganz in der Fluchtlinie einer bis ins Spätm

ittelalterzurückreichenden Tradition. Verw

irklicht wurden sie im

Kaiserreich nur zum

Teil, 1897m

it der fakultativen Zwangsinnung, die den Innungszw

ang an einen vorherigen Mehr-

heitsentscheid der betroffenen Handw

erker band, und 1908 mit dem

sog. kleinen Befähi-

gungsnachweis, der zw

ar nicht den selbständigen Gew

erbebetrieb, aber die Lehrlings-ausbildung den geprüften M

eistern vorbehielt. 18

Nun ist es nahe liegend den kleinen B

efähigungsnachweis nicht allein als M

arkteingriff,sondern auch und vor allem

als Verbesserung der Qualitätssicherung zu verstehen. H

ierist indessen vor allzu großem

Optim

ismus zu w

arnen: Der Vorw

urf der Lehrlingszüch-terei, also der B

eschäftigung von zahlreichen billigen Lehrlingen anstelle von Gesellen,

war im

Kaiserreich w

ie auch in der Weim

arer Republik ein w

iederkehrendes Motiv der

Kritik am

Handw

erk. Die Zeiten eines Theodor H

ermann Leifeld, der als K

orbflech-term

eister das Protokoll einer Gesellenprüfung noch in den späten 1850er Jahren m

itdrei K

reuzen unterzeichnet hatte, mochten vorüber sein. 19A

ber da „der Lehrherr nach§ 127 G

O den Lehrling nur ,in den bei seinem

Betriebe vorkom

menden A

rbeiten des Ge-

werbes’zu unterw

eisen hatte“, änderte die Beschränkung der A

usbildung auf Meister-

betriebe nichts an dem im

mer deutlicher hervortretenden H

auptproblem, dass näm

lichaufgrund der bereits angesprochenen, zunehm

enden Spezialisierung der Betriebe gerade

auch in Richtung R

eparatur und Installation hier eine Vollqualifizierung in einemH

andwerk nicht m

ehr erworben w

erden konnte. 20B

ei den Gesellenprüfungen w

arensolche engen betrieblichen Profile ausdrücklich zu berücksichtigen. Ein deutlicherIndikator für die M

isere der Handw

erksausbildung in vielen Branchen w

ar, dass dieIndustrie – verstärkt seit dem

Ersten Weltkrieg – dazu überging, ihren Facharbeiter-

nachwuchs selbst auszubilden. U

nd obwohl es in den 1920er Jahren vereinzelt zur

Zusamm

enarbeit zwischen Industrie- und H

andwerkskam

mern auf dem

Gebiete des

Prüfungswesens kam

, lag doch das Schwergew

icht handwerkspolitischen Engagem

entsauf der Verhinderung der G

leichstellung von Facharbeiter- und Gesellenprüfung. „Erst

1936 wurden die von der Industrie- und H

andelskamm

er geprüften Facharbeiter bei derZulassung zur M

eisterprüfung den Handw

erksgesellen gleichgestellt“. 21Die handw

erk-liche Skepsis blieb w

ährend der Weim

arer Republik aber nicht auf die von der Industrie

Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungen21

Page 22: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

legenheit, sondern allein die relative Kapitalknappheit zum

entscheidenden Wettbew

erbs-nachteil w

urde, unterschied sich das Baugew

erbe ansonsten doch in wichtigen Punkten

von den genannten Massenhandw

erken. Anders als bei diesen w

ar die selbständigeExistenz schon in vorm

odernen Zeiten nicht der erwartbare Schlusspunkt handw

erkli-cher A

usbildung. Dafür w

aren die Beschäftigtenzahlen pro B

etrieb schon imm

er zu groß.W

enn Berliner M

aurermeister in den 1840er Jahren durchschnittlich 20 G

esellen undLehrlinge beschäftigten, ihre Zim

mererkollegen im

merhin noch 15, dann m

achen dieseaus heutiger Sicht niedrigen Zahlen doch einsichtig, dass nicht jeder G

eselle zumM

eister aufsteigen konnte. Nur im

Baugew

erbe gab es deshalb lange vor 1800 verheira-tete G

esellen, für die der Gesellenstatus eben kein vorübergehender m

ehr war. 14D

a sichtechnisch im

Baugew

erbe während der Industriellen R

evolution zunächst nur wenig

änderte, blieb auch die Ausbildungsw

eise weitgehend konstant. D

abei lässt sich nach-w

eisen, dass Bauhandw

erker besonders häufig die nach der Jahrhundertmitte zunehm

enderrichteten H

andwerkerfortbildungsschulen besuchten. B

ei einer Gesam

tschülerzahl die-ser Einrichtungen in Preußen von knapp 30000 M

itte der 1860er Jahre war dies aber

auch im B

auhandwerk keinesw

egs die Regel. 15W

ährend also im B

augewerbe A

usbil-dung und Q

ualitätssicherung in der Industriellen Revolution im

Kern unverändert blie-

ben, spielten sich in der Schneiderei, der Schuhmacherei und der M

öbeltischlerei massive

Dequalifizierungsprozesse ab, da die Verleger die A

rbeitsteilung vorantrieben und bei-spielsw

eise Schneider zu Ärm

eleinsetzern, Möbeltischler zu Stuhlm

achern spezialisier-ten. H

andwerkliche Q

ualität wurde etw

a bei der Möbelherstellung am

ehesten noch inder Fabrik sichergestellt. D

enn während die Produkte der zu H

eimarbeitern degradierten

Kleinhandw

erker erst im M

öbelmagazin nach G

utdünken zu kompletten Einrichtungen

zusamm

engestellt wurden, stellten in der Fabrik hoch qualifizierte H

andwerker Einzel-

stücke ohne größeren Maschineneinsatz nach einem

zuvor festgelegten Gesam

tplan auseinheitlichen M

aterialien her. 16

Vor dem H

intergrund der damit nur für einige H

andwerkszw

eige angedeuteten Struk-turw

andlungsprozesse scheint es durchaus nachvollziehbar, dass Nationalökonom

en wie

Karl B

ücher im ausgehenden 19. Jahrhundert das H

andwerk in G

efahr sahen zwischen

Heim

gewerbe und Fabrik zerrieben zu w

erden. Der Verein für Socialpolitik, dem

Bücher

wie die m

eisten seiner Kollegen angehörte, veranstaltete deshalb in den späten 1890er

Jahren eine umfassende Enquete zur Lage des H

andwerks. A

us ihr zogen viele Zeitge-nossen den Schluss, dem

Handw

erk könne allein mit der W

iedereinführung von Markt-

zugangsbeschränkungen geholfen werden, die m

it der vom D

eutschen Reich 1871 über-

nomm

enen Gew

erbeordnung des Norddeutschen B

undes endgültig abgeschafft zu seinschienen. D

abei fallen die Forderungen nach Handw

erkerschutz zeitlich im W

esent-lichen zusam

men m

it der noch grundsätzlicheren Debatte um

die Frage, ob Deutschland

ein exportorientierter Industriestaat werden oder agrarisch autark bleiben solle. A

nge-sichts der hohen w

eltwirtschaftlichen Verflechtung D

eutschlands war die Frage realiter

Friedrich Lenger

20

längst entschieden, und doch ist die heute befremdlich anm

utende Debatte w

ichtig, umverstehen zu können, w

arum es die Interessenvertreter des H

andwerks in den späten

1890er Jahren vermochten, einen erheblichen Teil ihrer traditionellen Forderungen

durchzusetzen. 17Konkret ging es um

die seit den frühen 1880er Jahren wieder vehem

entvon der im

Allgem

einen Deutschen H

andwerkerbund zusam

mengeschlossenen H

and-w

erkerbewegung geforderten Ziele der Zw

angsinnung und des Befähigungsnachw

eises,zum

einen also um die Zw

angsmitgliedschaft aller selbständigen H

andwerker in Innungen

und zum anderen um

die Bindung der B

erechtigung zum selbständigen G

ewerbebetrieb

an die Meisterprüfung. So sehr sich also das H

andwerk auch strukturell gew

andelt hatte,lagen seine Forderungen doch ganz in der Fluchtlinie einer bis ins Spätm

ittelalterzurückreichenden Tradition. Verw

irklicht wurden sie im

Kaiserreich nur zum

Teil, 1897m

it der fakultativen Zwangsinnung, die den Innungszw

ang an einen vorherigen Mehr-

heitsentscheid der betroffenen Handw

erker band, und 1908 mit dem

sog. kleinen Befähi-

gungsnachweis, der zw

ar nicht den selbständigen Gew

erbebetrieb, aber die Lehrlings-ausbildung den geprüften M

eistern vorbehielt. 18

Nun ist es nahe liegend den kleinen B

efähigungsnachweis nicht allein als M

arkteingriff,sondern auch und vor allem

als Verbesserung der Qualitätssicherung zu verstehen. H

ierist indessen vor allzu großem

Optim

ismus zu w

arnen: Der Vorw

urf der Lehrlingszüch-terei, also der B

eschäftigung von zahlreichen billigen Lehrlingen anstelle von Gesellen,

war im

Kaiserreich w

ie auch in der Weim

arer Republik ein w

iederkehrendes Motiv der

Kritik am

Handw

erk. Die Zeiten eines Theodor H

ermann Leifeld, der als K

orbflech-term

eister das Protokoll einer Gesellenprüfung noch in den späten 1850er Jahren m

itdrei K

reuzen unterzeichnet hatte, mochten vorüber sein. 19A

ber da „der Lehrherr nach§

127 GO

den Lehrling nur ,in den bei seinem B

etriebe vorkomm

enden Arbeiten des G

e-w

erbes’zu unterweisen hatte“, änderte die B

eschränkung der Ausbildung auf M

eister-betriebe nichts an dem

imm

er deutlicher hervortretenden Hauptproblem

, dass nämlich

aufgrund der bereits angesprochenen, zunehmenden Spezialisierung der B

etriebe geradeauch in R

ichtung Reparatur und Installation hier eine Vollqualifizierung in einem

Handw

erk nicht mehr erw

orben werden konnte. 20

Bei den G

esellenprüfungen waren

solche engen betrieblichen Profile ausdrücklich zu berücksichtigen. Ein deutlicherIndikator für die M

isere der Handw

erksausbildung in vielen Branchen w

ar, dass dieIndustrie – verstärkt seit dem

Ersten Weltkrieg – dazu überging, ihren Facharbeiter-

nachwuchs selbst auszubilden. U

nd obwohl es in den 1920er Jahren vereinzelt zur

Zusamm

enarbeit zwischen Industrie- und H

andwerkskam

mern auf dem

Gebiete des

Prüfungswesens kam

, lag doch das Schwergew

icht handwerkspolitischen Engagem

entsauf der Verhinderung der G

leichstellung von Facharbeiter- und Gesellenprüfung. „Erst

1936 wurden die von der Industrie- und H

andelskamm

er geprüften Facharbeiter bei derZulassung zur M

eisterprüfung den Handw

erksgesellen gleichgestellt“. 21Die handw

erk-liche Skepsis blieb w

ährend der Weim

arer Republik aber nicht auf die von der Industrie

Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungen21

Page 23: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

betriebenen Lehrwerkstätten und W

erkschulen beschränkt, sondern zog die seit 1918verstärkt gegründeten B

erufsschulen mit ein, deren B

esuch keinesfalls in die Arbeitszeit

fallen sollte. Zukunftsweisend w

ar eine solche Haltung nicht, auch w

enn einzuräumen

ist, dass die berufsfachliche Profilierung des Berufsschulunterrichts zu w

ünschen übrigließ. A

uch hier fiel ein vorläufiger Abschluss der Entw

icklung in die Zeit des National-

sozialismus, denn erst das R

eichsschulpflichtgesetz vom 6. Juli 1938 verpflichtete „alle

Jugendlichen, die keine weiterführenden Schulen besuchten, zum

Berufsschulbesuch“. 22

Die G

esetzgebung der NS-Zeit fügte sich also keinesw

egs imm

er handwerklichen

Wünschen. Sie stand vielm

ehr oft genug in weit zurück reichenden Traditionen. D

as giltauch für die R

egelungen, in denen gelegentlich ein Triumph der H

andwerkerbew

egungim

„III. Reich“ gesehen w

orden ist. Diese Sicht ist zw

ar insofern zutreffend, als dass mit

dem G

roßen Befähigungsnachw

eis und der Zwangsinnung 1935 die beiden zentralen

Forderungen der Handw

erkerbewegung erfüllt w

urden, doch handelte es sich eben nichtum

genuin nationalsozialistische Errungenschaften, sondern um die U

msetzung hand-

werklicher Vorstellungen einer gebundenen W

irtschaft, die in ganz ähnlicher Form seit

fast 100 Jahren imm

er wieder vertreten w

orden waren und letztlich noch sehr viel ältere

Wurzeln besaßen. 23A

uch darf man die W

irkung der angeführten Maßnahm

en nicht über-schätzen: „D

ie Einführung des Großen B

efähigungsnachweises bedeutete“ näm

lich kei-nesw

egs, „daß die handwerklichen B

etriebsinhaber ohne Meistertitel – 1936 noch 70%

aller selbständigen Handw

erker – ihrer Berufsstellung verlustig gingen. N

ur soweit sie

nach dem 31. D

ezember 1931 in die [w

enige Jahre zuvor eingeführte] Handw

erksrolleeingetragen w

orden waren, w

urden sie zur Nachholung der M

eisterprüfung bis zum31.D

ezember 1939 verpflichtet.“

24Und auch die endlich obligatorische Innungsm

itglied-schaft w

ird man angesichts der G

leichschaltung von Innungen und Kam

mern schw

erlichals Vollendung handw

erklicher Selbstverwaltungstraditionen verstehen w

ollen.N

ur zubald w

aren diese Körperschaften zudem

einbezogen in die „Auskäm

maktionen“ von

1939 und 1943, bei denen Kleingew

erbetreibende entschädigungslos zur Aufgabe ihrer

Betriebe gezw

ungen werden konnten. 25

Dem

entsprechend konnte neue Betriebe nur

gegründet werden, w

enn eine Bedürfnisprüfung ihre „,volksw

irtschaftliche Notw

en-digkeit’(…

) im R

ahmen der K

riegswirtschaft“ erw

iesen hatte. 26Wie schon im

ErstenW

eltkrieg nahm das H

andwerk in der K

riegswirtschaft nur einen nachrangigen Platz ein.

3.Die H

andwerksordnung des „III. R

eichs“ in weiter zurückreichende H

andwerkstra-

ditionen einzuordnen, heißt nicht, die Interessenorganisationen des Handw

erks von einerM

itverantwortung am

Scheitern der Weim

arer Republik und dam

it an der Ermöglichung

der NS-D

iktatur zu exkulpieren. Denn ohne jeden Zw

eifel war die Verbandspolitik des

Friedrich Lenger

22

Handw

erks ganz überwiegend republikfeindlich. 27D

agegen hat sich die schon zeitge-nössische und bis in die 1960er und 1970er Jahre hinein populäre These vom

National-

sozialismus als einer M

ittelstandsbewegung von H

andwerkern, K

leinhändlern undA

ngestellten nicht halten lassen. Handw

erker, wenngleich beileibe nicht alle, w

ählten inder W

eimarer R

epublik rechts und in deren Schlussphase auch häufig die NSD

AP, aber

eben kaum häufiger als andere B

evölkerungsgruppen, die katholische Bevölkerung und

den Kern der organisierten A

rbeiterbewegung ausgenom

men. G

leichwohl w

aren Vor-stellungen etw

a vom G

roßen Befähigungsnachw

eis als „Nazi-R

elikt“ in der unmittelba-

ren Nachkriegszeit durchaus präsent, nicht zuletzt in den K

reisen der amerikanischen

Besatzungsbehörden. D

iese waren es auch, die besonders energisch auf die D

urchset-zung offener M

arktstrukturen auch im B

ereich des Handw

erks drängten. Das w

ar bis indie W

erbefilme des Econom

ic Recovery Program

hinein spürbar. 28

Marktzugangsbeschränkungen w

aren in der Nachkriegszeit ohnehin ein ungem

ein aktu-elles Them

a, weil die von der K

ontrolle durch die NS-B

ehörden befreiten Innungen vie-lerorts darangingen, den Zugang zu ihren G

ewerben zu beschränken. „C

harakteristischist in diesem

Zusamm

enhang, daß die Innungen, ebenso wie die eingesessenen H

and-w

erker, nicht selten unbefangen mit der A

nciennität, der moralischen Verw

erflichkeit,überm

äßiger’Konkurrenz und dem

Prinzip der Nahrung argum

entierten, wonach jedem

Handw

erker ein sicheres Auskom

men quasi als R

echtsanspruch zustehe.“29So gelang es

z.B. den fünf Schm

ieden eines oberbayrischen Dorfes eine N

eugründung zu verhindern,obw

ohl mehr als fünfzig B

auern den dringenden Bedarf eines w

eiteren Betriebs schrift-

lich bestätigten. Besonders häufig trafen solche D

iskriminierungen Flüchtlinge und

Vertriebene. 30A

uf den energischsten Widerstand stießen solche A

usgrenzungen, wie

bereits angedeutet, in der amerikanischen B

esatzungszone, für die die amerikanische

Militärregierung Ende 1948 die G

ewerbelizensierung aufhob und die G

ewerbefreiheit

einführte. Aber auch in den anderen B

esatzungszonen, inklusive der sowjetischen, kam

es in der Nachkriegszeit zu einer regelrechten G

ründungswelle von H

andwerksbetrieben,

waren also die Versuche der Innungen, den Zugang zum

Markt zu beschränken, nur teil-

weise erfolgreich.

Rückblickend ist verblüffend, w

ie wenig Spuren insbesondere die am

erikanische Be-

satzungspolitik in der Organisation des H

andwerks hinterlassen hat. D

enn schon 1953verankerte der B

undestag den Großen B

efähigungsnachweis in einer B

undeshand-w

erksordnung. Wenn der C

DU

-Abgeordnete G

ünther in einer ersten Debatte ausführte,

dass der Entwurf für die britische und französische Besatzungszone kaum

Neues brächte,

hatte er Recht. 31D

ass er allerdings als Intention zu Protokoll gab, „das Chaos [zu] besei-

tigen, das sich seit der amerikanischen A

nordnung aus dem Jahre 1949 in der U

S-Zone“breit gem

acht habe, verblüfft sowohl als B

rüskierung der USA

als auch als Karikatur der

Verhältnisse in der amerikanischen B

esatzungszone. 32G

leichwohl stim

mten m

it Aus-

Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungen23

Page 24: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

betriebenen Lehrwerkstätten und W

erkschulen beschränkt, sondern zog die seit 1918verstärkt gegründeten B

erufsschulen mit ein, deren B

esuch keinesfalls in die Arbeitszeit

fallen sollte. Zukunftsweisend w

ar eine solche Haltung nicht, auch w

enn einzuräumen

ist, dass die berufsfachliche Profilierung des Berufsschulunterrichts zu w

ünschen übrigließ. A

uch hier fiel ein vorläufiger Abschluss der Entw

icklung in die Zeit des National-

sozialismus, denn erst das R

eichsschulpflichtgesetz vom 6. Juli 1938 verpflichtete „alle

Jugendlichen, die keine weiterführenden Schulen besuchten, zum

Berufsschulbesuch“. 22

Die G

esetzgebung der NS-Zeit fügte sich also keinesw

egs imm

er handwerklichen

Wünschen. Sie stand vielm

ehr oft genug in weit zurück reichenden Traditionen. D

as giltauch für die R

egelungen, in denen gelegentlich ein Triumph der H

andwerkerbew

egungim

„III. Reich“ gesehen w

orden ist. Diese Sicht ist zw

ar insofern zutreffend, als dass mit

dem G

roßen Befähigungsnachw

eis und der Zwangsinnung 1935 die beiden zentralen

Forderungen der Handw

erkerbewegung erfüllt w

urden, doch handelte es sich eben nichtum

genuin nationalsozialistische Errungenschaften, sondern um die U

msetzung hand-

werklicher Vorstellungen einer gebundenen W

irtschaft, die in ganz ähnlicher Form seit

fast 100 Jahren imm

er wieder vertreten w

orden waren und letztlich noch sehr viel ältere

Wurzeln besaßen. 23A

uch darf man die W

irkung der angeführten Maßnahm

en nicht über-schätzen: „D

ie Einführung des Großen B

efähigungsnachweises bedeutete“ näm

lich kei-nesw

egs, „daß die handwerklichen B

etriebsinhaber ohne Meistertitel – 1936 noch 70%

aller selbständigen Handw

erker – ihrer Berufsstellung verlustig gingen. N

ur soweit sie

nach dem 31. D

ezember 1931 in die [w

enige Jahre zuvor eingeführte] Handw

erksrolleeingetragen w

orden waren, w

urden sie zur Nachholung der M

eisterprüfung bis zum31. D

ezember 1939 verpflichtet.“

24Und auch die endlich obligatorische Innungsm

itglied-schaft w

ird man angesichts der G

leichschaltung von Innungen und Kam

mern schw

erlichals Vollendung handw

erklicher Selbstverwaltungstraditionen verstehen w

ollen.N

ur zubald w

aren diese Körperschaften zudem

einbezogen in die „Auskäm

maktionen“ von

1939 und 1943, bei denen Kleingew

erbetreibende entschädigungslos zur Aufgabe ihrer

Betriebe gezw

ungen werden konnten. 25

Dem

entsprechend konnte neue Betriebe nur

gegründet werden, w

enn eine Bedürfnisprüfung ihre „,volksw

irtschaftliche Notw

en-digkeit’(…

) im R

ahmen der K

riegswirtschaft“ erw

iesen hatte. 26Wie schon im

ErstenW

eltkrieg nahm das H

andwerk in der K

riegswirtschaft nur einen nachrangigen Platz ein.

3.Die H

andwerksordnung des „III. R

eichs“ in weiter zurückreichende H

andwerkstra-

ditionen einzuordnen, heißt nicht, die Interessenorganisationen des Handw

erks von einerM

itverantwortung am

Scheitern der Weim

arer Republik und dam

it an der Ermöglichung

der NS-D

iktatur zu exkulpieren. Denn ohne jeden Zw

eifel war die Verbandspolitik des

Friedrich Lenger

22

Handw

erks ganz überwiegend republikfeindlich. 27D

agegen hat sich die schon zeitge-nössische und bis in die 1960er und 1970er Jahre hinein populäre These vom

National-

sozialismus als einer M

ittelstandsbewegung von H

andwerkern, K

leinhändlern undA

ngestellten nicht halten lassen. Handw

erker, wenngleich beileibe nicht alle, w

ählten inder W

eimarer R

epublik rechts und in deren Schlussphase auch häufig die NSD

AP, aber

eben kaum häufiger als andere B

evölkerungsgruppen, die katholische Bevölkerung und

den Kern der organisierten A

rbeiterbewegung ausgenom

men. G

leichwohl w

aren Vor-stellungen etw

a vom G

roßen Befähigungsnachw

eis als „Nazi-R

elikt“ in der unmittelba-

ren Nachkriegszeit durchaus präsent, nicht zuletzt in den K

reisen der amerikanischen

Besatzungsbehörden. D

iese waren es auch, die besonders energisch auf die D

urchset-zung offener M

arktstrukturen auch im B

ereich des Handw

erks drängten. Das w

ar bis indie W

erbefilme des Econom

ic Recovery Program

hinein spürbar. 28

Marktzugangsbeschränkungen w

aren in der Nachkriegszeit ohnehin ein ungem

ein aktu-elles Them

a, weil die von der K

ontrolle durch die NS-B

ehörden befreiten Innungen vie-lerorts darangingen, den Zugang zu ihren G

ewerben zu beschränken. „C

harakteristischist in diesem

Zusamm

enhang, daß die Innungen, ebenso wie die eingesessenen H

and-w

erker, nicht selten unbefangen mit der A

nciennität, der moralischen Verw

erflichkeit,überm

äßiger’Konkurrenz und dem

Prinzip der Nahrung argum

entierten, wonach jedem

Handw

erker ein sicheres Auskom

men quasi als R

echtsanspruch zustehe.“29So gelang es

z.B. den fünf Schm

ieden eines oberbayrischen Dorfes eine N

eugründung zu verhindern,obw

ohl mehr als fünfzig B

auern den dringenden Bedarf eines w

eiteren Betriebs schrift-

lich bestätigten. Besonders häufig trafen solche D

iskriminierungen Flüchtlinge und

Vertriebene. 30A

uf den energischsten Widerstand stießen solche A

usgrenzungen, wie

bereits angedeutet, in der amerikanischen B

esatzungszone, für die die amerikanische

Militärregierung Ende 1948 die G

ewerbelizensierung aufhob und die G

ewerbefreiheit

einführte. Aber auch in den anderen B

esatzungszonen, inklusive der sowjetischen, kam

es in der Nachkriegszeit zu einer regelrechten G

ründungswelle von H

andwerksbetrieben,

waren also die Versuche der Innungen, den Zugang zum

Markt zu beschränken, nur teil-

weise erfolgreich.

Rückblickend ist verblüffend, w

ie wenig Spuren insbesondere die am

erikanische Be-

satzungspolitik in der Organisation des H

andwerks hinterlassen hat. D

enn schon 1953verankerte der B

undestag den Großen B

efähigungsnachweis in einer B

undeshand-w

erksordnung. Wenn der C

DU

-Abgeordnete G

ünther in einer ersten Debatte ausführte,

dass der Entwurf für die britische und französische Besatzungszone kaum

Neues brächte,

hatte er Recht. 31D

ass er allerdings als Intention zu Protokoll gab, „das Chaos [zu] besei-

tigen, das sich seit der amerikanischen A

nordnung aus dem Jahre 1949 in der U

S-Zone“breit gem

acht habe, verblüfft sowohl als B

rüskierung der USA

als auch als Karikatur der

Verhältnisse in der amerikanischen B

esatzungszone. 32G

leichwohl stim

mten m

it Aus-

Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungen23

Page 25: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

nahme der K

PD auch die übrigen Parteien der H

andwerksordnung zu und m

achten dabeiin begründenden W

endungen wie der R

ede von der beseelten Arbeit des H

andwerks

deutlich, dass sie gegenüber einer modernen Industriegesellschaft durchaus Vorbehalte

hatten. 33Dam

it waren sie in den frühen 1950er Jahren keinesw

egs allein. Der oft als geis-

tiger Vater der sozialen Marktw

irtschaft gerühmte W

ilhelm R

öpke wäre hier ebenso zu

nennen wie deren populärster Vertreter Ludw

ig Erhard. 34Und dennoch bedeutete die

Festschreibung des Großen B

efähigungsnachweises nicht nur eine bis in die G

egenwart

wirksam

e Weichenstellung, sondern auch das Festhalten an einem

Handw

erksverständ-nis, das m

it Ausnahm

e Österreichs und Luxem

burgs unseren europäischen Nachbarn

meist frem

d ist, um erst gar nicht in andere W

eltregionen zu schauen. Im Prozess der

Europäischen Integration erwachsen hieraus bis in die G

egenwart hinein erhebliche

Probleme, obw

ohl die Novellierung der H

andwerksordnung vom

28. Dezem

ber 1965 dieW

irkungen des Großen B

efähigungsnachweises als M

arktzugangsbeschränkung abge-schw

ächt hat. Handw

erksähnliche Gew

erbe können seither ohne Meisterprüfung ausge-

übt werden, w

enn ausreichende Kenntnisse nachgew

iesen werden. 35D

adurch wurde vor

allem das Problem

der Kom

bination verschiedener handwerklicher Tätigkeiten in einem

Betrieb entschärft. 36Zugleich w

eist das Anw

achsen der Zahl der handwerksähnlichen

Betriebe bei gleichzeitigem

Rückgang der vollhandw

erklichen Betriebe darauf hin, dass

hier erheblicher Reform

bedarf bestand. 37

Ohnehin darf der beim

Blick auf die H

andwerksordnung rasch entstehende Eindruck

hoher Kontinuität nicht als B

eleg für Stagnation genomm

en werden. Vielm

ehr hat esw

ährend der letzten fünfzig Jahren sowohl im

Bereich der A

rbeits- und Produktions-technik – und hier nicht zuletzt im

Baugew

erbe – als auch im A

usbildungsbereich Grund

für stürzende Veränderungen gegeben. Nur von Letzterem

soll abschließend noch kurzdie R

ede sein. Wie bereits deutlich gew

orden sein dürfte, liegen die Wurzeln des dualen

Systems, um

das Deutschland bekanntlich von vielen Ländern beneidet w

ird, nicht erstin der B

undesrepublik. Und doch w

urde es erst seit den 1950er Jahren in vollem U

mfang

ausgebaut. Grundsätzlich hat es sich dabei sicherlich bew

ährt. Dazu trug m

aßgeblich bei,dass das H

andwerk und seine Interessenvertretungen zunehm

end aus der Frontstellunggegen die Industrie- und H

andelskamm

ern herausfanden, wozu der seit 1953 m

öglicheEintrag von H

andwerksbetrieben ins H

andelsregister beigetragen haben mag, der ver-

hinderte, dass größere und expandierende Betriebe zw

angsläufig aus dem H

andwerk

heraus fielen. 38Die neue Flexibilität zeigte sich etw

a in der Bereitschaft m

ancher Innung,schon in den 1960er Jahren den oben skizzierten Problem

en der Lehrlingsausbildungdurch gem

einsame Ü

bungswerkstätten zu begegnen. 39Seither sind solche A

nsätze zurüberbetrieblichen A

usbildung systematisch ausgew

eitet worden, w

obei sich die Hand-

werkskam

mern große Verdienste erw

orben haben. Mitte der 1980er Jahre bestanden

bereits 340 auch als „Eliteschulen des Handw

erks“ bezeichnete Bildungszentren m

it2500 W

erkstätten. 40Ob dieses bem

erkenswerte Engagem

ent ausreicht, vermag nur der

Friedrich Lenger

24

Blick auf einzelne B

erufsfelder zu sagen. Klar ist jedenfalls, dass handw

erkliche Quali-

fikation längst nicht mehr nur in em

pirischer Technik besteht, die man sich gleichsam

abschauen und antrainieren kann, sondern imm

er mehr Elem

ente wissenschaftlicher

Technik umfasst, die andere Lehr- und Verm

ittlungsmethoden verlangt.

Hier nun aber scheint das H

andwerk seit den 1960er und 1970er Jahren O

pfer gesell-schaftlicher Entw

icklungen geworden zu sein, die m

an aus dem K

ontext der wirtschaft-

lichen Blüte der 1950er und 1960er Jahre heraus verstehen kann, die aber längst zu

strukturellen Belastungen der K

onkurrenzfähigkeit des deutschen Handw

erks und derdeutschen W

irtschaft insgesamt gew

orden sind. Gem

eint sind die in den Bildungsrefor-

men der 1960er und 1970er Jahre aufscheinenden Prioritätensetzungen. N

un ist zunächsteinm

al die in dieser Zeit einsetzende Bildungsexpansion inklusive der sozialen Ö

ffnungder höheren B

ildungsanstalten uneingeschränkt zu begrüßen. Sie wurde indessen im

Zeichen zweier Tendenzen vollzogen, die bis heute schädliche W

irkungen entfalten.Zum

einen ging die verstärkte Durchlässigkeit einher m

it einer kontinuierlichen Ab-

senkung der Standards. Die zurzeit stattfindende Einführung von B.A

.- und M.A

.-Studien-gängen ist nur der Schlusspunkt einer Entw

icklung, die ein Anw

achsen der Akade-

mikerquote feiert, ohne sich um

die erlangten Qualifikationen zu scheren. Zum

anderenbelebte sie einen B

ildungsdünkel, der jeden noch so leicht zu erlangenden akademischen

Abschluss turm

hoch über jede praktische Tätigkeit stellte und innerhalb des schulischenFächerspektrum

s die Literatur- und Sozialwissenschaften gegenüber der M

athematik

und den Naturw

issenschaften privilegierte. An den K

onsequenzen dieser von Technik-feindschaft genährten G

rundhaltung leiden unsere Schulen bis heute. Im Ergebnis haben

wir deshalb eine beträchtliche Zahl von Studienanfängern, die nie eine Lehrstelle erhal-

tenw

ürden, Lehrstellenbewerber, die ungerührt am

lokal vielleicht unerreichbarenB

erufsziel der Arzthelferin festhalten, obw

ohl ihnen im A

usstellungsbau eine sehr vielanspruchsvollere und einträglichere, aber w

ohl auch anstrengendere Ausbildung ange-

boten wird, und H

andwerksbetriebe, die bei ihren Lehrlingen elem

entare Fähigkeitenw

ie Rechnen und Schreiben nicht voraussetzen können. D

afür ist gewiss nicht das

Handw

erk verantwortlich und auch nicht die in diesem

Vortrag in den Mittelpunkt

gestellte Tradition, Qualitätssicherung m

it Marktzugangsbeschränkungen zu verbinden.

Zu überlegen wäre aber, ob diese K

opplung im Prozess der europäischen Integration w

ieder G

lobalisierung überhaupt noch zeitgemäß und der G

roße Befähigungsnachw

eisw

irklich unverzichtbar ist. Aus der Perspektive der in diesem

Vortrag mit breitem

Strichgezogenen langen Linien schiene es vielversprechender, sich ganz auf den Pol der Q

uali-tätssicherung zu konzentrieren und im

Zusamm

enspiel mit der Industrie A

usbildungs-form

en zu entwickeln, die auch das A

usbildungspotential der aus Ostm

itteleuropa (undanderen R

egionen) zuwandernden jungen M

enschen zur Stärkung des deutschen Hand-

werks nutzt. A

uf das staatliche Bildungsw

esen wird m

an kaum zählen dürfen.

Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungen25

Page 26: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

nahme der K

PD auch die übrigen Parteien der H

andwerksordnung zu und m

achten dabeiin begründenden W

endungen wie der R

ede von der beseelten Arbeit des H

andwerks

deutlich, dass sie gegenüber einer modernen Industriegesellschaft durchaus Vorbehalte

hatten. 33Dam

it waren sie in den frühen 1950er Jahren keinesw

egs allein. Der oft als geis-

tiger Vater der sozialen Marktw

irtschaft gerühmte W

ilhelm R

öpke wäre hier ebenso zu

nennen wie deren populärster Vertreter Ludw

ig Erhard. 34Und dennoch bedeutete die

Festschreibung des Großen B

efähigungsnachweises nicht nur eine bis in die G

egenwart

wirksam

e Weichenstellung, sondern auch das Festhalten an einem

Handw

erksverständ-nis, das m

it Ausnahm

e Österreichs und Luxem

burgs unseren europäischen Nachbarn

meist frem

d ist, um erst gar nicht in andere W

eltregionen zu schauen. Im Prozess der

Europäischen Integration erwachsen hieraus bis in die G

egenwart hinein erhebliche

Probleme, obw

ohl die Novellierung der H

andwerksordnung vom

28. Dezem

ber 1965 dieW

irkungen des Großen B

efähigungsnachweises als M

arktzugangsbeschränkung abge-schw

ächt hat. Handw

erksähnliche Gew

erbe können seither ohne Meisterprüfung ausge-

übt werden, w

enn ausreichende Kenntnisse nachgew

iesen werden. 35D

adurch wurde vor

allem das Problem

der Kom

bination verschiedener handwerklicher Tätigkeiten in einem

Betrieb entschärft. 36Zugleich w

eist das Anw

achsen der Zahl der handwerksähnlichen

Betriebe bei gleichzeitigem

Rückgang der vollhandw

erklichen Betriebe darauf hin, dass

hier erheblicher Reform

bedarf bestand. 37

Ohnehin darf der beim

Blick auf die H

andwerksordnung rasch entstehende Eindruck

hoher Kontinuität nicht als B

eleg für Stagnation genomm

en werden. Vielm

ehr hat esw

ährend der letzten fünfzig Jahren sowohl im

Bereich der A

rbeits- und Produktions-technik – und hier nicht zuletzt im

Baugew

erbe – als auch im A

usbildungsbereich Grund

für stürzende Veränderungen gegeben. Nur von Letzterem

soll abschließend noch kurzdie R

ede sein. Wie bereits deutlich gew

orden sein dürfte, liegen die Wurzeln des dualen

Systems, um

das Deutschland bekanntlich von vielen Ländern beneidet w

ird, nicht erstin der B

undesrepublik. Und doch w

urde es erst seit den 1950er Jahren in vollem U

mfang

ausgebaut. Grundsätzlich hat es sich dabei sicherlich bew

ährt. Dazu trug m

aßgeblich bei,dass das H

andwerk und seine Interessenvertretungen zunehm

end aus der Frontstellunggegen die Industrie- und H

andelskamm

ern herausfanden, wozu der seit 1953 m

öglicheEintrag von H

andwerksbetrieben ins H

andelsregister beigetragen haben mag, der ver-

hinderte, dass größere und expandierende Betriebe zw

angsläufig aus dem H

andwerk

heraus fielen. 38Die neue Flexibilität zeigte sich etw

a in der Bereitschaft m

ancher Innung,schon in den 1960er Jahren den oben skizzierten Problem

en der Lehrlingsausbildungdurch gem

einsame Ü

bungswerkstätten zu begegnen. 39Seither sind solche A

nsätze zurüberbetrieblichen A

usbildung systematisch ausgew

eitet worden, w

obei sich die Hand-

werkskam

mern große Verdienste erw

orben haben. Mitte der 1980er Jahre bestanden

bereits 340 auch als „Eliteschulen des Handw

erks“ bezeichnete Bildungszentren m

it2500 W

erkstätten. 40Ob dieses bem

erkenswerte Engagem

ent ausreicht, vermag nur der

Friedrich Lenger

24

Blick auf einzelne B

erufsfelder zu sagen. Klar ist jedenfalls, dass handw

erkliche Quali-

fikation längst nicht mehr nur in em

pirischer Technik besteht, die man sich gleichsam

abschauen und antrainieren kann, sondern imm

er mehr Elem

ente wissenschaftlicher

Technik umfasst, die andere Lehr- und Verm

ittlungsmethoden verlangt.

Hier nun aber scheint das H

andwerk seit den 1960er und 1970er Jahren O

pfer gesell-schaftlicher Entw

icklungen geworden zu sein, die m

an aus dem K

ontext der wirtschaft-

lichen Blüte der 1950er und 1960er Jahre heraus verstehen kann, die aber längst zu

strukturellen Belastungen der K

onkurrenzfähigkeit des deutschen Handw

erks und derdeutschen W

irtschaft insgesamt gew

orden sind. Gem

eint sind die in den Bildungsrefor-

men der 1960er und 1970er Jahre aufscheinenden Prioritätensetzungen. N

un ist zunächsteinm

al die in dieser Zeit einsetzende Bildungsexpansion inklusive der sozialen Ö

ffnungder höheren B

ildungsanstalten uneingeschränkt zu begrüßen. Sie wurde indessen im

Zeichen zweier Tendenzen vollzogen, die bis heute schädliche W

irkungen entfalten.Zum

einen ging die verstärkte Durchlässigkeit einher m

it einer kontinuierlichen Ab-

senkung der Standards. Die zurzeit stattfindende Einführung von B.A

.- und M.A

.-Studien-gängen ist nur der Schlusspunkt einer Entw

icklung, die ein Anw

achsen der Akade-

mikerquote feiert, ohne sich um

die erlangten Qualifikationen zu scheren. Zum

anderenbelebte sie einen B

ildungsdünkel, der jeden noch so leicht zu erlangenden akademischen

Abschluss turm

hoch über jede praktische Tätigkeit stellte und innerhalb des schulischenFächerspektrum

s die Literatur- und Sozialwissenschaften gegenüber der M

athematik

und den Naturw

issenschaften privilegierte. An den K

onsequenzen dieser von Technik-feindschaft genährten G

rundhaltung leiden unsere Schulen bis heute. Im Ergebnis haben

wir deshalb eine beträchtliche Zahl von Studienanfängern, die nie eine Lehrstelle erhal-

tenw

ürden, Lehrstellenbewerber, die ungerührt am

lokal vielleicht unerreichbarenB

erufsziel der Arzthelferin festhalten, obw

ohl ihnen im A

usstellungsbau eine sehr vielanspruchsvollere und einträglichere, aber w

ohl auch anstrengendere Ausbildung ange-

boten wird, und H

andwerksbetriebe, die bei ihren Lehrlingen elem

entare Fähigkeitenw

ie Rechnen und Schreiben nicht voraussetzen können. D

afür ist gewiss nicht das

Handw

erk verantwortlich und auch nicht die in diesem

Vortrag in den Mittelpunkt

gestellte Tradition, Qualitätssicherung m

it Marktzugangsbeschränkungen zu verbinden.

Zu überlegen wäre aber, ob diese K

opplung im Prozess der europäischen Integration w

ieder G

lobalisierung überhaupt noch zeitgemäß und der G

roße Befähigungsnachw

eisw

irklich unverzichtbar ist. Aus der Perspektive der in diesem

Vortrag mit breitem

Strichgezogenen langen Linien schiene es vielversprechender, sich ganz auf den Pol der Q

uali-tätssicherung zu konzentrieren und im

Zusamm

enspiel mit der Industrie A

usbildungs-form

en zu entwickeln, die auch das A

usbildungspotential der aus Ostm

itteleuropa (undanderen R

egionen) zuwandernden jungen M

enschen zur Stärkung des deutschen Hand-

werks nutzt. A

uf das staatliche Bildungsw

esen wird m

an kaum zählen dürfen.

Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungen25

Page 27: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

Textnachweis:

1)U

m einige N

achweise ergänzter Text m

eines Vortrags vom 9.3.07.

2)B

d. 10 (1877), Sp. 424, hier und im Folgenden zitiert nach R

einhold Reith, A

rtikel Handw

erk, in:Enzyklopädie der N

euzeit, Bd. 5, Stuttgart 2007 (im

Druck); vgl. ebd. auch zum

Folgenden.3)

Vgl. etw

a Karl H

einrich Kaufhold, U

mfang und G

liederung des deutschen Handw

erks um 1800,

in: Wilhelm

Abel (H

g.), Handw

erksgeschichte in neuer Sicht, Göttingen 1978, 27–63, bes. 28ff.

4)D

as Vorstehende lehnt sich eng an Reith, A

rtikel Handw

erk (wie A

nm. 2) an.

5)Patrick Schm

idt, Zunfttraditionen – zünftische Erinnerungskulturen und soziokulturelle Dynam

ikin der frühneuzeitlichen Stadt, phil. D

iss. masch. G

ießen 2006, 147.6)

Eine aktuelle Kontrastierung des hier gezeichneten Idealbildes und neuerer Forschungsergebnisse

und –perspektiven bieten Josef Ehmer, Traditionelles D

enken und neue Fragestellungen zur Ge-

schichte von Handw

erk und Zunft, in: Friedrich Lenger (Hg.), H

andwerk, H

ausindustrie und dieH

istorische Schule der Nationalökonom

ie. Wissenschafts- und gew

erbegeschichtliche Perspek-tiven, B

ielefeld 1998, 19–77 sowie R

obert Brandt/Thom

as Buchner (H

g.), Nahrung, M

arkt oderG

emeinnutz. W

erner Sombart und das vorindustrielle H

andwerk, B

ielefeld 2004.7) A

nschaulich dazu etwa Jürgen Bergm

ann, Das Berliner H

andwerk in den Frühphasen der Industriali-

sierung, Berlin 1973, 5–70.

8)V

gl. dazu Friedrich Lenger, Die G

ewerbegeschichtsschreibung der H

istorischen Schule. Einigezentrale K

onzepte und ihr sozialpolitischer Kontext, in: ders. (H

g.), Handw

erk (wie A

nm. 6), 9–18.

9)V

gl. neben Ehmer, Traditionelles D

enken (wie A

nm. 6) auch H

einz-Gerhard H

aupt (Hg.), D

asEnde der Zünfte. Ein europäischer Vergleich, G

öttingen 2002.10)

Hier zitiert nach Friedrich Lenger, Sozialgeschichte der deutschen H

andwerker seit 1800,

Frankfurt a.M. 1988, 37; vgl. ebd., 36–44 auch zum

Folgenden.11) V

gl. ebd., 75 f. u. 83 sowie H

einz-Gerhard H

aupt/Friedrich Lenger, Bürger – Kleinbürger – A

rbeiter.K

lassenbildung/Gesellschaftsreform

in Deutschland und Frankreich, in: D

ieter Dow

e/Heinz-

Gerhard H

aupt/Dieter Langew

iesche (Hg.), Europa 1848. R

evolution und Reform

, Bonn 1998,

815–840, bes. 821–832.12)

Vgl. dazu Friedrich Lenger, Industrielle R

evolution und Nationalstaatsgründung (1849–1870er

Jahre), Stuttgart 2003, 57; vgl. ebd., 31–123 zur Industriellen Revolution in Deutschland insgesam

t.13)

Vgl. Lenger, Sozialgeschichte (w

ie Anm

. 10), 57 sowie ebd., 88-162 zum

Gesam

tzusamm

enhang.14)

Vgl. ebd., 57 zur B

etriebsgröße sowie Josef Ehm

er, „Weiberknechte“ versus ledige G

esellen.H

eirat und Familiengründung im

mitteleuropäischen H

andwerk, in: ders., Soziale Traditionen in

Zeiten des Wandels. A

rbeiter und Handw

erker im 19. Jahrhundert, Frankfurt a.M

. 1994, 24–51.15)

Vgl. Lenger, Sozialgeschichte (w

ie Anm

. 10), 101.16)

Vgl. ebd., 128–142.

17)V

gl. zu dieser Debatte K

enneth D. B

arkin, The controversy over Germ

an industrialization,1890–1902, C

hicago, IL1970.

18)V

gl. dazu Lenger, Sozialgeschichte (wie A

nm. 10), 156f. sow

ie zur Handw

erkerbewegung D

irkG

eorges, 1810/11-1993: Handw

erk und Interessenpolitik. Von der Zunft zur modernen Interessen-

organisation, Frankfurt a.M. 1993.

Friedrich Lenger

26

19)V

gl. Lenger, Industrielle Revolution (w

ie Anm

. 12), 183.20)

Hier zitiert nach G

ünter Pätzold, Handw

erkliche, industrielle und schulische Berufserziehung, in:

Dieter Langew

iesche/Heinz-Elm

ar Tenorth (Hg.), H

andbuch der deutschen Bildungsgeschichte,

Bd. V: D

ie Weim

arer Republik und die nationalsozialistische D

iktatur, München 1989, 259–288,

hier 265.21)

Ebd., 276.22)

Ebd., 283f.23)

Vgl. etw

a Christoph Boyer, „Deutsche H

andwerksordnung“ oder „zügellose G

ewerbefreiheit“. D

asH

andwerk zw

ischen Kriegsw

irtschaft und Wirtschaftsw

under, in: Martin B

roszat/Klaus-D

ietmar

Henke/H

ans Woller (H

g.), Von Stalingrad zur Währungsreform

. Zur Sozialgeschichte des Um

bruchsin D

eutschland, München 1989, 427–467, hier 429.

24)H

einrich August W

inkler, Mittelstand, D

emokratie und N

ationalsozialismus. D

ie politische Ent-w

icklung von Handw

erk und Kleinhandel in der W

eimarer R

epublik, Köln 1972, 185.

25)V

gl. Lenger, Sozialgeschichte (wie A

nm. 10), 200.

26)B

oyer, „Deutsche H

andwerksordnung“ (w

ie Anm

. 23), 429.27)

Vgl. hierzu und zum

Folgenden Friedrich Lenger, Mittelstand und N

ationalsozialismus? Zur poli-

tischen Orientierung von H

andwerkern und A

ngestellten in der Endphase der Weim

arer Republik,

Archiv für Sozialgeschichte X

XIX

(1989), 173–198.28)

Vgl. B

oyer, „Deutsche H

andwerksordnung“ (w

ie Anm

. 23), 457.29)

Ebd., 442; vgl. ebd., 442ff. auch zum Folgenden.

30)D

azu jetzt auch Thomas G

rosser, Die Integration der H

eimatvertriebenen in W

ürttemberg-B

aden(1945–1961), Stuttgart 2006, 178ff.

31)V

gl. Bernd H

oltwick, D

er zerstrittene Berufsstand. H

andwerker und ihre O

rganisationen in Ost-

westfalen-Lippe (1929–1953), Paderborn 2000, 319.

32)Zitiert nach dem

Abdruck in: H

einz-Gerhard H

aupt (Hg.), D

ie radikale Mitte. Lebensw

eise undPolitik von H

andwerkern und K

leinhändlern in Deutschland seit 1848, M

ünchen 1985, 230ff.33)

Vgl. ebd., 234.

34)V

gl. Josef Mooser, Liberalism

us und Gesellschaft nach 1945. Soziale M

arktwirtschaft und N

eolibe-ralism

us am Beispiel von W

ilhelm Röpke, in: M

anfred Hettling/Bernd U

lrich (Hg.), Bürgertum

nach1945, H

amburg 2005, 134-163 sow

ie Boyer, „D

eutsche Handw

erksordnung“ (wie A

nm. 23), 467.

35)V

gl. z.B. R

ainer S. Elkar/Werner M

ayer, Handw

erk – eine Karriere. H

andwerk an R

hein undR

uhr im 20. Jahrhundert, D

üsseldorf 2000, 67.36)

Vgl. dazu A

bdolreza Scheybani, Handw

erk und Kleinhandel in der B

undesrepublik Deutschland.

Sozialökonomischer W

andel und Mittelstandspolitik 1949-1961, M

ünchen 1996, 513.37)

Vgl. etw

a Hans-Jürgen Teuteberg, A

uf steter Suche nach der Neuen M

itte. Handw

erk im zw

an-zigsten Jahrhundert, B

ramsche 2000, 220f.

38)V

gl. Holtw

ick, Berufsstand ( w

ie Anm

. 31), 322.39)

Vgl. z.B

. Elkar/Mayer, H

andwerk (w

ie Anm

. 35), 128.40)

Vgl. Teuteberg, Suche (w

ie Anm

. 37), 248. Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungen27

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Textnachweis:

1) Um

einige Nachw

eise ergänzter Text meines Vortrags vom

9.3.07.2) B

d. 10 (1877), Sp. 424, hier und im Folgenden zitiert nach R

einhold Reith, A

rtikel Handw

erk, in:Enzyklopädie der N

euzeit, Bd. 5, Stuttgart 2007 (im

Druck); vgl. ebd. auch zum

Folgenden.3) V

gl. etwa K

arl Heinrich K

aufhold, Um

fang und Gliederung des deutschen H

andwerks um

1800,in: W

ilhelm A

bel (Hg.), H

andwerksgeschichte in neuer Sicht, G

öttingen 1978, 27–63, bes. 28ff.4) D

as Vorstehende lehnt sich eng an Reith, A

rtikel Handw

erk (wie A

nm. 2) an.

5) Patrick Schmidt, Zunfttraditionen – zünftische Erinnerungskulturen und soziokulturelle D

ynamik

in der frühneuzeitlichen Stadt, phil. Diss. m

asch. Gießen 2006, 147.

6) Eine aktuelle Kontrastierung des hier gezeichneten Idealbildes und neuerer Forschungsergebnisse

und –perspektiven bieten Josef Ehmer, Traditionelles D

enken und neue Fragestellungen zur Ge-

schichte von Handw

erk und Zunft, in: Friedrich Lenger (Hg.), H

andwerk, H

ausindustrie und dieH

istorische Schule der Nationalökonom

ie. Wissenschafts- und gew

erbegeschichtliche Perspek-tiven, B

ielefeld 1998, 19–77 sowie R

obert Brandt/Thom

as Buchner (H

g.), Nahrung, M

arkt oderG

emeinnutz. W

erner Sombart und das vorindustrielle H

andwerk, B

ielefeld 2004.7) A

nschaulich dazu etwa Jürgen Bergm

ann, Das Berliner H

andwerk in den Frühphasen der Industriali-

sierung, Berlin 1973, 5–70.

8)V

gl. dazu Friedrich Lenger, Die G

ewerbegeschichtsschreibung der H

istorischen Schule. Einigezentrale K

onzepte und ihr sozialpolitischer Kontext, in: ders. (H

g.), Handw

erk (wie A

nm. 6), 9–18.

9) Vgl. neben Ehm

er, Traditionelles Denken (w

ie Anm

. 6) auch Heinz-G

erhard Haupt (H

g.), Das

Ende der Zünfte. Ein europäischer Vergleich, Göttingen 2002.

10)H

ier zitiert nach Friedrich Lenger, Sozialgeschichte der deutschen Handw

erker seit 1800, Frankfurt a.M

. 1988, 37; vgl. ebd., 36–44 auch zum Folgenden.

11) Vgl. ebd., 75 f. u. 83 sow

ie Heinz-G

erhard Haupt/Friedrich Lenger, Bürger – K

leinbürger – Arbeiter.

Klassenbildung/G

esellschaftsreform in D

eutschland und Frankreich, in: Dieter D

owe/H

einz-G

erhard Haupt/D

ieter Langewiesche (H

g.), Europa 1848. Revolution und R

eform, B

onn 1998,815–840, bes. 821–832.

12) Vgl. dazu Friedrich Lenger, Industrielle R

evolution und Nationalstaatsgründung (1849–1870er

Jahre), Stuttgart 2003, 57; vgl. ebd., 31–123 zur Industriellen Revolution in Deutschland insgesam

t.13)

Vgl. Lenger, Sozialgeschichte (w

ie Anm

. 10), 57 sowie ebd., 88-162 zum

Gesam

tzusamm

enhang.14) V

gl. ebd., 57 zur Betriebsgröße sow

ie Josef Ehmer, „W

eiberknechte“ versus ledige Gesellen.

Heirat und Fam

iliengründung im m

itteleuropäischen Handw

erk, in: ders., Soziale Traditionen inZeiten des W

andels. Arbeiter und H

andwerker im

19. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1994, 24–51.

15)V

gl. Lenger, Sozialgeschichte (wie A

nm. 10), 101.

16)V

gl. ebd., 128–142.17)

Vgl. zu dieser D

ebatte Kenneth D

. Barkin, The controversy over G

erman industrialization,

1890–1902, Chicago, IL

1970.18)

Vgl. dazu Lenger, Sozialgeschichte (w

ie Anm

. 10), 156f. sowie zur H

andwerkerbew

egung Dirk

Georges, 1810/11-1993: H

andwerk und Interessenpolitik. Von der Zunft zur m

odernen Interessen-organisation, Frankfurt a.M

. 1993.

Friedrich Lenger

26

19)V

gl. Lenger, Industrielle Revolution (w

ie Anm

. 12), 183.20)

Hier zitiert nach G

ünter Pätzold, Handw

erkliche, industrielle und schulische Berufserziehung, in:

Dieter Langew

iesche/Heinz-Elm

ar Tenorth (Hg.), H

andbuch der deutschen Bildungsgeschichte,

Bd. V: D

ie Weim

arer Republik und die nationalsozialistische D

iktatur, München 1989, 259–288,

hier 265.21)

Ebd., 276.22)

Ebd., 283f.23)

Vgl. etw

a Christoph Boyer, „Deutsche H

andwerksordnung“ oder „zügellose G

ewerbefreiheit“. D

asH

andwerk zw

ischen Kriegsw

irtschaft und Wirtschaftsw

under, in: Martin B

roszat/Klaus-D

ietmar

Henke/H

ans Woller (H

g.), Von Stalingrad zur Währungsreform

. Zur Sozialgeschichte des Um

bruchsin D

eutschland, München 1989, 427–467, hier 429.

24)H

einrich August W

inkler, Mittelstand, D

emokratie und N

ationalsozialismus. D

ie politische Ent-w

icklung von Handw

erk und Kleinhandel in der W

eimarer R

epublik, Köln 1972, 185.

25)V

gl. Lenger, Sozialgeschichte (wie A

nm. 10), 200.

26)B

oyer, „Deutsche H

andwerksordnung“ (w

ie Anm

. 23), 429.27)

Vgl. hierzu und zum

Folgenden Friedrich Lenger, Mittelstand und N

ationalsozialismus? Zur poli-

tischen Orientierung von H

andwerkern und A

ngestellten in der Endphase der Weim

arer Republik,

Archiv für Sozialgeschichte X

XIX

(1989), 173–198.28)

Vgl. B

oyer, „Deutsche H

andwerksordnung“ (w

ie Anm

. 23), 457.29)

Ebd., 442; vgl. ebd., 442ff. auch zum Folgenden.

30)D

azu jetzt auch Thomas G

rosser, Die Integration der H

eimatvertriebenen in W

ürttemberg-B

aden(1945–1961), Stuttgart 2006, 178ff.

31)V

gl. Bernd H

oltwick, D

er zerstrittene Berufsstand. H

andwerker und ihre O

rganisationen in Ost-

westfalen-Lippe (1929–1953), Paderborn 2000, 319.

32)Zitiert nach dem

Abdruck in: H

einz-Gerhard H

aupt (Hg.), D

ie radikale Mitte. Lebensw

eise undPolitik von H

andwerkern und K

leinhändlern in Deutschland seit 1848, M

ünchen 1985, 230ff.33)

Vgl. ebd., 234.

34)V

gl. Josef Mooser, Liberalism

us und Gesellschaft nach 1945. Soziale M

arktwirtschaft und N

eolibe-ralism

us am Beispiel von W

ilhelm Röpke, in: M

anfred Hettling/Bernd U

lrich (Hg.), Bürgertum

nach1945, H

amburg 2005, 134-163 sow

ie Boyer, „D

eutsche Handw

erksordnung“ (wie A

nm. 23), 467.

35)V

gl. z.B. R

ainer S. Elkar/Werner M

ayer, Handw

erk – eine Karriere. H

andwerk an R

hein undR

uhr im 20. Jahrhundert, D

üsseldorf 2000, 67.36)

Vgl. dazu A

bdolreza Scheybani, Handw

erk und Kleinhandel in der B

undesrepublik Deutschland.

Sozialökonomischer W

andel und Mittelstandspolitik 1949-1961, M

ünchen 1996, 513.37)

Vgl. etw

a Hans-Jürgen Teuteberg, A

uf steter Suche nach der Neuen M

itte. Handw

erk im zw

an-zigsten Jahrhundert, B

ramsche 2000, 220f.

38)V

gl. Holtw

ick, Berufsstand ( w

ie Anm

. 31), 322.39)

Vgl. z.B

. Elkar/Mayer, H

andwerk (w

ie Anm

. 35), 128.40)

Vgl. Teuteberg, Suche (w

ie Anm

. 37), 248. Qualitätssicherung und M

arktzugangsbeschränkungen27

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Bauen m

it IQ – Innovation durch Q

ualifizierung im B

auhandwerk29

Bauen mit IQ

– Innovation durch Qualifizierung im

Bauhandwerk

Hanns-Eberhard Schleyer

„Kein industrieller B

au ohne Handw

erk” – das ist ein wahrhaft einladender Titel für einen

Generalsekretär dieser großen W

irtschaftsgruppe. Und ich erlaube m

ir, gleich zu Beginn

meiner A

usführungen ein gedankliches Ausrufungszeichen an diesen Titel anzufügen

und damit eine klare B

otschaft zu setzen. Eine klare Botschaft will ich auch m

it dem Titel

meines Vortrages verbinden. Bauen m

it IQ – intelligentes B

auen mit individuellen D

ienst-leistungen und innovativen Lösungen – das nehm

en wir im

Handw

erk für uns in Anspruch.

„Der N

achteil von Intelligenz” – so hat es George Bernard Shaw

einmal form

uliert – „be-steht darin, dass m

an gezwungen ist, unablässig dazuzulernen.” W

er etwas kann, der darf

nicht stehen bleiben. Er muss seine Potentiale ständig w

eiterentwickeln. U

nser Potenzialim

Handw

erk sind die Menschen. U

nd weil das H

andwerk m

it seinen kleinen und mittleren

Betrieben heute im M

ittelpunkt steht, sage ich ganz bewusst nicht: „H

umankapital”! U

nserPotenzial sind die Fähigkeiten jedes Einzelnen, seine K

reativität, seine Liebe zum B

eruf.

Von daher ist die Aus- und W

eiterbildung seit jeher Kern des handw

erklichen Selbst-verständnisses. A

usdruck unserer Verantwortung für Q

ualität und Qualifikation ist unser

Meisterbrief. H

inter ihm steht nicht nur hohes fachliches K

önnen, dahinter steht aucheine profunde pädagogische und betriebsw

irtschaftliche Ausbildung.

Fachmann im

Handw

erk, Lehrer und Unternehm

er. Das ist unser D

reisprung, mit dem

esdas H

andwerk w

eit gebracht hat. Es wird Sie nicht w

undern, wenn ich diese um

fassendeA

usbildung nach Kräften verteidige: N

icht aus Halsstarrigkeit, nicht aus unverbesser-

lichem Traditionalism

us, sondern aus fester Überzeugung. A

us der gleichen Überzeu-

gung, wie Ludw

ig Erhard, der sich 1953 erfolgreich für die Wiedereinführung des

Großen B

efähigungsnachweises einsetzte m

it der Begründung: „W

ir brauchen einenW

ettbewerb der K

önner!” Die Praxis hat seitdem

bewiesen: Es sind eben gerade die

Meisterbetriebe, die sich im

Wettbew

erb robust behaupten können, wenn die W

ett-bew

erbsbedingungen gerecht und fair sind. Die M

eisterbetriebe bringen das unterneh-m

erische Know

-how und die betriebsw

irtschaftlichen Kenntnisse m

it, die für eine stabile,langfristige U

nternehmensführung benötigt w

erden.

Die Entw

icklung der Betriebszahlen nach der letzten N

ovelle der Handw

erksordnung imJahr 2004 zeigt uns, dass es nach der A

ushöhlung der Meisterpflicht zw

ar eine hohe Zahlvon Existenzgründungen gegeben hat, dass es sich dabei allerdings in der R

egel umK

leinstbetriebe von geringer „Überlebensdauer” handelt. Vielfach ohne eigene Q

uali-fikation, ohne M

itarbeiter, ohne Lehrlinge und damit letzten Endes ohne Perspektive für

eine wirklich tragfähige unternehm

erische Entwicklung.

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Die m

it der letzten Novelle erfolgte A

bkehr von der Meisterpflicht in vielen B

erufen fälltnach unserer festen Ü

berzeugung in die gleiche Kategorie, die bereits der Vorredner,

Herr Prof. Lenger, für die Einführung der B

achelor- und Masterstudiengänge, aber auch

für den Trend in der schulischen Ausbildung ausgem

acht hat: Die Senkung des

Anspruchsniveaus. D

as ist ein fataler Irrweg in einer Zeit, in der die technische Ent-

wicklung im

mer rasanter voranschreitet, in der sich die G

esellschaft – und damit die

Märkte – im

mer schneller verändern und in der die zunehm

ende internationale Kon-

kurrenz uns herausfordert. Diesen H

erausforderungen können wir auf dem

Bausektor nur

begegnen, wenn sich die B

auindustrie und das Bauhandw

erk ihre gemeinsam

en Stärkenzu N

utze machen; und zw

ar in enger Partnerschaft. Die Stärke des H

andwerks sind indi-

viduelle Lösungen. Und Individualität steht bei den K

unden hoch im K

urs, in derG

estaltung wie in der G

ebäudetechnik. „Wohnst D

u noch oder lebst Du schon?“ – auf

diesen griffigen Werbeslogan ist leider nicht das B

auhandwerk gekom

men. Schade.

Denn treffender kann m

an wohl kaum

auf den Punkt bringen, worin H

andwerker ihre

Leistung sehen. Und w

ie sie ihre Leistung – die individuelle Problemlösung – abheben

von der Bauindustrie.

1.D

ie Bauindustrie

Die besondere Stärke der B

auindustrie sind standardisierte und damit hoch effiziente

Verfahren und Produkte: Ein wirkungsvolle A

ntwort auf M

argenverfall, auf wachsenden

Wettbew

erb im M

ontage- und Renovierungsbereich, auf die do-it-yourself-B

ewegung;

aber auch auf die zunehmende ausländische K

onkurrenz durch die EU-O

sterweiterung.

Die Vorteile liegen auf der H

and: –

Kostenersparnis durch standardisierte Prozessschritte,

–Fertigung der B

auteile inklusive der Versorgungsinstallationen,–

Einsatz neuer Materialien,

–Einsatz standardisierter und geprüfter B

auprodukte,–

Verbesserung des Arbeits-, G

esundheits- und Um

weltschutzes,

–U

nabhängigkeit in der Produktion von Wettereinflüssen,

–höherer Technik- und M

aschineneinsatz.

Auch Prozessinnovationen, w

ie wir sie aus der A

utomobilindustrie oder dem

Schiffbaukennen, haben dam

it Eingang in die Bauw

irtschaft gefunden: just-in-time-Produktion

und Modulbauw

eise. So werden A

bläufe, etwa in der B

auplanung, Projektsteuerung undin der B

austellenlogistik, beschleunigt. Sie verringern die für den Bau typischen Schnitt-

stellenprobleme. Forciert w

ird die Verwendung industriell vorgefertigter Teile auch durch

zunehmende europäische Vorgaben. Etw

a die Bauproduktrichtlinie m

it entsprechendenA

nforderungen an mechanische Festigkeit, B

rand- und Schallschutz, Um

weltschutz und

Hanns-Eberhard Schleyer

30

nicht zuletzt Energieeinsparung und Wärm

edämm

ung. Hier können große H

ersteller mit

standardisierten Verfahren ihre Stärken voll ausspielen, während individuelle handw

erk-liche Lösungen dadurch tendenziell ausgebrem

st werden. Ich w

ill mit diesem

Hinw

eisandeuten: So w

ünschenswert einheitliche europäische R

egelungen und damit Standardi-

sierungen für einen funktionierenden Binnenm

arkt sein mögen, sie setzen dam

it vielfachnicht nur nationale R

egelungen und Traditionen außer Kraft, sondern untergraben dam

itauch ein Stück gew

achsene Innovationskultur in unserem Land. Es m

uss deshalb – som

eine ich – im w

ohlverstandenen Interesse des Standortes Deutschlands

liegen (letztenEndes auch im

Interesse Europas, das eine starke deutsche Wirtschaftskraft braucht), die

erfolgreichen Mechanism

en unserer Innovationskultur in einem zusam

menw

achsendenEuropa zur G

eltung zu bringen.

2.D

as Bauhandw

erk – im Vergleich zur B

auindustrie – und im K

ontextzum

Handw

erk

Unterschiedlichste M

echanismen hat das H

andwerk in seiner G

eschichte entwickelt und

systematisiert; nicht nur am

Bau, sondern für das gesam

te Spektrum der H

andwerks-

berufe. Was ist dieses „gesam

te Handw

erk”? Um

Ihnen einen kurzen Überblick zu geben:

Handw

erk – das sind derzeit rund 930.000 Betriebe m

it etwa 5 M

illionen Beschäftigten

und einer Bruttow

ertschöpfung von 450 Mrd. Euro im

Jahr und zwar in den B

ereichen:–

Bau und A

usbau–

Elektro und Metall

–H

olz und Kunststoff

–Textil

–Lebensm

ittel–

Gesundheit

Eine besonders wichtige K

ennziffer sind die rund 500.000 Lehrlinge, die in Handw

erks-betrieben ausgebildet w

erden. Jeder 10. Beschäftigte im

Handw

erk ist ein Lehrling.R

und 30 Prozent des beruflichen Nachw

uchses werden im

Handw

erk qualifiziert. Diese

Qualifizierungsleistung ist ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor für das H

andwerk und

weit darüber hinaus. M

it fast 52 Prozent der Betriebe stellt das B

au- und Ausbaugew

erbedie größte G

ruppe aller Handw

erksunternehmen dar. 480.000 B

au- und Ausbaubetriebe

des Handw

erks geben fast 2 Mio. M

enschen eine Beschäftigung. Sie erlauben m

it bitteden G

rößenvergleich zur Bauindustrie, die etw

a 25.000 Betriebe m

it knapp 200.000B

eschäftigten zählt. (Selbst wenn Sie das H

andwerk auf das engere B

auhauptgewerbe

reduzieren, dann sind es dort imm

er noch gut 50.000 Betriebe m

it mehr als einer halben

Million Beschäftigten.) Ich bin m

ir bewusst, dass ein solcher Vergleich zw

ischen Betriebs-und B

eschäftigtenzahlen von Industrie und Handw

erk nur begrenzte Aussagekraft hat.

Bauen m

it IQ – Innovation durch Q

ualifizierung im B

auhandwerk31

Page 32: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

Die m

it der letzten Novelle erfolgte A

bkehr von der Meisterpflicht in vielen B

erufen fälltnach unserer festen Ü

berzeugung in die gleiche Kategorie, die bereits der Vorredner,

Herr Prof. Lenger, für die Einführung der B

achelor- und Masterstudiengänge, aber auch

für den Trend in der schulischen Ausbildung ausgem

acht hat: Die Senkung des

Anspruchsniveaus. D

as ist ein fataler Irrweg in einer Zeit, in der die technische Ent-

wicklung im

mer rasanter voranschreitet, in der sich die G

esellschaft – und damit die

Märkte – im

mer schneller verändern und in der die zunehm

ende internationale Kon-

kurrenz uns herausfordert. Diesen H

erausforderungen können wir auf dem

Bausektor nur

begegnen, wenn sich die B

auindustrie und das Bauhandw

erk ihre gemeinsam

en Stärkenzu N

utze machen; und zw

ar in enger Partnerschaft. Die Stärke des H

andwerks sind indi-

viduelle Lösungen. Und Individualität steht bei den K

unden hoch im K

urs, in derG

estaltung wie in der G

ebäudetechnik. „Wohnst D

u noch oder lebst Du schon?“ – auf

diesen griffigen Werbeslogan ist leider nicht das B

auhandwerk gekom

men. Schade.

Denn treffender kann m

an wohl kaum

auf den Punkt bringen, worin H

andwerker ihre

Leistung sehen. Und w

ie sie ihre Leistung – die individuelle Problemlösung – abheben

von der Bauindustrie.

1.D

ie Bauindustrie

Die besondere Stärke der B

auindustrie sind standardisierte und damit hoch effiziente

Verfahren und Produkte: Ein wirkungsvolle A

ntwort auf M

argenverfall, auf wachsenden

Wettbew

erb im M

ontage- und Renovierungsbereich, auf die do-it-yourself-B

ewegung;

aber auch auf die zunehmende ausländische K

onkurrenz durch die EU-O

sterweiterung.

Die Vorteile liegen auf der H

and: –

Kostenersparnis durch standardisierte Prozessschritte,

–Fertigung der B

auteile inklusive der Versorgungsinstallationen,–

Einsatz neuer Materialien,

–Einsatz standardisierter und geprüfter B

auprodukte,–

Verbesserung des Arbeits-, G

esundheits- und Um

weltschutzes,

–U

nabhängigkeit in der Produktion von Wettereinflüssen,

–höherer Technik- und M

aschineneinsatz.

Auch Prozessinnovationen, w

ie wir sie aus der A

utomobilindustrie oder dem

Schiffbaukennen, haben dam

it Eingang in die Bauw

irtschaft gefunden: just-in-time-Produktion

und Modulbauw

eise. So werden A

bläufe, etwa in der B

auplanung, Projektsteuerung undin der B

austellenlogistik, beschleunigt. Sie verringern die für den Bau typischen Schnitt-

stellenprobleme. Forciert w

ird die Verwendung industriell vorgefertigter Teile auch durch

zunehmende europäische Vorgaben. Etw

a die Bauproduktrichtlinie m

it entsprechendenA

nforderungen an mechanische Festigkeit, B

rand- und Schallschutz, Um

weltschutz und

Hanns-Eberhard Schleyer

30

nicht zuletzt Energieeinsparung und Wärm

edämm

ung. Hier können große H

ersteller mit

standardisierten Verfahren ihre Stärken voll ausspielen, während individuelle handw

erk-liche Lösungen dadurch tendenziell ausgebrem

st werden. Ich w

ill mit diesem

Hinw

eisandeuten: So w

ünschenswert einheitliche europäische R

egelungen und damit Standardi-

sierungen für einen funktionierenden Binnenm

arkt sein mögen, sie setzen dam

it vielfachnicht nur nationale R

egelungen und Traditionen außer Kraft, sondern untergraben dam

itauch ein Stück gew

achsene Innovationskultur in unserem Land. Es m

uss deshalb – som

eine ich – im w

ohlverstandenen Interesse des Standortes Deutschlands

liegen (letztenEndes auch im

Interesse Europas, das eine starke deutsche Wirtschaftskraft braucht), die

erfolgreichen Mechanism

en unserer Innovationskultur in einem zusam

menw

achsendenEuropa zur G

eltung zu bringen.

2.D

as Bauhandw

erk – im Vergleich zur B

auindustrie – und im K

ontextzum

Handw

erk

Unterschiedlichste M

echanismen hat das H

andwerk in seiner G

eschichte entwickelt und

systematisiert; nicht nur am

Bau, sondern für das gesam

te Spektrum der H

andwerks-

berufe. Was ist dieses „gesam

te Handw

erk”? Um

Ihnen einen kurzen Überblick zu geben:

Handw

erk – das sind derzeit rund 930.000 Betriebe m

it etwa 5 M

illionen Beschäftigten

und einer Bruttow

ertschöpfung von 450 Mrd. Euro im

Jahr und zwar in den B

ereichen:–

Bau und A

usbau–

Elektro und Metall

–H

olz und Kunststoff

–Textil

–Lebensm

ittel–

Gesundheit

Eine besonders wichtige K

ennziffer sind die rund 500.000 Lehrlinge, die in Handw

erks-betrieben ausgebildet w

erden. Jeder 10. Beschäftigte im

Handw

erk ist ein Lehrling.R

und 30 Prozent des beruflichen Nachw

uchses werden im

Handw

erk qualifiziert. Diese

Qualifizierungsleistung ist ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor für das H

andwerk und

weit darüber hinaus. M

it fast 52 Prozent der Betriebe stellt das B

au- und Ausbaugew

erbedie größte G

ruppe aller Handw

erksunternehmen dar. 480.000 B

au- und Ausbaubetriebe

des Handw

erks geben fast 2 Mio. M

enschen eine Beschäftigung. Sie erlauben m

it bitteden G

rößenvergleich zur Bauindustrie, die etw

a 25.000 Betriebe m

it knapp 200.000B

eschäftigten zählt. (Selbst wenn Sie das H

andwerk auf das engere B

auhauptgewerbe

reduzieren, dann sind es dort imm

er noch gut 50.000 Betriebe m

it mehr als einer halben

Million Beschäftigten.) Ich bin m

ir bewusst, dass ein solcher Vergleich zw

ischen Betriebs-und B

eschäftigtenzahlen von Industrie und Handw

erk nur begrenzte Aussagekraft hat.

Bauen m

it IQ – Innovation durch Q

ualifizierung im B

auhandwerk31

Page 33: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

Besser zum

Ausdruck gebracht w

erden die Vorteile des Handw

erks gegenüber der In-dustrie durch die Vielfalt an B

erufsbildern, die das Handw

erk auf den Bau bringt und die

damit die B

reite qualifizierter handwerklicher Leistungen um

schreiben. 17 Berufsbilder

zählt der engere Bereich der B

au- und Ausbauhandw

erke. Neben den M

aurern, Beton-

bauern, Dachdeckern, Estrichlegern, Fliesenlegern, M

alern, Zimm

erern sind es auchN

ischenberufe wie der Terrazzohersteller, B

runnen- oder Ofenbauer. M

it 20 weiteren

Berufen aus dem

Baunebengew

erbe – beispielsweise SH

K, Elektro, H

olz – sind rund einD

rittel aller Handw

erksberufe mit dem

Bau verbunden.

3.W

irtschaftliche Situation am B

au

Entsprechend groß ist der Einfluss der Baukonjunktur auf die w

irtschaftliche Lage desH

andwerks insgesam

t. Wir erleben es im

aktuellen Aufschw

ung. Er schlägt auf der posi-tiven Seite ebenso durch w

ie in den Jahren zuvor der dramatische R

ückgang am B

au. Sohat die B

auwirtschaft im

vergangenen Jahr 2006 entscheidend zur positiven Um

satzent-w

icklung im G

esamthandw

erk – ein Plus von 2,5 Prozent – und zur Entspannung amA

rbeitsmarkt beigetragen. A

uch wenn w

ir noch einmal 30.000 A

rbeitsplätze im H

andwerk

eingebüßt haben. Das ist jedoch eine deutliche Verbesserung im

Vergleich zu den Vorjahrenm

it regelmäßigen A

rbeitsplatzverlusten von 150.000 bis 250.000. Mehr als zw

ei Drittel

davon am Bau (2005: M

inus 140.000 Beschäftigte, davon 105.000 in den Bau- und Ausbau-

bereichen). Wir sind froh, dass die gute A

uslastung unserer Betriebe auch zu Beginn diesesJahre anhält. Ein Teil der guten A

uftragslage ist allerdings den – im K

ern negativen – Ent-scheidungen des vergangenen Jahres geschuldet: der Erhöhung der M

ehrwertsteuer und der

Streichung der Eigenheimzulage. N

och eilig zum Jahresschluss erteilte Baugenehm

igungenw

erden zur Zeit abgearbeitet und sorgen noch für eine gute Auslastung der B

etriebe.

Wichtigste Säule des neuen A

ufschwungs ist der W

irtschaftsbau. Unternehm

en des ver-arbeitenden G

ewerbes, aber auch H

andels- und Logistikunternehmen, haben D

eutschlandals W

irtschaftsstandort wieder entdeckt. Sie investieren in Infrastruktur und neue B

e-triebsstätten. D

er Wirtschaftsbau ist allerdings eher die D

omäne der B

auindustrie. Die

Kleinbetriebe des H

andwerks sind schw

erpunktmäßig im

Wohnungsbau tätig. A

uch vondort kom

men W

achstumsim

pulse, allerdings auf niedrigerem N

iveau. Für Nachfrage

gesorgt haben hier nicht zuletzt die Wachstum

sgesetze der Bundesregierung: D

er Steuer-bonus auf Bauleistungen und das energetische G

ebäudesanierungsprogramm

. Der Zentral-

verband des Deutschen H

andwerks hat sich nicht nur für diese M

aßnahmen eingesetzt,

sondern auch versucht, die Nachfrage zu beflügeln, indem

den Betrieben zur K

unden-inform

ation Werbem

aterial über diese Förderinstrumente zur Verfügung gestellt w

urde.Im

kleinteiligen Privatbereich hat das erkennbare Erfolge gebracht. Auch M

arketinggehört nun einm

al zur intelligenten Handw

erksleistung, zum „B

auen mit IQ

”.

Hanns-Eberhard Schleyer

32

Zu den aktuellen Themen unserer Lobbyarbeit gehört, die B

undesregierung von einerErgänzung der Förderinstrum

ente zu überzeugen:1.

Die A

usweitung der energetischen G

ebäudesanierung auf Gew

erbeimm

obilien, nichtzuletzt vor dem

Hintergrund der N

otwendigkeit zur nachhaltigen R

eduzierung vonEm

issionen.2.

Die A

npassung des Steuerbonus auf Handw

erksleistungen, dessen Attraktivität und

Wirksam

keit mit der Erhöhung der M

ehrwertsteuer deutlich verloren hat.

Ich bin mir bew

usst, dass diese Maßnahm

en nicht der reinen Lehre entsprechen. Aber sie

haben sich in der Praxis bewährt und – unterm

Strich nahezu ohne Belastungen für die

öffentlichen Haushalte – einen B

eitrag zur Trendwende im

Bau- und A

usbauhandwerk

geleistet. Wir hoffen, dass jetzt der W

achstumsfaden nicht abreißt. D

as wird auch von

politischen Entscheidungen abhängen, nicht nur hinsichtlich der Förderinstrumente, sondern

mehr noch von der verlässlichen U

msetzung angekündigter R

eformen, beispielsw

eise inder U

nternehmensbesteuerung.

4.Strukturveränderungen am

Bau

Doch auch w

enn die wirtschaftliche Entw

icklung – was w

ir alle hoffen – weiter aufw

ärtsgeht, so m

ache ich mir dennoch keine Illusionen, dass dadurch die Schleifspuren der ver-

gangenen Jahre in der Bauw

irtschaft wieder rückgängig gem

acht werden können. Zu tief

greifend waren diese Strukturveränderungen, um

kurz- oder mittelfristig gew

endet wer-

den zu können. Sie sind vielfach auch nicht allein durch die Rezession verursacht, sonderndurch sie nur besonders verschärft w

orden. Handw

erk und Industrie sind von diesenStrukturveränderungen gem

einsam betroffen, allerdings vielfach in unterschiedlicher

Rollenverteilung. Ich w

ill dies aus der Sicht des Handw

erks nur mit einigen Stichw

ortenum

reißen:–

Da ist der dram

atische Beschäftigungsabbau: Fast alle Betriebe haben ihre Mannschaft

auf der Baustelle auf das absolute M

inimum

an qualifizierten Fachleuten reduziert.–

Ein Großteil der eigentlichen B

au-Arbeits-Leistung w

ird inzwischen über externe

Trupps abgewickelt, seien es Zeitarbeiter oder K

olonnen aus Osteuropa.

–Viele B

auunternehmen haben sich auf diesem

Wege von der produktiven Leistung

weitgehend abgekoppelt, reduziert auf die Tätigkeit als Projektentw

ickler.–

Entstanden sind regelrechte Subunternehmerketten, bei denen von oben nach unten

die Margen im

mer dünner w

erden. Oder w

eniger zurückhaltend formuliert: B

ei denendie A

uftragnehmer von oben nach unten ausgepresst w

erden. Sie werden nachvollzie-

hen,dass mittelständische B

auhandwerker am

unteren Ende der Subunternehmer-

kette das nicht als partnerschaftlichen Um

gang verstehen.

Bauen m

it IQ – Innovation durch Q

ualifizierung im B

auhandwerk33

Page 34: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

Besser zum

Ausdruck gebracht w

erden die Vorteile des Handw

erks gegenüber der In-dustrie durch die Vielfalt an B

erufsbildern, die das Handw

erk auf den Bau bringt und die

damit die B

reite qualifizierter handwerklicher Leistungen um

schreiben. 17 Berufsbilder

zählt der engere Bereich der B

au- und Ausbauhandw

erke. Neben den M

aurern, Beton-

bauern, Dachdeckern, Estrichlegern, Fliesenlegern, M

alern, Zimm

erern sind es auchN

ischenberufe wie der Terrazzohersteller, B

runnen- oder Ofenbauer. M

it 20 weiteren

Berufen aus dem

Baunebengew

erbe – beispielsweise SH

K, Elektro, H

olz – sind rund einD

rittel aller Handw

erksberufe mit dem

Bau verbunden.

3.W

irtschaftliche Situation am B

au

Entsprechend groß ist der Einfluss der Baukonjunktur auf die w

irtschaftliche Lage desH

andwerks insgesam

t. Wir erleben es im

aktuellen Aufschw

ung. Er schlägt auf der posi-tiven Seite ebenso durch w

ie in den Jahren zuvor der dramatische R

ückgang am B

au. Sohat die B

auwirtschaft im

vergangenen Jahr 2006 entscheidend zur positiven Um

satzent-w

icklung im G

esamthandw

erk – ein Plus von 2,5 Prozent – und zur Entspannung amA

rbeitsmarkt beigetragen. A

uch wenn w

ir noch einmal 30.000 A

rbeitsplätze im H

andwerk

eingebüßt haben. Das ist jedoch eine deutliche Verbesserung im

Vergleich zu den Vorjahrenm

it regelmäßigen A

rbeitsplatzverlusten von 150.000 bis 250.000. Mehr als zw

ei Drittel

davon am Bau (2005: M

inus 140.000 Beschäftigte, davon 105.000 in den Bau- und Ausbau-

bereichen). Wir sind froh, dass die gute A

uslastung unserer Betriebe auch zu Beginn diesesJahre anhält. Ein Teil der guten A

uftragslage ist allerdings den – im K

ern negativen – Ent-scheidungen des vergangenen Jahres geschuldet: der Erhöhung der M

ehrwertsteuer und der

Streichung der Eigenheimzulage. N

och eilig zum Jahresschluss erteilte Baugenehm

igungenw

erden zur Zeit abgearbeitet und sorgen noch für eine gute Auslastung der B

etriebe.

Wichtigste Säule des neuen A

ufschwungs ist der W

irtschaftsbau. Unternehm

en des ver-arbeitenden G

ewerbes, aber auch H

andels- und Logistikunternehmen, haben D

eutschlandals W

irtschaftsstandort wieder entdeckt. Sie investieren in Infrastruktur und neue B

e-triebsstätten. D

er Wirtschaftsbau ist allerdings eher die D

omäne der B

auindustrie. Die

Kleinbetriebe des H

andwerks sind schw

erpunktmäßig im

Wohnungsbau tätig. A

uch vondort kom

men W

achstumsim

pulse, allerdings auf niedrigerem N

iveau. Für Nachfrage

gesorgt haben hier nicht zuletzt die Wachstum

sgesetze der Bundesregierung: D

er Steuer-bonus auf Bauleistungen und das energetische G

ebäudesanierungsprogramm

. Der Zentral-

verband des Deutschen H

andwerks hat sich nicht nur für diese M

aßnahmen eingesetzt,

sondern auch versucht, die Nachfrage zu beflügeln, indem

den Betrieben zur K

unden-inform

ation Werbem

aterial über diese Förderinstrumente zur Verfügung gestellt w

urde.Im

kleinteiligen Privatbereich hat das erkennbare Erfolge gebracht. Auch M

arketinggehört nun einm

al zur intelligenten Handw

erksleistung, zum „B

auen mit IQ

”.

Hanns-Eberhard Schleyer

32

Zu den aktuellen Themen unserer Lobbyarbeit gehört, die B

undesregierung von einerErgänzung der Förderinstrum

ente zu überzeugen:1.

Die A

usweitung der energetischen G

ebäudesanierung auf Gew

erbeimm

obilien, nichtzuletzt vor dem

Hintergrund der N

otwendigkeit zur nachhaltigen R

eduzierung vonEm

issionen.2.

Die A

npassung des Steuerbonus auf Handw

erksleistungen, dessen Attraktivität und

Wirksam

keit mit der Erhöhung der M

ehrwertsteuer deutlich verloren hat.

Ich bin mir bew

usst, dass diese Maßnahm

en nicht der reinen Lehre entsprechen. Aber sie

haben sich in der Praxis bewährt und – unterm

Strich nahezu ohne Belastungen für die

öffentlichen Haushalte – einen B

eitrag zur Trendwende im

Bau- und A

usbauhandwerk

geleistet. Wir hoffen, dass jetzt der W

achstumsfaden nicht abreißt. D

as wird auch von

politischen Entscheidungen abhängen, nicht nur hinsichtlich der Förderinstrumente, sondern

mehr noch von der verlässlichen U

msetzung angekündigter R

eformen, beispielsw

eise inder U

nternehmensbesteuerung.

4.Strukturveränderungen am

Bau

Doch auch w

enn die wirtschaftliche Entw

icklung – was w

ir alle hoffen – weiter aufw

ärtsgeht, so m

ache ich mir dennoch keine Illusionen, dass dadurch die Schleifspuren der ver-

gangenen Jahre in der Bauw

irtschaft wieder rückgängig gem

acht werden können. Zu tief

greifend waren diese Strukturveränderungen, um

kurz- oder mittelfristig gew

endet wer-

den zu können. Sie sind vielfach auch nicht allein durch die Rezession verursacht, sonderndurch sie nur besonders verschärft w

orden. Handw

erk und Industrie sind von diesenStrukturveränderungen gem

einsam betroffen, allerdings vielfach in unterschiedlicher

Rollenverteilung. Ich w

ill dies aus der Sicht des Handw

erks nur mit einigen Stichw

ortenum

reißen:–

Da ist der dram

atische Beschäftigungsabbau: Fast alle Betriebe haben ihre Mannschaft

auf der Baustelle auf das absolute M

inimum

an qualifizierten Fachleuten reduziert.–

Ein Großteil der eigentlichen B

au-Arbeits-Leistung w

ird inzwischen über externe

Trupps abgewickelt, seien es Zeitarbeiter oder K

olonnen aus Osteuropa.

–Viele B

auunternehmen haben sich auf diesem

Wege von der produktiven Leistung

weitgehend abgekoppelt, reduziert auf die Tätigkeit als Projektentw

ickler.–

Entstanden sind regelrechte Subunternehmerketten, bei denen von oben nach unten

die Margen im

mer dünner w

erden. Oder w

eniger zurückhaltend formuliert: Bei denen

die Auftragnehm

er von oben nach unten ausgepresst werden. Sie w

erden nachvollzie-hen,dass m

ittelständische Bauhandw

erker am unteren Ende der Subunternehm

er-kette das nicht als partnerschaftlichen U

mgang verstehen.

Bauen m

it IQ – Innovation durch Q

ualifizierung im B

auhandwerk33

Page 35: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

–Viele A

uftragnehmer des H

andwerks haben einen solchen D

ruck nicht überstanden,das ist für sie selber und deren B

eschäftigte eine dramatische Entw

icklung; aber esist auch ein erheblicher volksw

irtschaftlicher Substanzverlust.–

Und es ist in der langfristigen Perspektive nicht zuletzt eine G

efahr für die Bau-

industrie, auf die ich mit allem

Nachdruck hinw

eisen will, nur am

Rande auf die

Gew

ährleistungsrisiken, die natürlich entstehen, wenn A

uftraggeber ihre Auftrag-

nehmer am

Ende aus dem M

arkt werfen.

–A

ber vor allem läuft die B

auindustrie natürlich Gefahr, einen Partner zu schw

ächen.Einen Partner, auf den sie w

eiterhin angewiesen sein w

ird, weil dieser Partner w

eitm

ehr als die Bauindustrie selber B

auleistungen in der kompletten B

reite ausführenkann. Ferner, w

eil er die Fachkräfte dafür qualifiziert und somit die B

asis für denw

eiteren Innovationsprozess am B

au legt.

Es wird Sie nicht w

undern, dass sich im Zuge der geschilderten und Ihnen verm

utlichbekannten Entw

icklung die Größenstruktur der handw

erklichen Baubetriebe erheblich

verschoben hat, zulasten der größeren und zugunsten der kleineren Einheiten. Wenn

90 % der B

etriebe heute weniger als 20 Personen beschäftigen, dann verbirgt sich dahin-

ter aber nicht nur eine sukzessive Verkleinerung der Unternehm

enseinheiten. Hinter sol-

chen Durchschnittszahlen steht auch eine – positiv form

uliert – erhebliche „Gründungs-

dynamik”. Im

Klartext ist das beispielsw

eise eine Verdreifachung der Fliesenleger-Betriebeseit 2004 auf heute über 30.000. Viele davon sind bei Lichte betrachtet aber keine w

irk-lichen B

etriebe, sondern beispielsweise tatkräftige M

änner aus den EU-B

eitrittländern,die – völlig legal – eine Lücke in den Beitrittsverträgen im

„unseligen“ Zusamm

enwirken

mit der novellierten H

andwerksordnung nutzen, einen B

etrieb anmelden und ganz „selb-

ständig” eine Baukolonne bilden.

5.A

usbildung

Es ist nahe liegend, dass im Zuge einer solchen Entw

icklung natürlich auch die Ausbil-

dungszahlen am B

au deutlich zurückgegangen sind. So hat sich etwa – um

das nur mit

einer Zahl zu belegen – der Lehrlingsbestand des Beton- und Stahlbetonbauers in B

au-handw

erk und Bauindustrie von 3.180 A

uszubildenden im Jahr 2000 auf 1.763 Lehrlinge

in 2005 fast halbiert. Wo keine B

eschäftigung stattfindet, kann auch nicht ausgebildetw

erden. Es wird beim

Anstieg der B

eschäftigtenzahlen nicht leicht sein, die weggebro-

chenen Ausbildungsstrukturen w

ieder zu beleben, aber es ist nötig, um für die langfris-

tige Perspektive die erforderliche Qualifikation am

Bau zu sichern. O

b allerdings dieJugendlichen bei einem

anhaltenden Anziehen der B

aukonjunktur den Bau w

irklich alsB

erufsziel wieder entdecken? Ich habe da m

eine Zweifel und glaube, dass w

ir zunächstkräftige A

nstrengungen zur Imageverbesserung der B

auberufe unternehmen m

üssen.

Hanns-Eberhard Schleyer

34

Denn natürlich hat m

it den Einbrüchen der vergangenen Jahre der Ruf der B

au-berufe erheblich gelitten. A

uch die Standardisierungen in den zurückliegenden Jahr-zehnten haben

sich, was das R

enomm

ee der Bauberufe betrifft, zum

indest ambivalent

ausgewirkt.

Einerseits hat der zunehmende M

aschineneinsatz die körperlichen Belastungen reduziert.A

ndererseits hat die Arbeitsteilung m

ehr und mehr das breit angelegte generalistische

Wissen und den B

lick für die Wechselw

irkungen von Material, Technik und M

ensch amB

au verdrängt. Eine wichtige A

ufgabe wird es deshalb sein, über Inhalte, Perspektiven

und Entwicklungsm

öglichkeiten der Bauberufe zu inform

ieren. Unter anderem

offensivherauszustellen, dass gerade durch den Einsatz neuer Technik die B

erufe vielseitiger undanspruchsvoller gew

orden sind. Trotz aller Spezialisierungen dürfen wir bei der w

eite-ren K

onzeption unserer Berufe deren G

anzheitlichkeit nicht aus dem B

lick verlieren.H

andwerksberufe sollen auch in Zukunft eine universelle A

usbildung mit vielfältigen

Qualifizierungs- und W

eiterbildungsmöglichkeiten darstellen. Ein breites Fundam

entm

uss die Basis für Spezialisierungen geben. N

icht nur – aber auch – im H

inblick darauf,dass in den M

arktnischen große Chancen liegen.

6.M

odernisierung der Ausbildung

Um

diese beiden Anforderungen – breite B

asis und flexible Spezialisierung – besser mit-

einander zu verbinden, erarbeiten wir zur Zeit ein neues A

usbildungskonzept. Aufbauend

auf umfassenden G

rundqualifikationen entwickeln w

ir ein Baukastensystem

von Mo-

dulen, das das Duale System

offener und flexibler gestaltet. Dam

it können wir neue

Inhalte schneller integrieren, Berufsbilder anpassen und den im

mer breiter gefächerten

Anforderungen der betrieblichen Praxis gerecht w

erden. Die Stufenausbildung am

Bau

ist dafür eine gute Blaupause. Sie hat sich im

Handw

erk und in der Industrie bewährt,

verbindet solide Grundausbildung m

it aufbauender Spezialisierung.

Um

so mehr bedauern w

ir in dieser Sache einen aktuellen Dissens m

it der Industrie, dieeher eine M

odularisierung der Ausbildung favorisiert, bei der das B

erufskonzept verlas-sen w

ird und die Ausbildung in eine R

eihe unabhängiger Einzelqualifikationen mit

jeweils erreichbaren Teilabschlüssen zerlegt w

erden soll. Ich halte das für keinen klugenW

eg. Ich glaube vielmehr, dass w

ir den Wettbew

erb in einer globalisierten Welt nur dann

bestehen können, wenn w

ir „um so vieles besser sind, w

ie wir teurer sind”, um

es mit

den Worten der B

undeskanzlerin zu formulieren. D

as erfordert Fachkräfte, die sich aufder G

rundlage einer umfassenden Q

ualifikation imm

er wieder neu an Veränderungen des

Marktes und der Technik anpassen können, ja die solche Veränderungen selber voran-

treiben. Bauen m

it IQ geht nicht ohne IQ

. Nur so kann der B

au die Herausforderungen

Bauen m

it IQ – Innovation durch Q

ualifizierung im B

auhandwerk35

Page 36: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

–Viele A

uftragnehmer des H

andwerks haben einen solchen D

ruck nicht überstanden,das ist für sie selber und deren B

eschäftigte eine dramatische Entw

icklung; aber esist auch ein erheblicher volksw

irtschaftlicher Substanzverlust.–

Und es ist in der langfristigen Perspektive nicht zuletzt eine G

efahr für die Bau-

industrie, auf die ich mit allem

Nachdruck hinw

eisen will, nur am

Rande auf die

Gew

ährleistungsrisiken, die natürlich entstehen, wenn A

uftraggeber ihre Auftrag-

nehmer am

Ende aus dem M

arkt werfen.

–A

ber vor allem läuft die B

auindustrie natürlich Gefahr, einen Partner zu schw

ächen.Einen Partner, auf den sie w

eiterhin angewiesen sein w

ird, weil dieser Partner w

eitm

ehr als die Bauindustrie selber B

auleistungen in der kompletten B

reite ausführenkann. Ferner, w

eil er die Fachkräfte dafür qualifiziert und somit die B

asis für denw

eiteren Innovationsprozess am B

au legt.

Es wird Sie nicht w

undern, dass sich im Zuge der geschilderten und Ihnen verm

utlichbekannten Entw

icklung die Größenstruktur der handw

erklichen Baubetriebe erheblich

verschoben hat, zulasten der größeren und zugunsten der kleineren Einheiten. Wenn

90 % der B

etriebe heute weniger als 20 Personen beschäftigen, dann verbirgt sich dahin-

ter aber nicht nur eine sukzessive Verkleinerung der Unternehm

enseinheiten. Hinter sol-

chen Durchschnittszahlen steht auch eine – positiv form

uliert – erhebliche „Gründungs-

dynamik”. Im

Klartext ist das beispielsw

eise eine Verdreifachung der Fliesenleger-Betriebeseit 2004 auf heute über 30.000. Viele davon sind bei Lichte betrachtet aber keine w

irk-lichen B

etriebe, sondern beispielsweise tatkräftige M

änner aus den EU-B

eitrittländern,die – völlig legal – eine Lücke in den Beitrittsverträgen im

„unseligen“ Zusamm

enwirken

mit der novellierten H

andwerksordnung nutzen, einen B

etrieb anmelden und ganz „selb-

ständig” eine Baukolonne bilden.

5.A

usbildung

Es ist nahe liegend, dass im Zuge einer solchen Entw

icklung natürlich auch die Ausbil-

dungszahlen am B

au deutlich zurückgegangen sind. So hat sich etwa – um

das nur mit

einer Zahl zu belegen – der Lehrlingsbestand des Beton- und Stahlbetonbauers in B

au-handw

erk und Bauindustrie von 3.180 A

uszubildenden im Jahr 2000 auf 1.763 Lehrlinge

in 2005 fast halbiert. Wo keine B

eschäftigung stattfindet, kann auch nicht ausgebildetw

erden. Es wird beim

Anstieg der B

eschäftigtenzahlen nicht leicht sein, die weggebro-

chenen Ausbildungsstrukturen w

ieder zu beleben, aber es ist nötig, um für die langfris-

tige Perspektive die erforderliche Qualifikation am

Bau zu sichern. O

b allerdings dieJugendlichen bei einem

anhaltenden Anziehen der B

aukonjunktur den Bau w

irklich alsB

erufsziel wieder entdecken? Ich habe da m

eine Zweifel und glaube, dass w

ir zunächstkräftige A

nstrengungen zur Imageverbesserung der B

auberufe unternehmen m

üssen.

Hanns-Eberhard Schleyer

34

Denn natürlich hat m

it den Einbrüchen der vergangenen Jahre der Ruf der B

au-berufe erheblich gelitten. A

uch die Standardisierungen in den zurückliegenden Jahr-zehnten haben

sich, was das R

enomm

ee der Bauberufe betrifft, zum

indest ambivalent

ausgewirkt.

Einerseits hat der zunehmende M

aschineneinsatz die körperlichen Belastungen reduziert.A

ndererseits hat die Arbeitsteilung m

ehr und mehr das breit angelegte generalistische

Wissen und den B

lick für die Wechselw

irkungen von Material, Technik und M

ensch amB

au verdrängt. Eine wichtige A

ufgabe wird es deshalb sein, über Inhalte, Perspektiven

und Entwicklungsm

öglichkeiten der Bauberufe zu inform

ieren. Unter anderem

offensivherauszustellen, dass gerade durch den Einsatz neuer Technik die B

erufe vielseitiger undanspruchsvoller gew

orden sind. Trotz aller Spezialisierungen dürfen wir bei der w

eite-ren K

onzeption unserer Berufe deren G

anzheitlichkeit nicht aus dem B

lick verlieren.H

andwerksberufe sollen auch in Zukunft eine universelle A

usbildung mit vielfältigen

Qualifizierungs- und W

eiterbildungsmöglichkeiten darstellen. Ein breites Fundam

entm

uss die Basis für Spezialisierungen geben. N

icht nur – aber auch – im H

inblick darauf,dass in den M

arktnischen große Chancen liegen.

6.M

odernisierung der Ausbildung

Um

diese beiden Anforderungen – breite B

asis und flexible Spezialisierung – besser mit-

einander zu verbinden, erarbeiten wir zur Zeit ein neues A

usbildungskonzept. Aufbauend

auf umfassenden G

rundqualifikationen entwickeln w

ir ein Baukastensystem

von Mo-

dulen, das das Duale System

offener und flexibler gestaltet. Dam

it können wir neue

Inhalte schneller integrieren, Berufsbilder anpassen und den im

mer breiter gefächerten

Anforderungen der betrieblichen Praxis gerecht w

erden. Die Stufenausbildung am

Bau

ist dafür eine gute Blaupause. Sie hat sich im

Handw

erk und in der Industrie bewährt,

verbindet solide Grundausbildung m

it aufbauender Spezialisierung.

Um

so mehr bedauern w

ir in dieser Sache einen aktuellen Dissens m

it der Industrie, dieeher eine M

odularisierung der Ausbildung favorisiert, bei der das B

erufskonzept verlas-sen w

ird und die Ausbildung in eine R

eihe unabhängiger Einzelqualifikationen mit

jeweils erreichbaren Teilabschlüssen zerlegt w

erden soll. Ich halte das für keinen klugenW

eg. Ich glaube vielmehr, dass w

ir den Wettbew

erb in einer globalisierten Welt nur dann

bestehen können, wenn w

ir „um so vieles besser sind, w

ie wir teurer sind”, um

es mit

den Worten der B

undeskanzlerin zu formulieren. D

as erfordert Fachkräfte, die sich aufder G

rundlage einer umfassenden Q

ualifikation imm

er wieder neu an Veränderungen des

Marktes und der Technik anpassen können, ja die solche Veränderungen selber voran-

treiben. Bauen m

it IQ geht nicht ohne IQ

. Nur so kann der B

au die Herausforderungen

Bauen m

it IQ – Innovation durch Q

ualifizierung im B

auhandwerk35

Page 37: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

und Chancen nutzen, die sich durch gesellschaftliche und technische Prozesse ergeben

und die sich zum Teil heute bereits abzeichnen. Ich w

ill das an einigen Beispielen auf-

zeigen.

7.D

as energieautarke Haus

Einfamilienhäuser, Schulen und öffentliche G

ebäude stellen ihre Energieversorgungs-system

e um und nutzen dazu Sonne, W

ind, Holz und G

eothermie. M

ittlerweile gibt es

1-Liter-Häuser (1 l Ö

l pro m2und Jahr), die eine vierm

al bessere Energiebilanz als einPassivhaus aufw

eisen. Der Einsatz geotherm

ischer Anlagen in solchen H

äusern ermög-

licht eine Kühlung im

Somm

er. Im W

inter dient die Anlage zur W

armw

asseraufbereitungund als H

eizung. Etliche dieser Anlagen w

erden gerade in unseren Berufsbildungs-

zentren installiert, z.B. in Halle und in K

arlsruhe. Darüber hinaus ist ein G

eoinformations-

System (G

IS) für das Handw

erk im A

ufbau. Dam

it können Brunnenbauer vor der ersten

Bohrung feststellen, auf w

elche Gesteinsschichten und W

asserzonen sie treffen und vorallem

, welche A

nlagen mit w

elchen Erdsonden überhaupt möglich sind.

Die Techniken für solche K

onzepte stehen bereit. Die Verbraucher sind angesichts im

mer

höherer Preise für Strom, H

eizung und Warm

wasser bereit zu investieren und zu m

oder-nisieren. H

ier erschließt sich gerade den Bauhandw

erken in Verbindung mit den A

us-baugew

erken ein riesiger Markt für die Zukunft. M

it einer Basisqualifikation lassen sich

solche anspruchsvollen Konzepte allerdings nicht verw

irklichen. Deshalb haben w

ir eineR

eihe von Berufsbildern novelliert oder neue geschaffen. Seit dem

Jahr 2000 haben wir

die „Fachkraft für Solartechnik“, bekannter als „Solarteur“, und seit 2002 die „Fachkraftfür regenerative Energietechnik“. D

iese Zusatzqualifikationen sind eine Antw

ort auf dietechnischen H

erausforderungen.

8.D

er demographische W

andel

Die große gesellschaftliche H

erausforderung der Zukunft ist der demografische W

andel.Prof. R

ürup hat vor diesem Forum

die These vertreten, dass die Bevölkerung in D

eutsch-land bis zum

Jahr 2040 auf ca. 70 Mio. Einw

ohner schrumpfen w

ird. Bis 2040 w

ird dieA

nzahl der über 65jährigen von jetzt 25 auf 50 Prozent ansteigen. Eine solche Ent-w

icklung ist historisch ohne Beispiel. Stadtplanung, Infrastruktur-, Wohn- und W

irtschafts-bau w

erden von der Bevölkerungsentw

icklung nachhaltig beeinflusst. Es gilt Fragen des„R

ückbaus der Städte“, der Versorgungsinfrastruktur sowie der D

imensionierung von

Wohnraum

zu beantworten. W

ie können wir etw

a das Wohnen in den eigenen vier

Wänden bis ins hohe A

lter hinein durch intelligente Gebäudetechnik erleichtern?

Bauen m

it IQ – Innovation durch Q

ualifizierung im B

auhandwerk

Hanns-Eberhard Schleyer

3736

9.G

ebäudeleittechnik (Smart H

ouse)

Senioren brauchen imm

er öfter die Unterstützung elektronischer H

elfer in der Wohnung

und im H

aushalt. Sensoren erfassen die Raum

temperatur, steuern die Sonnenjalousie,

verständigen das Pflegepersonal. Angehörige können über B

ewegungsm

elder feststellen,ob Fenster bei Sturm

geschlossen sind. Viele sinnvolle Anw

endungsszenarien werden

möglich, dank neuer B

US-Technologie in der G

ebäudeautomation. G

ebäudetechnik istm

ittlerweile zu einer Zukunftsbranche für die Elektrohandw

erke und den Sanitär-H

eizung-Klim

a-Bereich gew

orden. Bereits 2003 ist im

Rahm

en der Neuordnung der

Elektro-Handw

erksberufe der Beruf „Elektroniker/in, Fachrichtung Energie- und G

e-bäudetechnik,“ entstanden. A

us dem Elektriker ist der Elektroniker gew

orden. Allein das

zeigt schon den Wandel und w

ie sich Berufe und Q

ualifikationen verändern.

Heutzutage m

üssen Elektroniker eben nicht nur Installationen ausführen. Nein, sie m

üssen…–

Anlagen und -kom

ponenten zur Gebäudeautom

atisierung planen, berechnen, pro-gram

mieren, param

etrisieren, errichten, prüfen; –

sich in verschiedenen BU

S-Technologien auskennen, die Signalübertragungstechnikbeherrschen und Techniken zur rationellen Energieanw

endung sowie deren elektro-

nische Betriebsm

ittel anwenden, installieren und in B

etrieb nehmen können;

–sich m

it moderner,m

eist mit elektronischen Steuerungen ausgestatteter Energie- und

Gebäudetechnik auskennen. K

raft-Wärm

e-Kopplungsanlagen, geotherm

ischen Anlagen,

Solartechnik, Erdungs-, Blitzschutz-, Ü

berspannungsschutz, Wärm

e-, Kälte- und

Klim

aanlagen zählen zu ihren neuen Aufgabengebieten.

Diese Tätigkeiten, gerade w

enn es um Planung und Program

mierung derartiger A

nlagenm

it Hilfe rechnergestützter System

e geht, weisen schon heute eine große Ü

bereinstim-

mung m

it der Ausbildung an Fachhochschulen einschlägiger Fachrichtungen auf.

10.K

ompetenzzentren

Aber eben die U

msetzung im

handwerklichen B

ereich erfordert ebenso umfassende

Qualifikationen und dafür zunächst entsprechende m

odernste Ausbildungsstätten.

Jährlich investiert das Handw

erk etwa 80 M

io. Euro in den Ausbau und in die M

oderni-sierung seiner 570 B

erufsbildungszentren. Ein wesentlicher B

austein ist dabei dieW

eiterentwicklung dieser B

ildungsstätten zu Kom

petenzzentren. Derzeit haben w

ir etwa

20 solcher Zentren, die sich mit bautechnischen Them

en befassen wie:

–Ö

kologisches und energiesparendes Bauen,

–B

rennstoffzellen,

Page 38: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

und Chancen nutzen, die sich durch gesellschaftliche und technische Prozesse ergeben

und die sich zum Teil heute bereits abzeichnen. Ich w

ill das an einigen Beispielen auf-

zeigen.

7.D

as energieautarke Haus

Einfamilienhäuser, Schulen und öffentliche G

ebäude stellen ihre Energieversorgungs-system

e um und nutzen dazu Sonne, W

ind, Holz und G

eothermie. M

ittlerweile gibt es

1-Liter-Häuser (1 l Ö

l pro m2und Jahr), die eine vierm

al bessere Energiebilanz als einPassivhaus aufw

eisen. Der Einsatz geotherm

ischer Anlagen in solchen H

äusern ermög-

licht eine Kühlung im

Somm

er. Im W

inter dient die Anlage zur W

armw

asseraufbereitungund als H

eizung. Etliche dieser Anlagen w

erden gerade in unseren Berufsbildungs-

zentren installiert, z.B. in Halle und in K

arlsruhe. Darüber hinaus ist ein G

eoinformations-

System (G

IS) für das Handw

erk im A

ufbau. Dam

it können Brunnenbauer vor der ersten

Bohrung feststellen, auf w

elche Gesteinsschichten und W

asserzonen sie treffen und vorallem

, welche A

nlagen mit w

elchen Erdsonden überhaupt möglich sind.

Die Techniken für solche K

onzepte stehen bereit. Die Verbraucher sind angesichts im

mer

höherer Preise für Strom, H

eizung und Warm

wasser bereit zu investieren und zu m

oder-nisieren. H

ier erschließt sich gerade den Bauhandw

erken in Verbindung mit den A

us-baugew

erken ein riesiger Markt für die Zukunft. M

it einer Basisqualifikation lassen sich

solche anspruchsvollen Konzepte allerdings nicht verw

irklichen. Deshalb haben w

ir eineR

eihe von Berufsbildern novelliert oder neue geschaffen. Seit dem

Jahr 2000 haben wir

die „Fachkraft für Solartechnik“, bekannter als „Solarteur“, und seit 2002 die „Fachkraftfür regenerative Energietechnik“. D

iese Zusatzqualifikationen sind eine Antw

ort auf dietechnischen H

erausforderungen.

8.D

er demographische W

andel

Die große gesellschaftliche H

erausforderung der Zukunft ist der demografische W

andel.Prof. R

ürup hat vor diesem Forum

die These vertreten, dass die Bevölkerung in D

eutsch-land bis zum

Jahr 2040 auf ca. 70 Mio. Einw

ohner schrumpfen w

ird. Bis 2040 w

ird dieA

nzahl der über 65jährigen von jetzt 25 auf 50 Prozent ansteigen. Eine solche Ent-w

icklung ist historisch ohne Beispiel. Stadtplanung, Infrastruktur-, Wohn- und W

irtschafts-bau w

erden von der Bevölkerungsentw

icklung nachhaltig beeinflusst. Es gilt Fragen des„R

ückbaus der Städte“, der Versorgungsinfrastruktur sowie der D

imensionierung von

Wohnraum

zu beantworten. W

ie können wir etw

a das Wohnen in den eigenen vier

Wänden bis ins hohe A

lter hinein durch intelligente Gebäudetechnik erleichtern?

Bauen m

it IQ – Innovation durch Q

ualifizierung im B

auhandwerk

Hanns-Eberhard Schleyer

3736

9.G

ebäudeleittechnik (Smart H

ouse)

Senioren brauchen imm

er öfter die Unterstützung elektronischer H

elfer in der Wohnung

und im H

aushalt. Sensoren erfassen die Raum

temperatur, steuern die Sonnenjalousie,

verständigen das Pflegepersonal. Angehörige können über B

ewegungsm

elder feststellen,ob Fenster bei Sturm

geschlossen sind. Viele sinnvolle Anw

endungsszenarien werden

möglich, dank neuer B

US-Technologie in der G

ebäudeautomation. G

ebäudetechnik istm

ittlerweile zu einer Zukunftsbranche für die Elektrohandw

erke und den Sanitär-H

eizung-Klim

a-Bereich gew

orden. Bereits 2003 ist im

Rahm

en der Neuordnung der

Elektro-Handw

erksberufe der Beruf „Elektroniker/in, Fachrichtung Energie- und G

e-bäudetechnik,“ entstanden. A

us dem Elektriker ist der Elektroniker gew

orden. Allein das

zeigt schon den Wandel und w

ie sich Berufe und Q

ualifikationen verändern.

Heutzutage m

üssen Elektroniker eben nicht nur Installationen ausführen. Nein, sie m

üssen…–

Anlagen und -kom

ponenten zur Gebäudeautom

atisierung planen, berechnen, pro-gram

mieren, param

etrisieren, errichten, prüfen;–

sich in verschiedenen BU

S-Technologien auskennen, die Signalübertragungstechnikbeherrschen und Techniken zur rationellen Energieanw

endung sowie deren elektro-

nische Betriebsm

ittel anwenden, installieren und in Betrieb nehm

en können;–

sich mit m

oderner,meist m

it elektronischen Steuerungen ausgestatteter Energie- undG

ebäudetechnik auskennen. Kraft-W

ärme-K

opplungsanlagen, geothermischen A

nlagen,Solartechnik, Erdungs-, B

litzschutz-, Überspannungsschutz, W

ärme-, K

älte- undK

limaanlagen zählen zu ihren neuen A

ufgabengebieten.

Diese Tätigkeiten, gerade w

enn es um Planung und Program

mierung derartiger A

nlagenm

it Hilfe rechnergestützter System

e geht, weisen schon heute eine große Ü

bereinstim-

mung m

it der Ausbildung an Fachhochschulen einschlägiger Fachrichtungen auf.

10.K

ompetenzzentren

Aber eben die U

msetzung im

handwerklichen B

ereich erfordert ebenso umfassende

Qualifikationen und dafür zunächst entsprechende m

odernste Ausbildungsstätten.

Jährlich investiert das Handw

erk etwa 80 M

io. Euro in den Ausbau und in die M

oderni-sierung seiner 570 B

erufsbildungszentren. Ein wesentlicher B

austein ist dabei dieW

eiterentwicklung dieser B

ildungsstätten zu Kom

petenzzentren. Derzeit haben w

ir etwa

20 solcher Zentren, die sich mit bautechnischen Them

en befassen wie:

–Ö

kologisches und energiesparendes Bauen,

–B

rennstoffzellen,

Page 39: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

–Sicherheitstechnik,

–B

io-Energietechnik,–

Solartechnik,–

Haus- und G

ebäudetechnik,–

C-Techniken.

Hier nähert sich im

Grunde die handw

erkliche Ausbildung einem

Studium an den Fach-

hochschulen an. Ich meine sogar behaupten zu können, dass m

ancher Absolvent m

itB

achelor-Abschluss von Fachhochschulen w

eniger Know

-how und praktische K

ennt-nisse aufw

eist als etwa unsere M

eister in den elektrotechnischen Berufen.

11.G

leichwertigkeit beruflicher, allgem

einer und hochschulischer Bildung

Eine qualitative Gleichw

ertigkeit beruflicher, allgemeiner und hochschulischer B

ildungsollte auch im

Rahm

en unseres Bildungssystem

s noch mehr A

nerkennung finden. Zumal

in der verstärkten Zusamm

enarbeit von Handw

erk und Hochschule, von betrieblicher

Praxis und Wissenschaft noch erhebliche Innovationspotenziale stecken. H

ier gilt esB

erührungsängste beider Seiten abzubauen. Und w

ie könnte das besser gelingen als mit

dem generellen H

ochschulzugang für Meister. M

eister und Wissenschaftler – Theorie

und Praxis – in Personalunion, damit neue Erkenntnisse aus der W

issenschaft in markt-

reife Produkte und Dienstleistungen um

gesetzt werden.

Welchen hohen Stellenw

ert gerade das Handw

erk für den Innovationsprozess in Deutsch-

land hat, das hat erst kürzlich das Prognos-Institut in einer Studie eindrucksvoll nachge-w

iesen. Bem

erkenswert ist vor allem

die Erkenntnis, dass kein Wirtschaftsbereich, w

iedas H

andwerk, an allen Phasen der Innovationskette beteiligt ist. Einerseits w

erden imH

andwerk neue Produkte und D

ienstleistungen entwickelt, andererseits ist das H

andwerk

Anw

ender innovativer Lösungen. Es sorgt für die Um

setzung bei einem breiten K

unden-stam

m. U

nd diese Anw

endung wird zugleich in der A

usbildung vermittelt; nicht zuletzt

als Grundlage für die erneute W

eiterentwicklung. H

ier schließt sich der Innovations-kreislauf.

12.K

ooperationen

Die D

urchdringung des Marktes m

it innovativen Produkten gelingt dabei umso besser,

je enger Unternehm

en aus Industrie, Handel und H

andwerk untereinander – auch m

it derW

issenschaft – kooperieren. Hier gibt es noch einiges zu tun für das H

andwerk und die

Industrie. Was das H

andwerk betrifft, so m

uss ich leider konstatieren, dass die strategi-

Bauen m

it IQ – Innovation durch Q

ualifizierung im B

auhandwerk

Hanns-Eberhard Schleyer

3938

schen Vorteile von Kooperationen von H

andwerksunternehm

en noch zu wenig erkannt

werden. D

ie Chance, größenbedingte N

achteile im N

etzwerk zu kom

pensieren: Kapital-

und Mitarbeiterausstattung, A

kquise, Planung, Vertrieb. Dabei zeigen Erfolge aus der

Vergangenheit die großen Potenziale solcher Kooperationen. D

ie Expo in Hannover im

Jahre 2000 führte 21 Handw

erksunternehmen zusam

men, um

als Bietergem

einschaft desD

eutschen Handw

erks den kompletten Them

enpark aufzubauen. Imm

erhin ein Um

satz-volum

en von seinerzeit 250 Mio. D

M.

Auch im

Facility-Managem

ent bieten sich dem H

andwerk faszinierende M

öglichkeiten.Es gibt im

mer w

ieder hochinteressante Anläufe aus dem

Handw

erk, unterschiedlicheG

ewerke zu System

anbietern zu bündeln und sie als bundesweit tätiges N

etzwerk zu

etablieren. Erhebliche Entwicklungspotenziale sehe ich im

Miteinander von B

auindus-trie und B

auhandwerk. D

ie Bauindustrie w

ird ohne das Bauhandw

erk wohl kaum

seineam

bitionierten Ziele verwirklichen können: ökologisch nachhaltig zu bauen, neue Tech-

niken, wie etw

a regenerative Energieerzeugungssysteme, in neue G

ebäude einzubauenoder aber die G

ebäudeautomation voranzutreiben. U

mgekehrt kann auch das B

auhand-w

erk von der Bauindustrie lernen. G

erade was die K

oordinierung aller Beteiligten am

Bau betrifft. Die K

ompetenzen in Planung, Logistik und B

auausführung und nicht zuletztdie intensive N

utzung moderner Inform

ations- und Kom

munikationstechnologie zur Ver-

knüpfung aller Beteiligten sind in der B

auindustrie ausgeprägter und professionalisiert.

Eine gute Partnerschaft zwischen B

auindustrie und Bauhandw

erk kann ich mir insbe-

sondere auch vorstellen, wenn es um

die Erschließung internationaler Märkte geht. D

ieIndustrie ist hier dem

Handw

erk naturgemäß um

Einiges voraus. Andererseits bew

eisenauch im

mer m

ehr handwerkliche B

aubetriebe – vor allem Spezialisten –, dass sie sich

erfolgreich über die Grenzen hinaus behaupten können, in Europa und w

eltweit. Eine

partnerschaftliche Zusamm

enarbeit auf den Baustellen der W

elt könnte – wie es zu einer

Partnerschaft gehört – beiden Seiten einen Zugewinn geben: D

em H

andwerk den Schritt

über die Grenze und der Industrie qualitativ hochw

ertige Leistungen, die auch in Zukunftden guten R

uf von „made in G

ermany” unterfüttern. B

eide Seiten können voneinanderprofitieren. D

eshalb sollte im gegenseitigen Interesse die echte Partnerschaft im

Vorder-grund stehen, die die spezifischen Stärken des anderen anerkennt. D

amit w

ir gemeinsam

noch intelligenter bauen können.

Mit m

ehr IQ – m

ehr Innovation – mehr Q

ualifizierung.

Page 40: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

–Sicherheitstechnik,

–B

io-Energietechnik,–

Solartechnik,–

Haus- und G

ebäudetechnik,–

C-Techniken.

Hier nähert sich im

Grunde die handw

erkliche Ausbildung einem

Studium an den Fach-

hochschulen an. Ich meine sogar behaupten zu können, dass m

ancher Absolvent m

itB

achelor-Abschluss von Fachhochschulen w

eniger Know

-how und praktische K

ennt-nisse aufw

eist als etwa unsere M

eister in den elektrotechnischen Berufen.

11.G

leichwertigkeit beruflicher, allgem

einer und hochschulischer Bildung

Eine qualitative Gleichw

ertigkeit beruflicher, allgemeiner und hochschulischer B

ildungsollte auch im

Rahm

en unseres Bildungssystem

s noch mehr A

nerkennung finden. Zumal

in der verstärkten Zusamm

enarbeit von Handw

erk und Hochschule, von betrieblicher

Praxis und Wissenschaft noch erhebliche Innovationspotenziale stecken. H

ier gilt esB

erührungsängste beider Seiten abzubauen. Und w

ie könnte das besser gelingen als mit

dem generellen H

ochschulzugang für Meister. M

eister und Wissenschaftler – Theorie

und Praxis – in Personalunion, damit neue Erkenntnisse aus der W

issenschaft in markt-

reife Produkte und Dienstleistungen um

gesetzt werden.

Welchen hohen Stellenw

ert gerade das Handw

erk für den Innovationsprozess in Deutsch-

land hat, das hat erst kürzlich das Prognos-Institut in einer Studie eindrucksvoll nachge-w

iesen. Bem

erkenswert ist vor allem

die Erkenntnis, dass kein Wirtschaftsbereich, w

iedas H

andwerk, an allen Phasen der Innovationskette beteiligt ist. Einerseits w

erden imH

andwerk neue Produkte und D

ienstleistungen entwickelt, andererseits ist das H

andwerk

Anw

ender innovativer Lösungen. Es sorgt für die Um

setzung bei einem breiten K

unden-stam

m. U

nd diese Anw

endung wird zugleich in der A

usbildung vermittelt; nicht zuletzt

als Grundlage für die erneute W

eiterentwicklung. H

ier schließt sich der Innovations-kreislauf.

12.K

ooperationen

Die D

urchdringung des Marktes m

it innovativen Produkten gelingt dabei umso besser,

je enger Unternehm

en aus Industrie, Handel und H

andwerk untereinander – auch m

it derW

issenschaft – kooperieren. Hier gibt es noch einiges zu tun für das H

andwerk und die

Industrie. Was das H

andwerk betrifft, so m

uss ich leider konstatieren, dass die strategi-

Bauen m

it IQ – Innovation durch Q

ualifizierung im B

auhandwerk

Hanns-Eberhard Schleyer

3938

schen Vorteile von Kooperationen von H

andwerksunternehm

en noch zu wenig erkannt

werden. D

ie Chance, größenbedingte N

achteile im N

etzwerk zu kom

pensieren: Kapital-

und Mitarbeiterausstattung, A

kquise, Planung, Vertrieb. Dabei zeigen Erfolge aus der

Vergangenheit die großen Potenziale solcher Kooperationen. D

ie Expo in Hannover im

Jahre 2000 führte 21 Handw

erksunternehmen zusam

men, um

als Bietergem

einschaft desD

eutschen Handw

erks den kompletten Them

enpark aufzubauen. Imm

erhin ein Um

satz-volum

en von seinerzeit 250 Mio. D

M.

Auch im

Facility-Managem

ent bieten sich dem H

andwerk faszinierende M

öglichkeiten.Es gibt im

mer w

ieder hochinteressante Anläufe aus dem

Handw

erk, unterschiedlicheG

ewerke zu System

anbietern zu bündeln und sie als bundesweit tätiges N

etzwerk zu

etablieren. Erhebliche Entwicklungspotenziale sehe ich im

Miteinander von B

auindus-trie und B

auhandwerk. D

ie Bauindustrie w

ird ohne das Bauhandw

erk wohl kaum

seineam

bitionierten Ziele verwirklichen können: ökologisch nachhaltig zu bauen, neue Tech-

niken, wie etw

a regenerative Energieerzeugungssysteme, in neue G

ebäude einzubauenoder aber die G

ebäudeautomation voranzutreiben. U

mgekehrt kann auch das B

auhand-w

erk von der Bauindustrie lernen. G

erade was die K

oordinierung aller Beteiligten am

Bau betrifft. D

ie Kom

petenzen in Planung, Logistik und Bauausführung und nicht zuletzt

die intensive Nutzung m

oderner Informations- und K

omm

unikationstechnologie zur Ver-knüpfung aller B

eteiligten sind in der Bauindustrie ausgeprägter und professionalisiert.

Eine gute Partnerschaft zwischen B

auindustrie und Bauhandw

erk kann ich mir insbe-

sondere auch vorstellen, wenn es um

die Erschließung internationaler Märkte geht. D

ieIndustrie ist hier dem

Handw

erk naturgemäß um

Einiges voraus. Andererseits bew

eisenauch im

mer m

ehr handwerkliche B

aubetriebe – vor allem Spezialisten –, dass sie sich

erfolgreich über die Grenzen hinaus behaupten können, in Europa und w

eltweit. Eine

partnerschaftliche Zusamm

enarbeit auf den Baustellen der W

elt könnte – wie es zu einer

Partnerschaft gehört – beiden Seiten einen Zugewinn geben: D

em H

andwerk den Schritt

über die Grenze und der Industrie qualitativ hochw

ertige Leistungen, die auch in Zukunftden guten R

uf von „made in G

ermany” unterfüttern. B

eide Seiten können voneinanderprofitieren. D

eshalb sollte im gegenseitigen Interesse die echte Partnerschaft im

Vorder-grund stehen, die die spezifischen Stärken des anderen anerkennt. D

amit w

ir gemeinsam

noch intelligenter bauen können.

Mit m

ehr IQ – m

ehr Innovation – mehr Q

ualifizierung.

Page 41: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinanderProfessor D

r.-Ing. E.h. Manfred N

ußbaumer M

. Sc.

1.Einleitung

These 1: keine Ingenieurwissenschaften – ohne H

andwerk

These 2: keine Ingenieurwissenschaften – ohne N

aturwissenschaften w

ie Mathem

atik,Physik, C

hemie

Die Ingenieurw

issenschaften der Bau-, M

aschinenbau- und Elektroingenieure entwickel-

ten sich im Zw

ischenbereich von Handw

erk und den Naturw

issenschaften Mathem

atik,Physik und C

hemie. Von beiden haben die Ingenieurw

issenschaften profitiert. Die histo-

rische Entwicklung und die gegenseitige B

efruchtung von Ingenieurkunst und Handw

erksind auch heute noch nicht aus dieser Verbindung w

egzudenken. Auf sie w

ird im W

eite-ren vertieft eingegangen.

2.G

eschichtliche Entwicklung

2.1H

andwerk

Das professionelle H

andwerk entstand im

frühen Mittelalter m

it der Stadtentwicklung

und insbesondere unter dem Einfluss der Zünfte.

Die Zünfte sorgten:

–für die berufliche A

usbildung–

für die Einhaltung von Qualität und Fertigungsverfahren

–für die Fortbildung der G

esellen ––>W

anderschaft–

für garantierte, ausreichende und gesicherte Einkomm

en–

für die Einbindung in das politische und soziale Leben der Stadt.

Der m

ehrere Jahrhunderte erfolgreiche Zunftzwang des H

andwerks stand aber bald in

krassem G

egensatz zum Fortschritt des beginnenden M

erkantilismus des ausgehenden

18.Jahrhunderts. M

it der französischen Revolution begann die Gew

erbefreiheit, d.h. dieA

bschaffung des Zunftwesens in Frankreich.

Im Zunftw

esen hatte am Ende des 18. Jahrhunderts das entstehende M

anufakturwesen

keinen Platz, die revolutionären Aktivitäten spülten deshalb das Zunftw

esen hinweg.

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

41

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Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinanderProfessor D

r.-Ing. E.h. Manfred N

ußbaumer M

. Sc.

1.Einleitung

These 1: keine Ingenieurwissenschaften – ohne H

andwerk

These 2: keine Ingenieurwissenschaften – ohne N

aturwissenschaften w

ie Mathem

atik,Physik, C

hemie

Die Ingenieurw

issenschaften der Bau-, M

aschinenbau- und Elektroingenieure entwickel-

ten sich im Zw

ischenbereich von Handw

erk und den Naturw

issenschaften Mathem

atik,Physik und C

hemie. Von beiden haben die Ingenieurw

issenschaften profitiert. Die histo-

rische Entwicklung und die gegenseitige B

efruchtung von Ingenieurkunst und Handw

erksind auch heute noch nicht aus dieser Verbindung w

egzudenken. Auf sie w

ird im W

eite-ren vertieft eingegangen.

2.G

eschichtliche Entwicklung

2.1H

andwerk

Das professionelle H

andwerk entstand im

frühen Mittelalter m

it der Stadtentwicklung

und insbesondere unter dem Einfluss der Zünfte.

Die Zünfte sorgten:

–für die berufliche A

usbildung–

für die Einhaltung von Qualität und Fertigungsverfahren

–für die Fortbildung der G

esellen ––>W

anderschaft–

für garantierte, ausreichende und gesicherte Einkomm

en–

für die Einbindung in das politische und soziale Leben der Stadt.

Der m

ehrere Jahrhunderte erfolgreiche Zunftzwang des H

andwerks stand aber bald in

krassem G

egensatz zum Fortschritt des beginnenden M

erkantilismus des ausgehenden

18.Jahrhunderts. M

it der französischen Revolution begann die Gew

erbefreiheit, d.h. dieA

bschaffung des Zunftwesens in Frankreich.

Im Zunftw

esen hatte am Ende des 18. Jahrhunderts das entstehende M

anufakturwesen

keinen Platz, die revolutionären Aktivitäten spülten deshalb das Zunftw

esen hinweg.

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

41

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–M

ariotte (1620–1684), Hydro- und A

erostatik–

Huygens (1629–1695), M

athematiker, Physiker, u.a. Statik, H

ydrostatik–

Hooke (1635–1703), Elastizitätsgesetze

–N

ewton (1643–1727), G

ravitationsgesetze, Bew

egungsgleichungen–

Leibnitz (1646–1716), Mathem

atiker, Physiker, technischer Erfinder–

Jakob Bernoulli (1655–1705), M

athematiker, Infinitesim

alrechnung, Kettenlinie

–Euler (1707–1783), M

athematiker, Physiker, M

echanik, Strömungs- und

Biegelehre,

Veröffentlichungen: „Neue G

rundsätze der Artillerie” (1745), „Theorie des Schiff-

baus” (1749), „ Knickgleichung”

In weiteren 100 Jahren, also von 1750 bis 1850 w

urden diese Theorien zur Anw

endungin den Ingenieurw

issenschaften weiterentw

ickelt.–

Coulomb (1736–1806), Physiker, Ingenieuroffizier, „Theorie der einfachen M

aschi-nen” (1779), Torsion, Festigkeit, B

austatik, Reibungsgesetz, Erddruck-Theorie,

Elektrizitätsmenge C

(As).

–N

avier (1785 – 1836), Professor für Mechanik (1819), ab 1831 an der Ecole Poly-

technique, Elastomechanik, B

alken- und Plattenbiegung, Schwingung elastischer

Körper, B

austatik, Theorie der Hängebrücken, Ström

ungstheorie, Navier-Stokes-

Gleichung. N

avier schrieb sein erstes Vorlesungsskript (1826) als Buch, das 1851 ins

Deutsche übersetzt w

urde mit dem

Titel „Mechanik der B

aukunst oder Anw

endungder M

echanik auf das Gleichgew

icht von Bau-K

onstruktionen”.

3.3D

ie Kuppel des Petersdom

s, Beauftragung eines Sanierungsgutachtens(1740) und Einbeziehung von W

issenschaftlern für deren Sanierung

Die nach M

ichelangelos Entwurf errichtete K

uppel (1590) wurde von B

aumeistern nach

den Erfahrungen an anderen Bauten, jedoch m

it einer Steigerung in den geometrischen

Abm

essungen, errichtet. Statisch konnte man sie 1590 noch nicht berechnen. 150 Jahre

nach deren Errichtung zeigte die Kuppel an ihrer B

asis Risse. Papst B

enedikt XIV

gabdeshalb zw

ei Gutachten in A

uftrag, und zwar eines an drei M

athematiker, es w

arennaturw

issenschaftlich gebildete Mönche in R

om, sow

ie eines an Giovanni Poleni,

Professor für Mathem

atik, Physik und Astronom

ie in Padua. Beide G

utachten kamen

unabhängig voneinander zur Erkenntnis, dass die Kuppel an ihrer B

asis eiserner Zug-ringe zu ihrer Verstärkung bedürfte.

Aus diesem

Beispiel lässt sich erkennen, dass neben den B

aumeistern das B

erufsbildeines analytisch arbeitenden B

aumeisters oder Fachm

annes, des späteren Ingenieurs, zurdam

aligen Zeit fehlte.

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

43

2.2N

aturwissenschaften

Im M

ittelalter betrieben fast ausschließlich die Klöster W

issenschaft. Der Schw

erpunktlag auf Them

en wie M

athematik, A

stronomie, Jurisprudenz, M

edizin, Religion und die

Schönen Künste.

Außerhalb der K

löster entwickelten sich ab dem

11. und 12. Jahrhundert die ersten Uni-

versitäten in Norditalien, später in O

xford. Im 13. und 14. Jahrhundert kam

en Paris, Prag,W

ien, Heidelberg und K

öln dazu. Diese U

niversitäten lehrten zunächst ähnlich wie die

Klöster. Es gab Fakultäten für Theologie, R

echt, Medizin und die so genannte „A

rtisten-fakultät”. D

iese umfasste sieben Fachgebiete, näm

lich Gram

matik, R

hetorik, Dialektik

und Arithm

etik, Geom

etrie, Musik und A

stronomie. D

iese Basisstudien w

aren vor derA

ufnahme in die erstgenannten Fächer zu absolvieren. Sie sehen hier noch durchaus

Parallelen zum heutigen Ingenieurstudium

, bei dem auch vor und m

it dem Studium

Grundlagenfächer zu belegen sind.

3.N

aturwissenschaften als G

rundlagen der Ingenieurwissenschaften

3.1Leonardo da Vinci (1452 - 1519)

Der große B

aumeister, K

ünstler und Wissenschaftler befasste sich bereits – w

ie schonvor ihm

und nach ihm viele B

aumeister – m

it dem K

räfteverlauf in Bauteilen, w

ie inK

uppeln und Bögen, und m

it der Biegefestigkeit von B

alken. Aber eine w

issenschaftlichfundierte Lösung konnte von ihm

noch nicht entwickelt w

erden.

3.2G

alileo Galilei (1564 – 1642)

Einer der ersten, der sich mit ingenieurw

issenschaftlichen Themen erfolgreich befasste,

war G

alileo Galilei. Seine A

usbildung erhielt er in einer Klosterschule, kam

mit 17 Jahren

an die Universität von Pisa, w

o er Medizin, M

athematik und Physik studierte und w

urdem

it 25 Jahren dort Professor für Mathem

atik. Er wechselte 3

Jahre später wegen eines

höheren Gehaltes an die U

niversität Padua, beschäftigte sich mit Pendelschw

ingungen.D

ie Fallversuche am Schiefen Turm

von Pisa sind wohl Legende. D

och die Fallgesetzekonnte er m

ittels theoretischer Überlegungen 1609 herleiten. Interessant ist, dass sich

Galileo G

alilei bereits mit der B

iegetragfähigkeit eines Kragbalkens befasste.

In den folgenden 100 Jahren, also von 1650 bis 1750 wurde von vielen W

issenschaftlerndie theoretische B

asis für die Ingenieurwissenschaften gelegt, so von

Manfred N

ußbaumer

42

Page 44: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

–M

ariotte (1620–1684), Hydro- und A

erostatik–

Huygens (1629–1695), M

athematiker, Physiker, u.a. Statik, H

ydrostatik–

Hooke (1635–1703), Elastizitätsgesetze

–N

ewton (1643–1727), G

ravitationsgesetze, Bew

egungsgleichungen–

Leibnitz (1646–1716), Mathem

atiker, Physiker, technischer Erfinder–

Jakob Bernoulli (1655–1705), M

athematiker, Infinitesim

alrechnung, Kettenlinie

–Euler (1707–1783), M

athematiker, Physiker, M

echanik, Strömungs- und

Biegelehre,

Veröffentlichungen: „Neue G

rundsätze der Artillerie” (1745), „Theorie des Schiff-

baus” (1749), „ Knickgleichung”

In weiteren 100 Jahren, also von 1750 bis 1850 w

urden diese Theorien zur Anw

endungin den Ingenieurw

issenschaften weiterentw

ickelt.–

Coulomb (1736–1806), Physiker, Ingenieuroffizier, „Theorie der einfachen M

aschi-nen” (1779), Torsion, Festigkeit, B

austatik, Reibungsgesetz, Erddruck-Theorie,

Elektrizitätsmenge C

(As).

–N

avier (1785 – 1836), Professor für Mechanik (1819), ab 1831 an der Ecole Poly-

technique, Elastomechanik, B

alken- und Plattenbiegung, Schwingung elastischer

Körper, B

austatik, Theorie der Hängebrücken, Ström

ungstheorie, Navier-Stokes-

Gleichung. N

avier schrieb sein erstes Vorlesungsskript (1826) als Buch, das 1851 ins

Deutsche übersetzt w

urde mit dem

Titel „Mechanik der B

aukunst oder Anw

endungder M

echanik auf das Gleichgew

icht von Bau-K

onstruktionen”.

3.3D

ie Kuppel des Petersdom

s, Beauftragung eines Sanierungsgutachtens(1740) und Einbeziehung von W

issenschaftlern für deren Sanierung

Die nach M

ichelangelos Entwurf errichtete K

uppel (1590) wurde von B

aumeistern nach

den Erfahrungen an anderen Bauten, jedoch m

it einer Steigerung in den geometrischen

Abm

essungen, errichtet. Statisch konnte man sie 1590 noch nicht berechnen. 150 Jahre

nach deren Errichtung zeigte die Kuppel an ihrer B

asis Risse. Papst B

enedikt XIV

gabdeshalb zw

ei Gutachten in A

uftrag, und zwar eines an drei M

athematiker, es w

arennaturw

issenschaftlich gebildete Mönche in R

om, sow

ie eines an Giovanni Poleni,

Professor für Mathem

atik, Physik und Astronom

ie in Padua. Beide G

utachten kamen

unabhängig voneinander zur Erkenntnis, dass die Kuppel an ihrer B

asis eiserner Zug-ringe zu ihrer Verstärkung bedürfte.

Aus diesem

Beispiel lässt sich erkennen, dass neben den B

aumeistern das B

erufsbildeines analytisch arbeitenden B

aumeisters oder Fachm

annes, des späteren Ingenieurs, zurdam

aligen Zeit fehlte.

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

43

2.2N

aturwissenschaften

Im M

ittelalter betrieben fast ausschließlich die Klöster W

issenschaft. Der Schw

erpunktlag auf Them

en wie M

athematik, A

stronomie, Jurisprudenz, M

edizin, Religion und die

Schönen Künste.

Außerhalb der K

löster entwickelten sich ab dem

11. und 12. Jahrhundert die ersten Uni-

versitäten in Norditalien, später in O

xford. Im 13. und 14. Jahrhundert kam

en Paris, Prag,W

ien, Heidelberg und K

öln dazu. Diese U

niversitäten lehrten zunächst ähnlich wie die

Klöster. Es gab Fakultäten für Theologie, R

echt, Medizin und die so genannte „A

rtisten-fakultät”. D

iese umfasste sieben Fachgebiete, näm

lich Gram

matik, R

hetorik, Dialektik

und Arithm

etik, Geom

etrie, Musik und A

stronomie. D

iese Basisstudien w

aren vor derA

ufnahme in die erstgenannten Fächer zu absolvieren. Sie sehen hier noch durchaus

Parallelen zum heutigen Ingenieurstudium

, bei dem auch vor und m

it dem Studium

Grundlagenfächer zu belegen sind.

3.N

aturwissenschaften als G

rundlagen der Ingenieurwissenschaften

3.1Leonardo da Vinci (1452 - 1519)

Der große B

aumeister, K

ünstler und Wissenschaftler befasste sich bereits – w

ie schonvor ihm

und nach ihm viele B

aumeister – m

it dem K

räfteverlauf in Bauteilen, w

ie inK

uppeln und Bögen, und m

it der Biegefestigkeit von B

alken. Aber eine w

issenschaftlichfundierte Lösung konnte von ihm

noch nicht entwickelt w

erden.

3.2G

alileo Galilei (1564 – 1642)

Einer der ersten, der sich mit ingenieurw

issenschaftlichen Themen erfolgreich befasste,

war G

alileo Galilei. Seine A

usbildung erhielt er in einer Klosterschule, kam

mit 17 Jahren

an die Universität von Pisa, w

o er Medizin, M

athematik und Physik studierte und w

urdem

it 25 Jahren dort Professor für Mathem

atik. Er wechselte 3

Jahre später wegen eines

höheren Gehaltes an die U

niversität Padua, beschäftigte sich mit Pendelschw

ingungen.D

ie Fallversuche am Schiefen Turm

von Pisa sind wohl Legende. D

och die Fallgesetzekonnte er m

ittels theoretischer Überlegungen 1609 herleiten. Interessant ist, dass sich

Galileo G

alilei bereits mit der B

iegetragfähigkeit eines Kragbalkens befasste.

In den folgenden 100 Jahren, also von 1650 bis 1750 wurde von vielen W

issenschaftlerndie theoretische B

asis für die Ingenieurwissenschaften gelegt, so von

Manfred N

ußbaumer

42

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4.1Entw

icklung neuer Baustoffe

Die aus der Frühzeit und dem

Mittelalter bekannten B

austoffe, die das Handw

erk imM

ittelalter verwendete, w

aren Holz, N

aturstein, Ziegel und in begrenztem M

aße Metalle

wie Eisen und B

lei.

Mit der Industrialisierung kam

en neue Baustoffe dazu. Zunächst G

usseisen, Eisen undspäter Stahl, die vorher nicht in größeren M

engen zur Verfügung gestellt werden konn-

ten. Diese M

aterialien erlaubten die Konstruktion von leichteren und w

eit gespannterenB

auwerken w

ie z.B. B

rücken, Glaspaläste und filigranen D

achkonstruktionen.

Aus der industriellen Produktion von Zem

ent um 1850 entw

ickelte sich in den folgenden20 Jahren durch M

onier, Hennebique u.a. der Eisenbeton, der um

die Jahrhundertwende

um 1900 seinen vollen Eingang in die B

autechnik fand.

Mit der A

nwendung von Eisenkonstruktionen entw

ickelten sich in den Manufakturen

und in Industriebetrieben neue Berufe w

ie der Eisen- und spätere Stahlbauschlosser, derStahlschm

elzer, der ungelernte Fabrikarbeiter.

4.2G

usseisen, Eisen

Zunächst verwendete m

an Gusseisenkonstruktionen. D

ie Anordnung einzelner G

uss-eisenelem

ente erfolgte so, dass diese fast ausschließlich auf Druck beansprucht w

urden.Erst um

1820 war Eisen in den erforderlichen M

engen verfügbar, dieses konnte ins-

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

45

4.H

andwerk in der Zeit der technischen R

evolution

Die Strukturen der Zünfte, die im

Mittelalter aus vielen G

ründen ihre Berechtigung hat-

ten, waren, w

ie bereits ausgeführt, mit der Französischen R

evolution auch Ziel derB

eseitigung. Die Zünfte standen auch anderen O

rts der Industriellen Revolution w

egenihrer starren Strukturen im

Wege. Preußen schaffte sie 1810 ab.

Während die Zünfte für die H

andwerker viele Einzelheiten und genau die G

renzen ihrerTätigkeit festlegten, entstanden m

it der Technischen Revolution völlig neue B

erufsbil-der, und zw

ar insbesondere im M

aschinenbau. So z.B. entstand der M

aschinenschlosser,der D

ampfm

aschinen, mechanische W

ebstühle oder Pumpen für den B

ergbau zu kon-struieren und zu bauen hatte. D

iese Berufsgruppen aus dem

Metallbereich hatten m

it denbestehenden B

erufsgruppen der Schmiede nur noch w

enig gemeinsam

.

Mit der A

bschaffung der Zünfte wurden auch die G

renzen zwischen den einzelnen Berufs-

gruppen imm

er mehr durchlässig. D

adurch wuchs Potential für N

eu- und Weiterent-

wicklungen. Im

Bauw

esen waren w

ichtige Handw

erksberufe der Zimm

ermann, der

Maurer, der D

achdecker, der Schreiner, der Spengler, der Brunnenbauer, der Ziegelbren-

ner, der Steinmetz.

Manfred N

ußbaumer

44 Abb. 1: D

ie Kuppel des Petersdom

s: Beauftra-

gung eines Sanierungsgutachtens (1740)unter Einbeziehung von W

issenschaftlern

Abb. 2:

Zugversuche und Ausführungs-

vorschläge für die Zugringe in der Peterskuppel

Abb. 3:

Kettenbrücke über den Avon (1840)

Page 46: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

4.1Entw

icklung neuer Baustoffe

Die aus der Frühzeit und dem

Mittelalter bekannten B

austoffe, die das Handw

erk imM

ittelalter verwendete, w

aren Holz, N

aturstein, Ziegel und in begrenztem M

aße Metalle

wie Eisen und B

lei.

Mit der Industrialisierung kam

en neue Baustoffe dazu. Zunächst G

usseisen, Eisen undspäter Stahl, die vorher nicht in größeren M

engen zur Verfügung gestellt werden konn-

ten. Diese M

aterialien erlaubten die Konstruktion von leichteren und w

eit gespannterenB

auwerken w

ie z.B. B

rücken, Glaspaläste und filigranen D

achkonstruktionen.

Aus der industriellen Produktion von Zem

ent um 1850 entw

ickelte sich in den folgenden20 Jahren durch M

onier, Hennebique u.a. der Eisenbeton, der um

die Jahrhundertwende

um 1900 seinen vollen Eingang in die B

autechnik fand.

Mit der A

nwendung von Eisenkonstruktionen entw

ickelten sich in den Manufakturen

und in Industriebetrieben neue Berufe w

ie der Eisen- und spätere Stahlbauschlosser, derStahlschm

elzer, der ungelernte Fabrikarbeiter.

4.2G

usseisen, Eisen

Zunächst verwendete m

an Gusseisenkonstruktionen. D

ie Anordnung einzelner G

uss-eisenelem

ente erfolgte so, dass diese fast ausschließlich auf Druck beansprucht w

urden.Erst um

1820 war Eisen in den erforderlichen M

engen verfügbar, dieses konnte ins-

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

45

4.H

andwerk in der Zeit der technischen R

evolution

Die Strukturen der Zünfte, die im

Mittelalter aus vielen G

ründen ihre Berechtigung hat-

ten, waren, w

ie bereits ausgeführt, mit der Französischen R

evolution auch Ziel derB

eseitigung. Die Zünfte standen auch anderen O

rts der Industriellen Revolution w

egenihrer starren Strukturen im

Wege. Preußen schaffte sie 1810 ab.

Während die Zünfte für die H

andwerker viele Einzelheiten und genau die G

renzen ihrerTätigkeit festlegten, entstanden m

it der Technischen Revolution völlig neue B

erufsbil-der, und zw

ar insbesondere im M

aschinenbau. So z.B. entstand der M

aschinenschlosser,der D

ampfm

aschinen, mechanische W

ebstühle oder Pumpen für den B

ergbau zu kon-struieren und zu bauen hatte. D

iese Berufsgruppen aus dem

Metallbereich hatten m

it denbestehenden B

erufsgruppen der Schmiede nur noch w

enig gemeinsam

.

Mit der A

bschaffung der Zünfte wurden auch die G

renzen zwischen den einzelnen Berufs-

gruppen imm

er mehr durchlässig. D

adurch wuchs Potential für N

eu- und Weiterent-

wicklungen. Im

Bauw

esen waren w

ichtige Handw

erksberufe der Zimm

ermann, der

Maurer, der D

achdecker, der Schreiner, der Spengler, der Brunnenbauer, der Ziegelbren-

ner, der Steinmetz.

Manfred N

ußbaumer

44 Abb. 1: D

ie Kuppel des Petersdom

s: Beauftra-

gung eines Sanierungsgutachtens (1740)unter Einbeziehung von W

issenschaftlern

Abb. 2:

Zugversuche und Ausführungs-

vorschläge für die Zugringe in der Peterskuppel

Abb. 3:

Kettenbrücke über den Avon (1840)

Page 47: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

Untertunnelungen, Sprengungen. U

m 1700 gründete der M

arquis de Bauban aus der

italienischen Tradition der „Architectura M

ilitaris” das „Corps des ingénieurs du génie

militaire”.

Um

1720 führten in Frankreich die wachsenden B

auaufgaben, und zwar auch w

egen derErrichtung von vielerlei M

anufakturen, zu einer Trennung in einen Zivil- und in einenM

ilitäringenieur.

Die Zivilingenieure vereinigten sich im

„Corps des ingénieurs des ponts et chaussées”.

Zur Ausbildung des N

achwuchses erfolgte 1747 die G

ründung der „Ecole des ponts etchaussées” als erste Ingenieurschule w

eltweit.

Wie bereits ausgeführt, ging N

avier (1785 – 1836) aus dieser Schule hervor und wurde

an der Ecole Polytechnique einer der bedeutendsten Lehrer seiner Zeit. Seine Vor-lesungen fanden europaw

eite Verbreitung und befruchteten das Ingenieurwesens

wesentlich.

Mit dem

Eisenbahnbau-Boom

zwischen 1850 und 1910 w

urden in Deutschland nicht nur

über 50.000km

Eisenbahnstrecken gebaut, sondern auch eine große Zahl von Brücken,

Tunneln und Bahnhofsgebäuden.

Diese Zeit w

ar in Deutschland auch die G

eburtsstunde von polytechnischen Schulen zurA

usbildung von Technikern und Ingenieuren. Die erste G

ründung erfolgte wohl in K

arls-ruhe 1825. Einige dieser polytechnischen Schulen w

urden bis Ende des 19. Jahrhundertszu Technischen H

ochschulen ernannt. In diesen Schulen erfolgte eine systematische und

breite Ingenieurausbildung.

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

47

besondere auch Zugbeanspruchungen aufnehmen. Es ist beeindruckend, dass bereits

kurz nach 1800 damit die ersten H

ängebrücken gebaut wurden.

4.3Eisenbeton

Die „alten” Berufsgruppen hatten zunächst ihren H

alt in den aus den Zünften überliefertenR

egeln und Fertigkeiten. Da diese R

egeln aber auf empirischer B

asis beruhten, taten sichdie B

aumeister und H

andwerker in der A

nwendung neuer M

aterialien zunächst schwer.

Meist verw

endeten selbst die Baum

eister und die ab 1850 in Ingenieurschulen ausgebil-deten Ingenieure herköm

mliche K

onstruktionsformen. Selbst die Stahlbauten und Stahl-

betonbauten konnten bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts den Einfluss desH

olzbaus oft nicht verleugnen!

Manfred N

ußbaumer

46 Abb. 4: Stegbew

ehrung nach Coignet

Abb. 5:

Übliche B

alkenanschlüsse mittels

Vouten, Hennebique

Abb. 6: Eisenbahnstreckennetz von 1850 ...

... und 1885

Interessant sind die ersten monolithischen Stahlbetonbauten für die Industrie, die ausge-

sprochen filigran mit schm

alen Trägern und Unterzügen und dünnen D

eckenplattenerstellt w

urden. Häufig w

urden die Träger in Auflagernähe m

it Vouten versehen, dieStützen w

urden mit A

ufweitungen unter den H

auptträgern hergestellt.

5.B

erufsgruppe des Ingenieurs

Die B

ezeichnung Ingenieur tauchte das erste Mal vereinzelt in Frankreich in Verbindung

mit dem

Militär um

1500 auf. Um

etwa 1700 w

ar diese Bezeichnung auch in D

eutsch-land zu finden, und zw

ar zuerst in Dresden.

Männer m

it der Berufsbezeichnung Ingenieur befassten sich zur dam

aligen Zeit mit

Festungsbau, Straßenbau, Ballistik der G

eschütze, festungsbrechenden Techniken wie

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Untertunnelungen, Sprengungen. U

m 1700 gründete der M

arquis de Bauban aus der

italienischen Tradition der „Architectura M

ilitaris” das „Corps des ingénieurs du génie

militaire”.

Um

1720 führten in Frankreich die wachsenden B

auaufgaben, und zwar auch w

egen derErrichtung von vielerlei M

anufakturen, zu einer Trennung in einen Zivil- und in einenM

ilitäringenieur.

Die Zivilingenieure vereinigten sich im

„Corps des ingénieurs des ponts et chaussées”.

Zur Ausbildung des N

achwuchses erfolgte 1747 die G

ründung der „Ecole des ponts etchaussées” als erste Ingenieurschule w

eltweit.

Wie bereits ausgeführt, ging N

avier (1785 – 1836) aus dieser Schule hervor und wurde

an der Ecole Polytechnique einer der bedeutendsten Lehrer seiner Zeit. Seine Vor-lesungen fanden europaw

eite Verbreitung und befruchteten das Ingenieurwesens

wesentlich.

Mit dem

Eisenbahnbau-Boom

zwischen 1850 und 1910 w

urden in Deutschland nicht nur

über 50.000km

Eisenbahnstrecken gebaut, sondern auch eine große Zahl von Brücken,

Tunneln und Bahnhofsgebäuden.

Diese Zeit w

ar in Deutschland auch die G

eburtsstunde von polytechnischen Schulen zurA

usbildung von Technikern und Ingenieuren. Die erste G

ründung erfolgte wohl in K

arls-ruhe 1825. Einige dieser polytechnischen Schulen w

urden bis Ende des 19. Jahrhundertszu Technischen H

ochschulen ernannt. In diesen Schulen erfolgte eine systematische und

breite Ingenieurausbildung.

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

47

besondere auch Zugbeanspruchungen aufnehmen. Es ist beeindruckend, dass bereits

kurz nach 1800 damit die ersten H

ängebrücken gebaut wurden.

4.3Eisenbeton

Die „alten” Berufsgruppen hatten zunächst ihren H

alt in den aus den Zünften überliefertenR

egeln und Fertigkeiten. Da diese R

egeln aber auf empirischer B

asis beruhten, taten sichdie B

aumeister und H

andwerker in der A

nwendung neuer M

aterialien zunächst schwer.

Meist verw

endeten selbst die Baum

eister und die ab 1850 in Ingenieurschulen ausgebil-deten Ingenieure herköm

mliche K

onstruktionsformen. Selbst die Stahlbauten und Stahl-

betonbauten konnten bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts den Einfluss desH

olzbaus oft nicht verleugnen!

Manfred N

ußbaumer

46 Abb. 4: Stegbew

ehrung nach Coignet

Abb. 5:

Übliche B

alkenanschlüsse mittels

Vouten, Hennebique

Abb. 6: Eisenbahnstreckennetz von 1850 ...

... und 1885

Interessant sind die ersten monolithischen Stahlbetonbauten für die Industrie, die ausge-

sprochen filigran mit schm

alen Trägern und Unterzügen und dünnen D

eckenplattenerstellt w

urden. Häufig w

urden die Träger in Auflagernähe m

it Vouten versehen, dieStützen w

urden mit A

ufweitungen unter den H

auptträgern hergestellt.

5.B

erufsgruppe des Ingenieurs

Die B

ezeichnung Ingenieur tauchte das erste Mal vereinzelt in Frankreich in Verbindung

mit dem

Militär um

1500 auf. Um

etwa 1700 w

ar diese Bezeichnung auch in D

eutsch-land zu finden, und zw

ar zuerst in Dresden.

Männer m

it der Berufsbezeichnung Ingenieur befassten sich zur dam

aligen Zeit mit

Festungsbau, Straßenbau, Ballistik der G

eschütze, festungsbrechenden Techniken wie

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Der unbew

ehrte Beton w

urde noch bis 1950 als Stampfbeton für Fundam

ente undSchw

ergewichtsm

auern eingebracht. Mit dem

Einzug des Innenrüttlers in den 50erJahren verschw

anden die Stampfbetonkonstruktionen. Ein w

esentlich homogenerer Beton

war herstellbar.

Der Eisenbeton/Stahlbeton w

ar im B

auwesen eine R

evolution, die in Deutschland im

Jahre 1884 mit dem

Erwerb der M

onier-Patente durch Conrad Freytag begann.

Mit dem

Erwerb der H

ennebique-Lizenz durch Eduard Züblin wurde die Stahlbetonan-

wendung w

eiter beschleunigt. Der Plattenbalken, die B

ügel und die Schubbewehrung

wurden erfunden.

Diese neue B

auweise erforderte für die H

erstellung der Schalungen den Einsatz einesbestehenden H

andwerksberufes, den des Zim

merm

anns. Es entwickelte sich daraus der

Schalungszimm

ermann. A

m B

eginn des Stahlbetons waren die Schalungen w

egen derfiligranen K

onstruktionen richtige Meisterstücke. D

ie hohe Qualität der Zim

merm

anns-leistung kann m

an noch heute an Stahlbetonbauten erkennen, die um die Jahrhundert-

wende errichtet w

urden.

Die B

ewehrung w

urde anfangs ebenfalls von Zimm

erleuten und von Maurern eingelegt,

letztere brachten auch den Beton ein und verdichteten durch Stochern und K

lopfen gegendie Schalungen. Für die Schalungsherstellung, das Bew

ehren und Betonieren entwickelte

sich nach 1950 die Berufsgruppe des B

etonbauers.

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

49

Die B

auten, insbesondere der Bahn, aus dieser Zeit zeugen von großem

Ingenieurmut

und großer Ingenieurkunst, aber auch von den großen Leistungen des Handw

erks.

6.Ingenieur und H

andwerk im

19. Jahrhundert

Die Ingenieure im

19. Jahrhundert waren durch ihre physikorientierte, theoretische A

us-bildung gegenüber den B

aumeistern von früher in der Lage, ihre K

onstruktionen zuberechnen. B

ei den Details hielten sie sich aber sehr an dam

als bekannte handwerkliche

Fertigkeiten.

Im Stahlbau w

aren Nieten das w

esentliche Verbindungsmittel, im

Holzbau die bekannten

Abbundtechniken der Zim

merleute. Im

Mauerw

erksbau änderte sich wenig.

Mit dem

Beton und Eisenbeton kam

en zwei neue B

austoffe, die zunächst sowohl von

den Ingenieuren als auch von den Handw

erkern wie M

auerwerksbau bzw. H

olzbaubehandelt w

urden.

Manfred N

ußbaumer

48 Abb. 7: Schw

albenschwanz-Verblattung

um 1600

Abb. 8: G

ußeiserne Säule im großen Lesesaal

der Bibliothèque N

ationale, Paris, 1861-1869, H

enri Labrouste

Abb. 10:C

hur-Arosa B

ahn, Lehrgerüst (1912), von Ed. Züblin

Abb. 9:

Moniers österreichisches „Privilegium

“(1879): B

eschreibung der Erfindung von C

onstructionen aus Eisen und Cem

ent für Schwellen, Canäle, Brücken,

Treppen und andere ähnliche Artikel

Page 50: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

Der unbew

ehrte Beton w

urde noch bis 1950 als Stampfbeton für Fundam

ente undSchw

ergewichtsm

auern eingebracht. Mit dem

Einzug des Innenrüttlers in den 50erJahren verschw

anden die Stampfbetonkonstruktionen. Ein w

esentlich homogenerer Beton

war herstellbar.

Der Eisenbeton/Stahlbeton w

ar im B

auwesen eine R

evolution, die in Deutschland im

Jahre 1884 mit dem

Erwerb der M

onier-Patente durch Conrad Freytag begann.

Mit dem

Erwerb der H

ennebique-Lizenz durch Eduard Züblin wurde die Stahlbetonan-

wendung w

eiter beschleunigt. Der Plattenbalken, die B

ügel und die Schubbewehrung

wurden erfunden.

Diese neue B

auweise erforderte für die H

erstellung der Schalungen den Einsatz einesbestehenden H

andwerksberufes, den des Zim

merm

anns. Es entwickelte sich daraus der

Schalungszimm

ermann. A

m B

eginn des Stahlbetons waren die Schalungen w

egen derfiligranen K

onstruktionen richtige Meisterstücke. D

ie hohe Qualität der Zim

merm

anns-leistung kann m

an noch heute an Stahlbetonbauten erkennen, die um die Jahrhundert-

wende errichtet w

urden.

Die B

ewehrung w

urde anfangs ebenfalls von Zimm

erleuten und von Maurern eingelegt,

letztere brachten auch den Beton ein und verdichteten durch Stochern und K

lopfen gegendie Schalungen. Für die Schalungsherstellung, das Bew

ehren und Betonieren entwickelte

sich nach 1950 die Berufsgruppe des B

etonbauers.

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

49

Die B

auten, insbesondere der Bahn, aus dieser Zeit zeugen von großem

Ingenieurmut

und großer Ingenieurkunst, aber auch von den großen Leistungen des Handw

erks.

6.Ingenieur und H

andwerk im

19. Jahrhundert

Die Ingenieure im

19. Jahrhundert waren durch ihre physikorientierte, theoretische A

us-bildung gegenüber den B

aumeistern von früher in der Lage, ihre K

onstruktionen zuberechnen. B

ei den Details hielten sie sich aber sehr an dam

als bekannte handwerkliche

Fertigkeiten.

Im Stahlbau w

aren Nieten das w

esentliche Verbindungsmittel, im

Holzbau die bekannten

Abbundtechniken der Zim

merleute. Im

Mauerw

erksbau änderte sich wenig.

Mit dem

Beton und Eisenbeton kam

en zwei neue B

austoffe, die zunächst sowohl von

den Ingenieuren als auch von den Handw

erkern wie M

auerwerksbau bzw. H

olzbaubehandelt w

urden.

Manfred N

ußbaumer

48 Abb. 7: Schw

albenschwanz-Verblattung

um 1600

Abb. 8: G

ußeiserne Säule im großen Lesesaal

der Bibliothèque N

ationale, Paris, 1861-1869, H

enri Labrouste

Abb. 10:C

hur-Arosa B

ahn, Lehrgerüst (1912), von Ed. Züblin

Abb. 9:

Moniers österreichisches „Privilegium

“(1879): B

eschreibung der Erfindung von C

onstructionen aus Eisen und Cem

ent für Schwellen, Canäle, Brücken,

Treppen und andere ähnliche Artikel

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Gleichzeitig entw

ickelten sich die so genannten Drahtkabelbrücken, von denen 1834 die

damals größte über das Saanetal in Fribourg/Schw

eiz mit einer Spannw

eite von 273M

eter in Betrieb genom

men w

urde. Nur m

it bestem Puddeleisen w

ar die gleichmäßige

und hohe Qualität solcher D

rahtkabel zu erreichen.

Die erste große B

alkenbrücke aus Stahl, die Britannia-B

rücke, entstand 1850 mit bereits

140 m Stützw

eite wieder über die M

enai-Street im N

ordwales für eine Eisenbahnverbin-

dung zur Insel/Anglesey. D

ie Brücke bestand aus einem

vom Zug befahrbaren K

asten-querschnitt m

it Ober- und U

ntergurt aus Walzprofilen, die kurz zuvor ebenfalls herstell-

bar waren. D

en Kastenquerschnitt bildeten die seitlichen Stegbleche. D

iese waren m

itO

ber- und Untergurt kraftschlüssig m

it Nieten verbunden und gegen B

eulen ausgesteift.A

ls Verbindungsmittel all dieser Elem

ente kamen zehntausende von N

ieten zum Einsatz.

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

51

7.Zusam

menw

irken von Ingenieur und Handw

erker bei technischenEntw

icklungen im B

auwesen

Die größten technischen Entw

icklungen im B

auwesen erfolgten zum

einen auf demG

ebiet von neuartigen Konstruktionen und B

austoffen und zum anderen durch die A

n-w

endung von Bauverfahren und durch den Einsatz von M

aschinen. Lassen Sie mich dies

an Entwicklungen im

Brückenbau beispielhaft darstellen. Ingenieure und H

andwerker

hatten dabei gleichermaßen ihre Verdienste.

8.Eisen- und Stahlbrücken, Stahlkonstruktionen

Folgender Abschnitt ist zum

großen Teil aus Veröffentlichungen von Prof. Wieland Ram

mentnom

men, dem

ich dafür meinen D

ank aussprechen möchte.

Ab 1780 entstanden zunächst in England gusseiserne B

rücken. Mit der industriellen

Eisenproduktion ab 1820 waren ausreichend schm

iedbare Eisenmengen verfügbar, um

Kettenglieder für so genannte K

ettenbrücken herzustellen. Die K

ettenglieder bestandenaus geschm

iedeten Augenstäben, bei denen die B

olzenlöcher und die Verbreiterung andiesen von Schm

ieden herausgehämm

ert werden m

ussten. Die Berechnung solcher K

etten-brücken stellte dam

als wohl kein unlösbares Problem

mehr dar.

Im Jahr 1826 w

urde die damals größte K

ettenbrücke, die Brücke über die M

enai Streetim

Westen Englands, m

it einer Spannweite von bereits 176 M

eter dem Verkehr übergeben.

Manfred N

ußbaumer

50 Abb. 11:

Coalbrookdale bridge (1779)

Abb. 13:Spannbett zur Ü

berprüfung der Kettentragfähigkeit beim

Bau der Panteleimon-K

ettenbrückein St. Petersburg von 1824 (nach einem

Stich)

Abb. 12:C

oalbrookdale bridge, D

etail A

bb. 14:Kettenbrücke von 1826 über die M

enai Strait im W

esten Englands, m

it einer Spannweite von bereits 176 M

eter (nach einer Lithographie)

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Gleichzeitig entw

ickelten sich die so genannten Drahtkabelbrücken, von denen 1834 die

damals größte über das Saanetal in Fribourg/Schw

eiz mit einer Spannw

eite von 273M

eter in Betrieb genom

men w

urde. Nur m

it bestem Puddeleisen w

ar die gleichmäßige

und hohe Qualität solcher D

rahtkabel zu erreichen.

Die erste große B

alkenbrücke aus Stahl, die Britannia-B

rücke, entstand 1850 mit bereits

140 m Stützw

eite wieder über die M

enai-Street im N

ordwales für eine Eisenbahnverbin-

dung zur Insel/Anglesey. D

ie Brücke bestand aus einem

vom Zug befahrbaren K

asten-querschnitt m

it Ober- und U

ntergurt aus Walzprofilen, die kurz zuvor ebenfalls herstell-

bar waren. D

en Kastenquerschnitt bildeten die seitlichen Stegbleche. D

iese waren m

itO

ber- und Untergurt kraftschlüssig m

it Nieten verbunden und gegen B

eulen ausgesteift.A

ls Verbindungsmittel all dieser Elem

ente kamen zehntausende von N

ieten zum Einsatz.

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

51

7.Zusam

menw

irken von Ingenieur und Handw

erker bei technischenEntw

icklungen im B

auwesen

Die größten technischen Entw

icklungen im B

auwesen erfolgten zum

einen auf demG

ebiet von neuartigen Konstruktionen und B

austoffen und zum anderen durch die A

n-w

endung von Bauverfahren und durch den Einsatz von M

aschinen. Lassen Sie mich dies

an Entwicklungen im

Brückenbau beispielhaft darstellen. Ingenieure und H

andwerker

hatten dabei gleichermaßen ihre Verdienste.

8.Eisen- und Stahlbrücken, Stahlkonstruktionen

Folgender Abschnitt ist zum

großen Teil aus Veröffentlichungen von Prof. Wieland R

amm

entnomm

en, dem ich dafür m

einen Dank aussprechen m

öchte.

Ab 1780 entstanden zunächst in England gusseiserne B

rücken. Mit der industriellen

Eisenproduktion ab 1820 waren ausreichend schm

iedbare Eisenmengen verfügbar, um

Kettenglieder für so genannte K

ettenbrücken herzustellen. Die K

ettenglieder bestandenaus geschm

iedeten Augenstäben, bei denen die B

olzenlöcher und die Verbreiterung andiesen von Schm

ieden herausgehämm

ert werden m

ussten. Die Berechnung solcher K

etten-brücken stellte dam

als wohl kein unlösbares Problem

mehr dar.

Im Jahr 1826 w

urde die damals größte K

ettenbrücke, die Brücke über die M

enai Streetim

Westen Englands, m

it einer Spannweite von bereits 176 M

eter dem Verkehr übergeben.

Manfred N

ußbaumer

50 Abb. 11:

Coalbrookdale bridge (1779)

Abb. 13:Spannbett zur Ü

berprüfung der Kettentragfähigkeit beim

Bau der Panteleim

on-Kettenbrücke

in St. Petersburg von 1824 (nach einem Stich)

Abb. 12:C

oalbrookdale bridge, D

etail A

bb. 14:Kettenbrücke von 1826 über die M

enai Strait im W

esten Englands, m

it einer Spannweite von bereits 176 M

eter (nach einer Lithographie)

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In der zweiten H

älfte des 19. Jahrhunderts kamen zu den H

ängebrücken und BalkenbrückenStahlfachw

erkkonstruktionen. Diese w

urden im großen Stil für die Eisenbahn gebaut

und zwar für B

rücken, aber auch in sehr filigraner Bauw

eise für die großen Bahnhofs-

hallen. Viele dieser Bauten erfüllen noch heute ihren D

ienst.

Zur Herstellung all dieser Stahlkonstruktionen entw

ickelten sich Stahlwalzw

erke undStahlbaubetriebe m

it Fachpersonal für diese Produktionen und für die Montagen. D

ieschw

ierigen und oft waghalsigen K

onstruktionen dieser Zeit wären ohne die großen

handwerklichen Fähigkeiten dieses Fachpersonals nicht um

setzbar gewesen.

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

53

Eine Weiterentw

icklung des vollwandigen K

artenquerschnitts stellt die Gitterbrücke

über die Weichsel bei D

irschau dar.

Der B

au der Ketten-, der D

rahtseil- und der Balkenbrücken in Stahl erforderten großes

handwerkliches G

eschick. Vieles an diesen Konstruktionen w

ar neu, wie das Zusam

-m

enfügen von großen Stahlelementen und das Einbringen von Tausenden von N

ietenund insbesondere auch deren kraftschlüssige H

erstellung. Das H

erstellen der Drahtseile,

deren Verankerung und die Montage dieser Brücken w

aren Neuland, das ohne eine solide

Handw

erksausbildung nicht erfolgreich begangen hätte werden können.

Manfred N

ußbaumer

52 Abb. 15:D

rahtkabelbrücke von 1834 über das Saanetal in Fribourg/Schweiz m

it einer Spannweite

von 273 Meter (nach einer Federzeichnung von K

arl Friedrich Schinkel)

Abb. 16:Einschw

imm

en eines fertigen Überbaus der B

ritannia-B

rücke (nach einer Lithographie aus der Bauzeit)

Abb.17:

Britannia B

ridge, O

riginalstück aus der abgebrochenenB

rücke

Abb. 18:D

ie alte Weichselbrücke D

irschau entstand von 1850 bis 1857 als 6-feldrige G

itterbrücke mit einer Spannw

eite von insgesam

t 131 Meter (Stich nach einer Lithographie)

Abb. 19:H

eutiger Zustand

Abb. 20:Palm

enhaus, Botanischen G

ärten, Kew, Surrey, U

K, von

1844–1848

Page 54: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

In der zweiten H

älfte des 19. Jahrhunderts kamen zu den H

ängebrücken und BalkenbrückenStahlfachw

erkkonstruktionen. Diese w

urden im großen Stil für die Eisenbahn gebaut

und zwar für B

rücken, aber auch in sehr filigraner Bauw

eise für die großen Bahnhofs-

hallen. Viele dieser Bauten erfüllen noch heute ihren D

ienst.

Zur Herstellung all dieser Stahlkonstruktionen entw

ickelten sich Stahlwalzw

erke undStahlbaubetriebe m

it Fachpersonal für diese Produktionen und für die Montagen. D

ieschw

ierigen und oft waghalsigen K

onstruktionen dieser Zeit wären ohne die großen

handwerklichen Fähigkeiten dieses Fachpersonals nicht um

setzbar gewesen.

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

53

Eine Weiterentw

icklung des vollwandigen K

artenquerschnitts stellt die Gitterbrücke

über die Weichsel bei D

irschau dar.

Der B

au der Ketten-, der D

rahtseil- und der Balkenbrücken in Stahl erforderten großes

handwerkliches G

eschick. Vieles an diesen Konstruktionen w

ar neu, wie das Zusam

-m

enfügen von großen Stahlelementen und das Einbringen von Tausenden von N

ietenund insbesondere auch deren kraftschlüssige H

erstellung. Das H

erstellen der Drahtseile,

deren Verankerung und die Montage dieser Brücken w

aren Neuland, das ohne eine solide

Handw

erksausbildung nicht erfolgreich begangen hätte werden können.

Manfred N

ußbaumer

52 Abb. 15:D

rahtkabelbrücke von 1834 über das Saanetal in Fribourg/Schweiz m

it einer Spannweite

von 273 Meter (nach einer Federzeichnung von K

arl Friedrich Schinkel)

Abb. 16:Einschw

imm

en eines fertigen Überbaus der B

ritannia-B

rücke (nach einer Lithographie aus der Bauzeit)

Abb.17:

Britannia B

ridge, O

riginalstück aus der abgebrochenenB

rücke

Abb. 18:D

ie alte Weichselbrücke D

irschau entstand von 1850 bis 1857 als 6-feldrige G

itterbrücke mit einer Spannw

eite von insgesam

t 131 Meter (Stich nach einer Lithographie)

Abb. 19:H

eutiger Zustand

Abb. 20:Palm

enhaus, Botanischen G

ärten, Kew, Surrey, U

K, von

1844–1848

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letzten Jahrhunderts Verfahrensverbesserungen erforderlich, um die steigenden Lohn-

kosten für diese Betonbrückenbauten zu kom

pensieren.

So entstanden im B

rückenbau insbesondere Verbesserungen an den Lehrgerüsten. Es ent-w

ickelten sich Vorschubrüstungen, mittels denen die gesam

te Schalung auf großen Stahl-trägern, die sich von Pfeiler zu Pfeiler fortbew

egten, feldweise verschoben w

erden konnte.

Es entstand eine weitere Variante der Freivorbau von B

rücken. Des W

eiteren begannm

an mit dem

Einschieben von ganzen Brückenkonstruktionen oder aber auch von Teil-

konstruktionen von einer Fertigungsstelle aus, dem so genannten Taktschieben.

Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von Stahlbetonkonstruktionen im

Hoch-, G

e-w

erbe- und Industriebau wurden ab den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts verm

ehrtB

etonfertigteile eingesetzt. Es entstanden Fertigteilwerke, bei denen m

it Systemschalun-

gen Stahl- und Spannbetonelemente hergestellt w

erden konnten. Trotz der Entwicklung

von Systembauten blieb die H

erstellung von Stahlbetonfertigteilen meist einer indivi-

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

55

Ab der M

itte des 20. Jahrhunderts lösten Schweißkonstruktionen die N

ietkonstruktionenab. Es entw

ickelte sich der Beruf des Schw

eißers, der erhebliche Fachkompetenzen

benötigte.

9.B

eton-, Eisenbeton-, Stahlbeton- und Spannbetonkonstruktionen

Mit Ende des 19. Jahrhunderts begann der Siegeszug des B

etons und Stahlbetons. Zu-nächst w

urden Eisenstäbe oder Eisengitter als Bew

ehrung des Betons eingelegt. D

urchVerbesserung der Technologie zur Eisenerzeugung standen im

beginnenden 20.Jahr-

hundert Stahlstäbe mit höheren Festigkeiten als B

ewehrung zur Verfügung.

Neben der handw

erklichen Um

setzung dieser Bauart galt es, eine Theorie für die B

e-m

essung von Eisen- und Stahlbetonkonstruktionen zu entwickeln. D

er Ingenieur Koenen,

ausgebildet an der Berliner B

auakademie, der Vorläuferin der Technischen H

ochschulein B

erlin, entwickelte bereits 1886 eine B

iegetheorie für Balken und Platten, m

it der eineD

imensionierung solcher B

auteile möglich w

urde. Mit der G

ründung des Betonvereins

im Jahr 1898 w

urde der Baustoff Eisen-/Stahlbeton zum

Allgem

eingut und trat seinenSiegeszug in allen Sektoren des B

auwesens an. D

er Betonverein förderte die B

auart„B

eton und Stahlbeton”, brachte Bem

essungsregeln heraus und war im

Norm

enwesen

tätig. Diese A

ufgaben hat er bis heute inne.

Bereits 1904 stellte m

an mit dem

neuen Baustoff Stahlbeton die Isarbrücke bei G

rünwald

mit zw

ei 70 m w

eit gespannten Bögen und einer aufgeständerten Fahrbahn her. Unzählige

weitere B

rückenbauten in Stahlbeton folgten. Viele der Fabrikanlagen, Wasserbauten,

Silos und Gründungen w

urden ab 1900 in Stahlbetonbauweise hergestellt.

Ab den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts folgten Spannbetonkonstruktionen für

Brücken, aber auch für w

eit gespannte Decken und D

achkonstruktionen. Parallel zurW

eiterentwicklung von K

onstruktionen und Materialien w

aren ab den 60er Jahren des

Manfred N

ußbaumer

54 Abb. 21:Eingespannte Voutenplatte für D

ecken, Brücken o. dgl.

Patent von Matthias K

oenen, 1897

Abb. 22:Illbrücke bei Sand, 1908, von

Ed. Züblin A

bb. 23:Vorschubrüstung Hochstraße über den

Main, H

ochheim, 1963–1966

Abb. 24:K

rungthep Brücke, B

angkok Bauzeit

1996–1999A

bb. 25:Seidewitztalbrücke bei D

ohna Bauzeit

2004–2006

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letzten Jahrhunderts Verfahrensverbesserungen erforderlich, um die steigenden Lohn-

kosten für diese Betonbrückenbauten zu kom

pensieren.

So entstanden im B

rückenbau insbesondere Verbesserungen an den Lehrgerüsten. Es ent-w

ickelten sich Vorschubrüstungen, mittels denen die gesam

te Schalung auf großen Stahl-trägern, die sich von Pfeiler zu Pfeiler fortbew

egten, feldweise verschoben w

erden konnte.

Es entstand eine weitere Variante der Freivorbau von B

rücken. Des W

eiteren begannm

an mit dem

Einschieben von ganzen Brückenkonstruktionen oder aber auch von Teil-

konstruktionen von einer Fertigungsstelle aus, dem so genannten Taktschieben.

Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von Stahlbetonkonstruktionen im

Hoch-, G

e-w

erbe- und Industriebau wurden ab den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts verm

ehrtB

etonfertigteile eingesetzt. Es entstanden Fertigteilwerke, bei denen m

it Systemschalun-

gen Stahl- und Spannbetonelemente hergestellt w

erden konnten. Trotz der Entwicklung

von Systembauten blieb die H

erstellung von Stahlbetonfertigteilen meist einer indivi-

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

55

Ab der M

itte des 20. Jahrhunderts lösten Schweißkonstruktionen die N

ietkonstruktionenab. Es entw

ickelte sich der Beruf des Schw

eißers, der erhebliche Fachkompetenzen

benötigte.

9.B

eton-, Eisenbeton-, Stahlbeton- und Spannbetonkonstruktionen

Mit Ende des 19. Jahrhunderts begann der Siegeszug des B

etons und Stahlbetons. Zu-nächst w

urden Eisenstäbe oder Eisengitter als Bew

ehrung des Betons eingelegt. D

urchVerbesserung der Technologie zur Eisenerzeugung standen im

beginnenden 20.Jahr-

hundert Stahlstäbe mit höheren Festigkeiten als B

ewehrung zur Verfügung.

Neben der handw

erklichen Um

setzung dieser Bauart galt es, eine Theorie für die B

e-m

essung von Eisen- und Stahlbetonkonstruktionen zu entwickeln. D

er Ingenieur Koenen,

ausgebildet an der Berliner B

auakademie, der Vorläuferin der Technischen H

ochschulein B

erlin, entwickelte bereits 1886 eine B

iegetheorie für Balken und Platten, m

it der eineD

imensionierung solcher B

auteile möglich w

urde. Mit der G

ründung des Betonvereins

im Jahr 1898 w

urde der Baustoff Eisen-/Stahlbeton zum

Allgem

eingut und trat seinenSiegeszug in allen Sektoren des B

auwesens an. D

er Betonverein förderte die B

auart„B

eton und Stahlbeton”, brachte Bem

essungsregeln heraus und war im

Norm

enwesen

tätig. Diese A

ufgaben hat er bis heute inne.

Bereits 1904 stellte m

an mit dem

neuen Baustoff Stahlbeton die Isarbrücke bei G

rünwald

mit zw

ei 70 m w

eit gespannten Bögen und einer aufgeständerten Fahrbahn her. Unzählige

weitere B

rückenbauten in Stahlbeton folgten. Viele der Fabrikanlagen, Wasserbauten,

Silos und Gründungen w

urden ab 1900 in Stahlbetonbauweise hergestellt.

Ab den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts folgten Spannbetonkonstruktionen für

Brücken, aber auch für w

eit gespannte Decken und D

achkonstruktionen. Parallel zurW

eiterentwicklung von K

onstruktionen und Materialien w

aren ab den 60er Jahren des

Manfred N

ußbaumer

54 Abb. 21:Eingespannte Voutenplatte für D

ecken, Brücken o. dgl.

Patent von Matthias K

oenen, 1897

Abb. 22:Illbrücke bei Sand, 1908, von

Ed. Züblin A

bb. 23:Vorschubrüstung Hochstraße über den

Main, H

ochheim, 1963–1966

Abb. 24:K

rungthep Brücke, B

angkok Bauzeit

1996–1999A

bb. 25:Seidewitztalbrücke bei D

ohna Bauzeit

2004–2006

Page 57: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

Nunm

ehr gilt es das in den Hintergrund getretene H

andwerk hervorzuheben. H

and-w

erkliche Fähigkeiten wurden und w

erden gebraucht. Um

diese zu erhalten und sicherzu stellen, ist eine qualifizierte A

usbildung Grundvoraussetzung.

11.H

andwerkliche Fertigkeiten – B

erufsausbildung heute

Die B

erufsausbildung im B

auhandwerk erfolgt nach dem

sogenannten Dualen A

usbil-dungssystem

. Die B

erufsausbildung gliedert sich in sogenannte Blöcke, und zw

ar inA

usbildungsblöcke im B

etrieb, in Blöcke in überbetrieblichen A

usbildungszentren undin den B

erufsschulbesuch.

Mit jedem

Ausbildungsjahr nim

mt der betriebliche A

usbildungsteil zu. Der A

bschlusserfolgt nach 2 Jahren m

it der Baufacharbeiterprüfung, nach einer insgesam

t 3-jährigenA

usbildung mit der Spezial-B

aufacharbeiterprüfung.

12.H

andwerksberufe im

Hoch- und A

usbau am B

eispiel desTrockenbaum

onteurs

Für den Hochbau brauchen w

ir spezialisierte Handw

erke. Seit 1974 gibt es z.B. den

Ausbildungsberuf des Trockenbaum

onteurs. Dieser verw

endet Gipskartonplatten und

metallene Profile als Tragelem

ente. Die m

etallenen Tragsysteme w

urden sicherlich inZusam

menarbeit m

it Ingenieuren, Architekten und erfahrenen H

andwerkern entw

ickelt.

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

57

duellen Fertigung vorbehalten. Lediglich für die Plattenbauten im dam

aligen Ostblock

waren die B

auelemente so standardisiert, dass teilw

eise eine projektunabhängige Pro-duktion von Einzelelem

enten möglich w

ar.

Die w

eitere Entwicklung in der H

erstellung von Betonkonstruktionen konzentrierte sich

insbesondere auf einfach zu handhabende Schalungen. Diese Schalungen verfügen zu-

dem über hohe Q

ualitäten im B

ezug auf Formtreue und D

ichtheit.

10.Fazit zum

Brückenbau

Detailliert und nuanciert w

urde die technische Innovationskraft im Ingenieurbau und die

Entwicklung von der Technik zum

Verfahren am B

eispiel des Brückenbaus dargestellt.

Manfred N

ußbaumer

56 Abb. 26:Einschieben der W

aldshuter Brücke als ganze B

rücken-konstruktion, vor 1876

Abb. 27:Einschieben von ganzen B

rückenkon-struktionen: B

rücke über den Rio

Caroni, Venezuela B

auzeit 1962–1964

Abb. 28:B

etonfertigteilkonstruktion: Brücke

über den Sungai Prai, Butterw

orth B

auzeit 2003–2005

Abb. 29:System

schalungen: Selbstkletternde Schalung, Wand- und

Deckenschalung

Page 58: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

Nunm

ehr gilt es das in den Hintergrund getretene H

andwerk hervorzuheben. H

and-w

erkliche Fähigkeiten wurden und w

erden gebraucht. Um

diese zu erhalten und sicherzu stellen, ist eine qualifizierte A

usbildung Grundvoraussetzung.

11.H

andwerkliche Fertigkeiten – B

erufsausbildung heute

Die B

erufsausbildung im B

auhandwerk erfolgt nach dem

sogenannten Dualen A

usbil-dungssystem

. Die B

erufsausbildung gliedert sich in sogenannte Blöcke, und zw

ar inA

usbildungsblöcke im B

etrieb, in Blöcke in überbetrieblichen A

usbildungszentren undin den B

erufsschulbesuch.

Mit jedem

Ausbildungsjahr nim

mt der betriebliche A

usbildungsteil zu. Der A

bschlusserfolgt nach 2 Jahren m

it der Baufacharbeiterprüfung, nach einer insgesam

t 3-jährigenA

usbildung mit der Spezial-B

aufacharbeiterprüfung.

12.H

andwerksberufe im

Hoch- und A

usbau am B

eispiel desTrockenbaum

onteurs

Für den Hochbau brauchen w

ir spezialisierte Handw

erke. Seit 1974 gibt es z.B. den

Ausbildungsberuf des Trockenbaum

onteurs. Dieser verw

endet Gipskartonplatten und

metallene Profile als Tragelem

ente. Die m

etallenen Tragsysteme w

urden sicherlich inZusam

menarbeit m

it Ingenieuren, Architekten und erfahrenen H

andwerkern entw

ickelt.

Handw

erk und Ingenieurkunst greifen ineinander

57

duellen Fertigung vorbehalten. Lediglich für die Plattenbauten im dam

aligen Ostblock

waren die B

auelemente so standardisiert, dass teilw

eise eine projektunabhängige Pro-duktion von Einzelelem

enten möglich w

ar.

Die w

eitere Entwicklung in der H

erstellung von Betonkonstruktionen konzentrierte sich

insbesondere auf einfach zu handhabende Schalungen. Diese Schalungen verfügen zu-

dem über hohe Q

ualitäten im B

ezug auf Formtreue und D

ichtheit.

10.Fazit zum

Brückenbau

Detailliert und nuanciert w

urde die technische Innovationskraft im Ingenieurbau und die

Entwicklung von der Technik zum

Verfahren am B

eispiel des Brückenbaus dargestellt.

Manfred N

ußbaumer

56 Abb. 26:Einschieben der W

aldshuter Brücke als ganze B

rücken-konstruktion, vor 1876

Abb. 27:Einschieben von ganzen B

rückenkon-struktionen: B

rücke über den Rio

Caroni, Venezuela B

auzeit 1962–1964

Abb. 28:B

etonfertigteilkonstruktion: Brücke

über den Sungai Prai, Butterw

orth B

auzeit 2003–2005

Abb. 29:System

schalungen: Selbstkletternde Schalung, Wand- und

Deckenschalung

Page 59: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

Das Schw

ergewicht liegt im

Gegensatz zum

Brückenbau, der zum

Ingenieurbau zählt,aber m

ehr im handw

erklichen Bereich. So dom

iniert bei einer ganzen Reihe von B

au-handw

erksberufen die handwerkliche K

omponente, w

obei die Mitw

irkung von Inge-nieuren aus der B

au- und Produktionstechnik bei der eigentlichen Produktentwicklung

unerlässlich ist.

13.Fazit

All die vorgenannten Entw

icklungen im B

auwesen erfolgten in C

o-Produktion zwischen

Ingenieuren, Polieren und Facharbeitern. Dank der im

mer noch guten B

erufsausbildungunserer Poliere/M

eister sowie der Facharbeiter standen und stehen den Ingenieuren

kompetente G

esprächspartner und Ausführende bei der D

iskussion ihrer Entwicklungs-

ideen zur Verfügung. Ohne diese guten Fachkräfte w

äre zu all den Zeiten kaum der der-

zeitige Stand der Technik erreicht worden. Treten w

ir alle mit Ü

berzeugung und bei allenG

elegenheiten dafür ein, dass sich wieder verm

ehrt Nachw

uchs für den interessantenB

erufszweig B

auwesen auf allen Ebenen findet, um

den Trend der letzten 2 Jahrzehnteum

zukehren.

Bildnachw

eis:A

bb.1M

islin, M.: G

eschichte der Baukonstruktion und B

autechnik, Bd. 1: A

ntike bis Renaissance,

Werner Verlag, S. 286

Abb. 2

Poleni, Giovanni: M

emorie istoriche della G

ran Cupola del Tempio Vaticano. Padua: Stam

periadel sem

inario 1748A

bb. 3R

amm

, W.: eigene A

ufnahme

Abb. 4

Pauser A.: Eisenbeton 1850–1950, W

ien 1994, S. 18A

bb. 5Pauser A

.: Eisenbeton 1850–1950, Wien 1994, S. 18

Abb. 6

Kunz, A

., Moeschl. J. R

. u. Haack, M

., ©IEG

/ A. K

unz 2002, ww

w.ieg-maps.uni-m

ainz.deA

bb. 7Erler, K

.: Alte H

olzbauwerke, Fruchtkaten von Schloss H

ellenstein. VB

, S. 16A

bb. 8R

icken, H.: D

er Bauingenieur, Verlag für B

auwesen Foto: M

arburg, S. 152A

bb. 9Pauser, A

.: Eisenbeton 1850–1950, Manz Verlag, W

ien 1994, S. 15A

bb. 10Züblin-A

rchivA

bb. 11R

amm

, W.: Eigene A

ufnahme

Abb. 12

Ram

m, W

.: Eigene Aufnahm

eA

bb. 13R

amm

, W.: Ü

ber die Geschichte des Eisenbaus und das Entstehen des K

onstruktiven Inge-nieurbaus, Stahlbau 70 (2001), H

eft 9A

bb. 14Provis, W

. A.: A

n Historical and D

escriptive Account of the Suspension B

ridge Constructed

over the Menai Strait, in N

orth Wales. London 1828

Manfred N

ußbaumer

5859

Abb. 16

Ram

m, W

.: Über die G

eschichte des Eisenbaus und das Entstehen des Konstruktiven Inge-

nieurbaus, Stahlbau 70 (2001), Heft 9

Abb. 17

Ram

m, W

.: Eigene Aufnahm

eA

bb. 18Lentze, C

.: Die im

Bau begriffenen B

rücken über die Weichsel bei D

irschau und über dieN

ogat bei Marienburg. B

erlin: Verlag Ernst & K

orn 1855A

bb. 19R

amm

, W.: Eigene A

ufnahme

Abb. 20

Gössel, P.: Leuthhäuser, G

: Architektur des 20. Jh., Benedikt Taschen Verlag, 1990, S. 18 u. 19

Abb. 21

Abbildung aus der zugehörigen Patentschrift von Ingenieur M

atthias Koenen, B

erlin.D

eutsches Reichspatent N

r. 141745, Klasse 37a, vom

23. Januar 1897 ab (ausgegeben den2. M

ai 1903)A

bb. 22Züblin-A

rchiv A

bb. 23Züblin-A

rchiv A

bb. 24Züblin-A

rchivA

bb. 25Züblin-A

rchivA

bb. 26B

auernfeind, C.M

.: „Vorlegeblätter zur Brückenbaukunde, 1876. Entnom

men aus: R

amm

,W

.: Ausstellung „A

lte Weichselbrücke D

irschau“, TU K

aiserslautern – Fachgebiet Massivbau

und Baukonstruktion, 2000

Abb. 27

Züblin-Archiv

Abb. 28

Züblin-Archiv

Abb. 29

Züblin-Archiv

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Das Schw

ergewicht liegt im

Gegensatz zum

Brückenbau, der zum

Ingenieurbau zählt,aber m

ehr im handw

erklichen Bereich. So dom

iniert bei einer ganzen Reihe von B

au-handw

erksberufen die handwerkliche K

omponente, w

obei die Mitw

irkung von Inge-nieuren aus der B

au- und Produktionstechnik bei der eigentlichen Produktentwicklung

unerlässlich ist.

13.Fazit

All die vorgenannten Entw

icklungen im B

auwesen erfolgten in C

o-Produktion zwischen

Ingenieuren, Polieren und Facharbeitern. Dank der im

mer noch guten B

erufsausbildungunserer Poliere/M

eister sowie der Facharbeiter standen und stehen den Ingenieuren

kompetente G

esprächspartner und Ausführende bei der D

iskussion ihrer Entwicklungs-

ideen zur Verfügung. Ohne diese guten Fachkräfte w

äre zu all den Zeiten kaum der der-

zeitige Stand der Technik erreicht worden. Treten w

ir alle mit Ü

berzeugung und bei allenG

elegenheiten dafür ein, dass sich wieder verm

ehrt Nachw

uchs für den interessantenB

erufszweig B

auwesen auf allen Ebenen findet, um

den Trend der letzten 2 Jahrzehnteum

zukehren.

Bildnachw

eis:A

bb.1M

islin, M.: G

eschichte der Baukonstruktion und B

autechnik, Bd. 1: A

ntike bis Renaissance,

Werner Verlag, S. 286

Abb. 2

Poleni, Giovanni: M

emorie istoriche della G

ran Cupola del Tempio Vaticano. Padua: Stam

periadel sem

inario 1748A

bb. 3R

amm

, W.: eigene A

ufnahme

Abb. 4

Pauser A.: Eisenbeton 1850–1950, W

ien 1994, S. 18A

bb. 5Pauser A

.: Eisenbeton 1850–1950, Wien 1994, S. 18

Abb. 6

Kunz, A

., Moeschl. J. R

. u. Haack, M

., ©IEG

/ A. K

unz 2002, ww

w.ieg-maps.uni-m

ainz.deA

bb. 7Erler, K

.: Alte H

olzbauwerke, Fruchtkaten von Schloss H

ellenstein. VB

, S. 16A

bb. 8R

icken, H.: D

er Bauingenieur, Verlag für B

auwesen Foto: M

arburg, S. 152A

bb. 9Pauser, A

.: Eisenbeton 1850–1950, Manz Verlag, W

ien 1994, S. 15A

bb. 10Züblin-A

rchivA

bb. 11R

amm

, W.: Eigene A

ufnahme

Abb. 12

Ram

m, W

.: Eigene Aufnahm

eA

bb. 13R

amm

, W.: Ü

ber die Geschichte des Eisenbaus und das Entstehen des K

onstruktiven Inge-nieurbaus, Stahlbau 70 (2001), H

eft 9A

bb. 14Provis, W

. A.: A

n Historical and D

escriptive Account of the Suspension B

ridge Constructed

over the Menai Strait, in N

orth Wales. London 1828

Manfred N

ußbaumer

5859

Abb. 16

Ram

m, W

.: Über die G

eschichte des Eisenbaus und das Entstehen des Konstruktiven Inge-

nieurbaus, Stahlbau 70 (2001), Heft 9

Abb. 17

Ram

m, W

.: Eigene Aufnahm

eA

bb. 18Lentze, C

.: Die im

Bau begriffenen B

rücken über die Weichsel bei D

irschau und über dieN

ogat bei Marienburg. B

erlin: Verlag Ernst & K

orn 1855A

bb. 19R

amm

, W.: Eigene A

ufnahme

Abb. 20

Gössel, P.: Leuthhäuser, G

: Architektur des 20. Jh., Benedikt Taschen Verlag, 1990, S. 18 u. 19

Abb. 21

Abbildung aus der zugehörigen Patentschrift von Ingenieur M

atthias Koenen, B

erlin.D

eutsches Reichspatent N

r. 141745, Klasse 37a, vom

23. Januar 1897 ab (ausgegeben den2.M

ai 1903)A

bb. 22Züblin-A

rchiv A

bb. 23Züblin-A

rchiv A

bb. 24Züblin-A

rchivA

bb. 25Züblin-A

rchivA

bb. 26B

auernfeind, C.M

.: „Vorlegeblätter zur Brückenbaukunde, 1876. Entnom

men aus: R

amm

,W

.: Ausstellung „A

lte Weichselbrücke D

irschau“, TU K

aiserslautern – Fachgebiet Massivbau

und Baukonstruktion, 2000

Abb. 27

Züblin-Archiv

Abb. 28

Züblin-Archiv

Abb. 29

Züblin-Archiv

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Schlusswort

61

Schlusswort

„Kein industrielles B

auen ohne Handw

erk“ war das heutige Them

a. Ein hochpolitisches,w

ie ich meine. Q

ualität des Handw

erks hat in allen Vorträgen mitgeschw

ungen und ichbin sicher, es ist deutlich gew

orden, dass wir ohne handw

erkliches Können trotz oder

gerade wegen der industriellen Fertigung im

Bauen die Q

ualität nicht sichern können. ImProzess der europäischen Integration und der G

lobalisierung ist handwerkliches K

önnenunverzichtbar. D

abei ist handwerkliches K

önnen eines der wichtigsten W

ettbewerbsvor-

teile, den wir in D

eutschland noch haben, aber zum Teil auch schon verloren haben. W

ennw

ir diesen Wettbew

erbsvorteil weiter erhalten w

ollen, müssen w

ir etwas dafür tun.

Die B

ildungsexpansion hat den Bildungsdünkel – den w

ir Deutschen so gerne pflegen –

noch verstärkt und handwerklich praktische Tätigkeit als w

eniger erstrebenswert abqua-

lifiziert. Natürlich brauchen w

ir exzellente akademische B

erufe, die hochwertige techni-

sche Produkte und technische Prozesse entwickeln, m

it denen ein Hochlohnland w

ieD

eutschland nur noch wettbew

erbsfähig ist. Aber w

as nützen industrialisierte Prozessegerade vor O

rt am B

au, wenn sie nicht durch handw

erkliches Können begleitet w

erden.W

ir dürfen nicht nachlassen, den Techniknachwuchs zu fordern und zu fördern, aber

dabei nicht nur an den Ingenieur denken, sondern auch an den Handw

erker. Gleichzeitig

müssen w

ir den jungen Menschen, die einen handw

erklichen Beruf anstreben, auch die

gesellschaftliche Anerkennung ihrer Tätigkeit zukom

men lassen. D

er gute Meister – Spitze

des Handw

erks – bewirkt am

Bau – und sicher nicht nur am

Bau – im

mer noch m

ehr alsein m

ittelmäßiger oder gar schlechter Ingenieur. U

m gute M

eister zu bekomm

en brau-chen w

ir die handwerkliche A

usbildung auf breiter Basis.

Ich möchte m

ich bei allen Redner für ihre ausgezeichneten B

eiträge recht herzlich be-danken und bei Ihnen, m

eine Dam

en und Herren, dass Sie m

it Ihrem Erscheinen an unse-

rer Arbeit Interesse bekundet haben. M

ögen diese Vorträge über „Handw

erk und Bauen“

Ihnen Anregungen gegeben haben.

Professor Dr.-Ing. K

. Bökeler

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6263

Autoren

die Universität Stuttgart, 1993 H

onorarprofessor der Universität K

arlsruhe, 2004 Honorar-

konsul der Republik B

ulgarien in Baden W

ürttemberg. Er ist in zahlreichen G

remien

ehrenamtlich tätig.

Autoren

Autoren

Friedrich Lenger,geb. 1957, ist seit 1999 Inhaber des Lehrstuhls für Mittlere und

Neuere G

eschichte an der Justus-Liebig-Universität, G

ießen. Nach dem

Studium in D

üs-seldorf, B

ielefeld und Ann A

rbor/Michigan von 1985–1993 w

issenschaftlicher Mitar-

beiter und Hochschulassistent an der U

niversität Tübingen; 1994/95 Lehrstuhlvertre-tungen an den U

niversitäten Bielefeld und Tübingen; von 1995 bis 1999 Professor für

Neuere und N

eueste Geschichte in Erlangen; G

astprofessuren am St. A

ntony’s College

in Oxford und an der G

eorgetown U

niversity in Washington, D

C; Vorsitzender des wissen-

schaftlichen Beirats des D

eutschen Historischen Instituts W

ashington. Wichtigste B

uch-veröffentlichungen: Zw

ischen Kleinbürgertum

und Proletariat. Studien zur Sozialge-schichte der D

üsseldorfer Handw

erker, 1816–1878, Göttingen 1986; Sozialgeschichte

der deutschen Handw

erker seit 1800, Frankfurt a. M. 1988; W

erner Sombart. Eine B

io-graphie, M

ünchen 1994; Industrielle Revolution und Nationalstaatsbildung (1849–1870er

Jahre), Stuttgart 2003; Die europäische Stadt im

20. Jahrhundert. Wahrnehm

ung – Ent-w

icklung – Erosion (als Mithg.), K

öln 2006.

Hanns-Eberhard Schleyer,

geb. 1944 in Prag, Generalsekretär des Zentralver-

bandes des Deutschen H

andwerks, m

achte das Abitur 1964 in Stuttgart und studierte von

1964–1968 Rechtsw

issenschaften an den Universitäten H

eidelberg und München. N

achdem

Ersten juristischen Staatsexamen folgte eine einjährige Tätigkeit in der N

ew Yorker

Anw

altskanzlei Mudge, Rose, G

uthrie & A

lexander. Nach dem

Zweiten juristisches Staats-

examen 1973 arbeitete Schleyer bis 1978 in der A

nwaltskanzlei H

aver & M

ailänder,Stuttgart. Von 1978–1981 w

ar er Bevollmächtigter des Landes Rheinland-Pfalz beim

Bundund von 1981–1989 C

hef der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz. 1989 W

ahl zumG

eneralsekretär.

Manfred N

ußbaumer,

geb. 1940 in Würzburg, von 1954–1957 M

aurerlehre,1958–1962 Staatsbauschule M

ünchen, Abschluss Ingenieur der Fachrichtung B

au-ingenieurw

esen; 1962–1966 als Bauleiter im

Spezialtiefbau und Industriebau in ver-schiedenen B

auunternehmen tätig. A

nschließend Studium an der TH

München und M

ITC

ambridge, U

SA, 1968 A

ufnahme in die Studienstiftung des D

eutschen Volkes, 1972A

bschluss Master of Science. Von 1972–1975 w

ar Nußbaum

er wissenschaftlicher A

ssistentan der R

uhruniversität Bochum

. 1975 Eintritt in die Ed. Züblin AG

, Stuttgart, Abtei-

lungsleiter für Tiefbau mit vielen interessanten Tief- und W

asserbauaufgaben in zahlrei-chen Ländern. Von 1986–2005 M

itglied des Vorstandes der Ed. Züblin AG

, seit 1997Vorsitzender des Vorstandes. Seit 2006 ist er stellv. Vorsitzender des Vorstandes derSTR

AB

AG

SE. 1992 Verleihung der Würde eines D

oktor-Ingenieur Ehren halber durch

Page 63: Kein industrielles Bauen ohne Handwerk - Stiftung Bauwesenwp.stiftung-bauwesen.de/wp-content/uploads/2017/02/StiftungBauw… · Zeugnis von unserer Leistungsfähigkeit. Einführung

6263

Autoren

die Universität Stuttgart, 1993 H

onorarprofessor der Universität K

arlsruhe, 2004 Honorar-

konsul der Republik B

ulgarien in Baden W

ürttemberg. Er ist in zahlreichen G

remien

ehrenamtlich tätig.

Autoren

Autoren

Friedrich Lenger,geb. 1957, ist seit 1999 Inhaber des Lehrstuhls für Mittlere und

Neuere G

eschichte an der Justus-Liebig-Universität, G

ießen. Nach dem

Studium in D

üs-seldorf, B

ielefeld und Ann A

rbor/Michigan von 1985–1993 w

issenschaftlicher Mitar-

beiter und Hochschulassistent an der U

niversität Tübingen; 1994/95 Lehrstuhlvertre-tungen an den U

niversitäten Bielefeld und Tübingen; von 1995 bis 1999 Professor für

Neuere und N

eueste Geschichte in Erlangen; G

astprofessuren am St. A

ntony’s College

in Oxford und an der G

eorgetown U

niversity in Washington, D

C; Vorsitzender des wissen-

schaftlichen Beirats des D

eutschen Historischen Instituts W

ashington. Wichtigste B

uch-veröffentlichungen: Zw

ischen Kleinbürgertum

und Proletariat. Studien zur Sozialge-schichte der D

üsseldorfer Handw

erker, 1816–1878, Göttingen 1986; Sozialgeschichte

der deutschen Handw

erker seit 1800, Frankfurt a. M. 1988; W

erner Sombart. Eine B

io-graphie, M

ünchen 1994; Industrielle Revolution und Nationalstaatsbildung (1849–1870er

Jahre), Stuttgart 2003; Die europäische Stadt im

20. Jahrhundert. Wahrnehm

ung – Ent-w

icklung – Erosion (als Mithg.), K

öln 2006.

Hanns-Eberhard Schleyer,

geb. 1944 in Prag, Generalsekretär des Zentralver-

bandes des Deutschen H

andwerks, m

achte das Abitur 1964 in Stuttgart und studierte von

1964–1968 Rechtsw

issenschaften an den Universitäten H

eidelberg und München. N

achdem

Ersten juristischen Staatsexamen folgte eine einjährige Tätigkeit in der N

ew Yorker

Anw

altskanzlei Mudge, Rose, G

uthrie & A

lexander. Nach dem

Zweiten juristisches Staats-

examen 1973 arbeitete Schleyer bis 1978 in der A

nwaltskanzlei H

aver & M

ailänder,Stuttgart. Von 1978–1981 w

ar er Bevollmächtigter des Landes Rheinland-Pfalz beim

Bundund von 1981–1989 C

hef der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz. 1989 W

ahl zumG

eneralsekretär.

Manfred N

ußbaumer,

geb. 1940 in Würzburg, von 1954–1957 M

aurerlehre,1958–1962 Staatsbauschule M

ünchen, Abschluss Ingenieur der Fachrichtung B

au-ingenieurw

esen; 1962–1966 als Bauleiter im

Spezialtiefbau und Industriebau in ver-schiedenen B

auunternehmen tätig. A

nschließend Studium an der TH

München und M

ITC

ambridge, U

SA, 1968 A

ufnahme in die Studienstiftung des D

eutschen Volkes, 1972A

bschluss Master of Science. Von 1972–1975 w

ar Nußbaum

er wissenschaftlicher A

ssistentan der R

uhruniversität Bochum

. 1975 Eintritt in die Ed. Züblin AG

, Stuttgart, Abtei-

lungsleiter für Tiefbau mit vielen interessanten Tief- und W

asserbauaufgaben in zahlrei-chen Ländern. Von 1986–2005 M

itglied des Vorstandes der Ed. Züblin AG

, seit 1997Vorsitzender des Vorstandes. Seit 2006 ist er stellv. Vorsitzender des Vorstandes derSTR

AB

AG

SE. 1992 Verleihung der Würde eines D

oktor-Ingenieur Ehren halber durch

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Bauen m

it IQ – Innovation durch Q

ualifizierung im B

auhandwerk29

Bauen mit IQ

– Innovation durch Qualifizierung im

Bauhandwerk

Hanns-Eberhard Schleyer

„Kein industrieller Bau ohne H

andwerk” – das ist ein w

ahrhaft einladender Titel für einenG

eneralsekretär dieser großen Wirtschaftsgruppe. U

nd ich erlaube mir, gleich zu B

eginnm

einer Ausführungen ein gedankliches A

usrufungszeichen an diesen Titel anzufügenund dam

it eine klare Botschaft zu setzen. Eine klare Botschaft will ich auch m

it dem Titel

meines Vortrages verbinden. B

auen mit IQ

– intelligentes Bauen m

it individuellen Dienst-

leistungen und innovativen Lösungen – das nehmen w

ir im H

andwerk für uns in A

nspruch.„D

er Nachteil von Intelligenz” – so hat es G

eorge Bernard Shaw

einmal form

uliert – „be-steht darin, dass m

an gezwungen ist, unablässig dazuzulernen.” W

er etwas kann, der darf

nicht stehen bleiben. Er muss seine Potentiale ständig w

eiterentwickeln. U

nser Potenzialim

Handw

erk sind die Menschen. U

nd weil das H

andwerk m

it seinen kleinen und mittleren

Betrieben heute im M

ittelpunkt steht, sage ich ganz bewusst nicht: „H

umankapital”! U

nserPotenzial sind die Fähigkeiten jedes Einzelnen, seine K

reativität, seine Liebe zum B

eruf.

Von daher ist die Aus- und W

eiterbildung seit jeher Kern des handw

erklichen Selbst-verständnisses. A

usdruck unserer Verantwortung für Q

ualität und Qualifikation ist unser

Meisterbrief. H

inter ihm steht nicht nur hohes fachliches K

önnen, dahinter steht aucheine profunde pädagogische und betriebsw

irtschaftliche Ausbildung.

Fachmann im

Handw

erk, Lehrer und Unternehm

er. Das ist unser D

reisprung, mit dem

esdas H

andwerk w

eit gebracht hat. Es wird Sie nicht w

undern, wenn ich diese um

fassendeA

usbildung nach Kräften verteidige: N

icht aus Halsstarrigkeit, nicht aus unverbesser-

lichem Traditionalism

us, sondern aus fester Überzeugung. A

us der gleichen Überzeu-

gung, wie Ludw

ig Erhard, der sich 1953 erfolgreich für die Wiedereinführung des

Großen B

efähigungsnachweises einsetzte m

it der Begründung: „W

ir brauchen einenW

ettbewerb der K

önner!” Die Praxis hat seitdem

bewiesen: Es sind eben gerade die

Meisterbetriebe, die sich im

Wettbew

erb robust behaupten können, wenn die W

ett-bew

erbsbedingungen gerecht und fair sind. Die M

eisterbetriebe bringen das unterneh-m

erische Know

-how und die betriebsw

irtschaftlichen Kenntnisse m

it, die für eine stabile,langfristige U

nternehmensführung benötigt w

erden.

Die Entw

icklung der Betriebszahlen nach der letzten N

ovelle der Handw

erksordnung imJahr 2004 zeigt uns, dass es nach der A

ushöhlung der Meisterpflicht zw

ar eine hohe Zahlvon Existenzgründungen gegeben hat, dass es sich dabei allerdings in der R

egel umK

leinstbetriebe von geringer „Überlebensdauer” handelt. Vielfach ohne eigene Q

uali-fikation, ohne M

itarbeiter, ohne Lehrlinge und damit letzten Endes ohne Perspektive für

eine wirklich tragfähige unternehm

erische Entwicklung.

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Schlusswort

61

Schlusswort

„Kein industrielles B

auen ohne Handw

erk“ war das heutige Them

a. Ein hochpolitisches,w

ie ich meine. Q

ualität des Handw

erks hat in allen Vorträgen mitgeschw

ungen und ichbin sicher, es ist deutlich gew

orden, dass wir ohne handw

erkliches Können trotz oder

gerade wegen der industriellen Fertigung im

Bauen die Q

ualität nicht sichern können. ImProzess der europäischen Integration und der G

lobalisierung ist handwerkliches K

önnenunverzichtbar. D

abei ist handwerkliches K

önnen eines der wichtigsten W

ettbewerbsvor-

teile, den wir in D

eutschland noch haben, aber zum Teil auch schon verloren haben. W

ennw

ir diesen Wettbew

erbsvorteil weiter erhalten w

ollen, müssen w

ir etwas dafür tun.

Die B

ildungsexpansion hat den Bildungsdünkel – den w

ir Deutschen so gerne pflegen –

noch verstärkt und handwerklich praktische Tätigkeit als w

eniger erstrebenswert abqua-

lifiziert. Natürlich brauchen w

ir exzellente akademische B

erufe, die hochwertige techni-

sche Produkte und technische Prozesse entwickeln, m

it denen ein Hochlohnland w

ieD

eutschland nur noch wettbew

erbsfähig ist. Aber w

as nützen industrialisierte Prozessegerade vor O

rt am B

au, wenn sie nicht durch handw

erkliches Können begleitet w

erden.W

ir dürfen nicht nachlassen, den Techniknachwuchs zu fordern und zu fördern, aber

dabei nicht nur an den Ingenieur denken, sondern auch an den Handw

erker. Gleichzeitig

müssen w

ir den jungen Menschen, die einen handw

erklichen Beruf anstreben, auch die

gesellschaftliche Anerkennung ihrer Tätigkeit zukom

men lassen. D

er gute Meister – Spitze

des Handw

erks – bewirkt am

Bau – und sicher nicht nur am

Bau – im

mer noch m

ehr alsein m

ittelmäßiger oder gar schlechter Ingenieur. U

m gute M

eister zu bekomm

en brau-chen w

ir die handwerkliche A

usbildung auf breiter Basis.

Ich möchte m

ich bei allen Redner für ihre ausgezeichneten B

eiträge recht herzlich be-danken und bei Ihnen, m

eine Dam

en und Herren, dass Sie m

it Ihrem Erscheinen an unse-

rer Arbeit Interesse bekundet haben. M

ögen diese Vorträge über „Handw

erk und Bauen“

Ihnen Anregungen gegeben haben.

Professor Dr.-Ing. K

. Bökeler