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Romeo und Julia Shakespeare, William, 1564-1616

Shakespeare William 1564 1616 Romeo Und Julia

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Thanks are given to Delphine Lettau forfinding a huge collection of ancientGerman books in London.

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Romeo und Julia

William Shakespeare

Übersetzt von August Wilhelm vonSchlegel

PERSONEN

ESCALUS, Prinz von Verona

[GRAF] PARIS, ein junger Edelmann,Verwandter des Prinzen

MONTAGUE und CAPULET Häupter

zweier Häuser, welche in Zwistmiteinander sind

[Ein andrer CAPULET, des Vorigen

Verwandter] Ein alter Mann, ein Onkel vonCapulet

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ROMEO, Montagues Sohn

MERCUTIO, Verwandter des Prinzen undRomeos Freund

BENVOLIO, Montagues Neffe und RomeosFreund

TYBALT, Neffe der Gräfin Capulet

Bruder LORENZO, ein Franziskaner

Bruder MARKUS, von demselben Orden

ABRAHAM, Diener im Hause Montague

BALTHASAR, Romeos Diener

[SIMSON, GREGORIO, PETER und andere

DIENER im Hause Capulet]

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SIMSON, Diener des Capulet

GREGORIO, Diener des Capulet

PETER, Diener von Julias Amme

Drei MUSIKANTEN

Ein PAGE des Paris; ein weiterer Page

Ein APOTHEKER

CHORUS

Ein Offizier

Gräfin MONTAGUE, Ehefrau desMontague

Gräfin CAPULET, Ehefrau des Capulet

JULIA, Capulets Tochter

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[WÄRTERIN, früher] Juliens Amme

Bürger von Verona. VerschiedeneMänner und Frauen, Verwandte beiderHäuser.

Masken, Garde, Wächter, Gefolge

Die Szene ist den größten Teil des Stückshindurch in Verona; zu Anfange des

fünften Aktes in Mantua

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PROLOG

(Der Chorus tritt auf.)

CHORUS Zwei Häuser waren--gleich anWürdigkeit-- Hier in Verona, wo dieHandlung steckt, Durch alten Groll zuneuem Kampf bereit, Wo Bürgerblut dieBürgerhand befleckt. Aus dieser Feindeunheilvollem Schoß Das Leben zweierLiebender entsprang, Die durch ihr

unglückselges Ende bloß Im Todbegraben elterlichen Zank. Der Hergangihrer todgeweihten Lieb Und der Verlauf der elterlichen Wut, Die nur der Kinder

Tod von dannen trieb, Ist nun zweiStunden lang der Bühne Gut; Was drannoch fehlt, hört mit geduldgem Ohr, Bringthoffentlich nun unsre Müh hervor.

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ERSTER AKT

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ERSTE SZENE

(Ein öffentlicher Platz)

(Simson und Gregorio, [zwei BedienteCapulets,] treten bewaffnet mit Schwerternund Schilden auf.)

SIMSON Auf mein Wort, Gregorio, wirwollen nichts in die Tasche stecken.

GREGORIO Freilich nicht, sonst wärenwir Taschenspieler.

SIMSON Ich meine, ich werde den Koller

kriegen und vom Leder ziehn.

GREGORIO Ne, Freund, deinen ledernenKoller mußt du bei Leibe nicht ausziehen.

SIMSON Ich schlage geschwind zu, wenn

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ich aufgebracht bin.

GREGORIO Aber du wirst nicht

geschwind aufgebracht.

SIMSON Ein Hund aus Montagues Hausebringt mich schon auf.

GREGORIO Einen aufbringen heißt: ihnvon der Stelle schaffen. Um tapfer zu sein,muß man standhalten. Wenn du dich alsoaufbringen läßt, so läufst du davon.

SIMSON Ein Hund aus dem Hause bringtmich zum Standhalten. [Mit jedemBedienten und jedem Mädchen Montagues

will ich es aufnehmen.] Ich habe bei jedemBedienten und Mädchen der Montaguesden Vorrang und nehme also dieMauerseite ein, [so daß ich nicht auf die

schmutzige Straßenmitte treten muß.]

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GREGORIO Daran sieht man, daß du einschwacher Sklave bist; denn der

schwächste geht gegen die Mauer.

SIMSON Das ist wahr; und daher werdendie Weiber, da sie die schwächeren sind,immer gegen die Mauer gedrückt: folglichwerde ich Montagues Bediente von derMauer wegstoßen und seine Mädchengegen die Mauer drücken.

GREGORIO Der Streit ist nur zwischenunseren Herrschaften und uns, ihrenBedienten. [Es mit den Mädchenaufnehmen? Pfui doch! Du solltest dich

lieber von ihnen aufnehmen lassen.]

SIMSON Einerlei! Ich will barbarisch zuWerke gehn. Hab ichs mit den Bedienten

erst ausgefochten, so will ich mir dieMädchen unterwerfen. [Sie sollen die

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Spitze meines Degens fühlen, bis er stumpfwird.] Ich werde sie ihrer jungfräulichenHäupter berauben.

GREGORIO Die Jungfrauen enthaupten?

SIMSON Jawohl, die Jungfrauenenthaupten oder ihnen die Jungfräulichkeitnehmen, nimm es in dem einen oderanderen Sinn, ganz wie du willt.

GREGORIO Sie werden es sinngemäß

aufnehmen müssen, die es zu spürenbekommen.

SIMSON Mich sollen sie zu spüren

bekommen, solange ich noch standhaltenkann: und es ist bekannt, daß ich einhübsches Stück Fleisches bin.

GREGORIO Nur gut, daß du nicht Fischbist, sonst wärst du ein ärmlicher

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Dörr-Hering.--Zieh nur gleich vom Leder:Da kommen zwei aus dem Hause derMontagues.

(Abraham und Balthasar treten auf.)

SIMSON Hier, meine Waffe ist blank.Fang nur Händel an, ich will den Rückendecken.

GREGORIO Den Rücken? Willst duReißaus nehmen?

SIMSON Fürchte nichts von mir!

GREGORIO Ne, wahrhaftig! Ich dich

fürchten?

SIMSON Laß uns das Recht auf unsrerSeite behalten, laß sie anfangen!

GREGORIO Ich will ihnen im Vorbeigehn

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ein Gesicht ziehen, sie mögens nehmen,wie sie wollen.

SIMSON Wie sie wagen, lieber. Ich willihnen einen Esel bohren; wenn sie eseinstecken, so haben sie den Schimpf.

(Abraham und Balthasar treten auf.)

ABRAHAM Bohrt Ihr uns einen Esel, meinHerr?

SIMSON Ich bohre einen Esel, mein Herr.

ABRAHAM Bohrt Ihr uns einen Esel, meinHerr?

SIMSON Ist das Recht auf unsrer Seite,wenn ich ja sage?

GREGORIO Nein.

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SIMSON Nein, mein Herr! Ich bohre Euchkeinen Esel, mein Herr. Aber ich bohreeinen Esel, mein Herr.

GREGORIO Sucht Ihr Händel, mein Herr?

ABRAHAM Händel, Herr? Nein, meinHerr.

SIMSON Wenn Ihr sonst Händel sucht,mein Herr: ich steh zu Diensten. Ichbediene einen ebenso guten Herrn wie

Ihr.

ABRAHAM Keinen bessern.

SIMSON Sehr wohl, mein Herr!

(Benvolio tritt auf.)

GREGORIO Sag: einen bessern; hierkommt ein Vetter meiner Herrschaft.

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SIMSON Ja doch, einen bessern, meinHerr.

ABRAHAM Ihr lügt!

SIMSON Zieht, falls ihr Kerls seid! Frisch,Gregorio! denk mir an deinenSchwadronierhieb.

(Sie fechten. Benvolio tritt auf.)

BENVOLIO Ihr Narren, fort! Steckt eureSchwerter ein; Ihr wißt nicht, was ihr tut.

(Er schlägt ihre Schwerter nieder. Tybalt

tritt auf.)

TYBALT Was? Ziehst du unter denverzagten Knechten? Hieher, Benvolio!

Biet die Stirn dem Tode!

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BENVOLIO Ich stifte Frieden, steck deinSchwert nur ein! Wo nicht, so führ es, diesehier zu trennen!

TYBALT Was? Ziehn und Friede rufen?Wie die Hölle Haß ich das Wort, wie alleMontagues Und dich! Wehr dich, duMemme!

(Sie fechten. Verschiedene Anhängerbeider Häuser kommen und mischen sichin den Streit; dann Bürger mit Knütteln.)

ERSTER BÜRGER He! Spieß' und Stangenher!--Schlagt auf sie los! Weg mit denCapulets!--Weg mit den Montagues!

(Capulet im Schlafrock und GräfinCapulet.)

CAPULET Was für ein Lärm?--Holla, meinlanges Schwert!

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GRÄFIN CAPULET Nein, Krücken,Krücken! Wozu soll ein Schwert!

CAPULET Mein Schwert, sag ich! Der alteMontague Kommt dort und schwingt dieKlinge mir zum Hohn.

(Montague und Gräfin Montague.)

MONTAGUE Du Schurke Capulet!--

MONTAGUE Schon manchen Morgenward er dort gesehn, Wie er den frischenTau durch Tränen mehrte Und, tief erseufzend, Wolk an Wolke drängte.

Allein sobald im fernsten Ost die Sonne,Die allerfreunde, von Auroras Bett DenSchattenvorhang wegzuziehn beginnt,Stiehlt vor dem Licht mein finstrer Sohn

sich heim Und sperrt sich einsam in seinKämmerlein, Verschließt dem schönen

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Tageslicht die Fenster Und schaffetkünstlich Nacht um sich herum. Inschwarzes Mißgeschick wird er sich

träumen, Weiß guter Rat den Grund nichtwegzuräumen.

BENVOLIO Mein edler Oheim, wisset Ihrden Grund?

MONTAGUE Ich weiß ihn nicht und kannihn nicht erforschen.

BENVOLIO Lagt Ihr ihm jemals schondeswegen an?

MONTAGUE Ich selbst sowohl als

mancher andre Freund. Doch er, dereignen Neigungen Vertrauter, Ist gegensich, wie treu, will ich nicht sagen, Doch sogeheim und in sich selbst gekehrt, So

unergründlich forschendem Bemühn Wieeine Knospe, die ein Wurm zernagt, Eh sie

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der Luft ihr zartes Laub entfalten Und ihrenReiz der Sonne weihen kann. Erführen wir,woher sein Leid entsteht, Wir heilten es so

gern, als wirs erspäht.

(Romeo erscheint in einiger Entfernung.)

BENVOLIO Da kommt er, seht! Geruht,uns zu verlassen; Galt ich ihm je was, willich schon ihn fassen.

MONTAGUE O beichtet' er für dein

Verweilen dir Die Wahrheit doch!--Kommt,Gräfin, gehen wir!

(Montague und Gräfin Montague gehen

ab. Romeo tritt auf.)

BENVOLIO Ha, guten Morgen, Vetter!

ROMEO Erst so weit?

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BENVOLIO Kaum schlug es neun.

ROMEO Weh mir. Gram dehnt die Zeit.

War das mein Vater, der so eilig ging?

BENVOLIO Er wars. Und welcher Gramdehnt Euch die Stunden?

ROMEO Daß ich entbehren muß, was sieverkürzt.

BENVOLIO Entbehrt Ihr Liebe?

ROMEO Nein.

BENVOLIO So ward sie Euch zuteil?

ROMEO Nein, Lieb entbehr ich, wo ichlieben muß.

BENVOLIO Ach, daß der Liebesgott, somild im Scheine, So grausam in der Prob

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erfunden wird!

ROMEO Ach, daß der Liebesgott, trotz

seinen Binden, Zu seinem Ziel stets Pfadeweiß zu finden! Wo speisen wir?--Ach,welch ein Streit war hier? Doch sagt mirsnicht, ich hört es alles schon: Haß gibt hierviel zu schaffen, Liebe mehr. Nun denn:Liebreicher Haß! Streitsüchtge Liebe! DuAlles, aus dem Nichts zuerst erschaffen!Schwermütger Leichtsinn! ErnsteTändelei! Entstelltes Chaos glänzender

Gestalten! Bleischwinge! Lichter Rauchund kalte Glut! Stets wacher Schlaf, deineignes Widerspiel! So fühl ich Lieb undhasse, was ich fühl! Du lachst nicht?

BENVOLIO Nein, das Weinen ist mirnäher.

ROMEO Warum, mein Herz?

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BENVOLIO Um deines Herzens Qual.

ROMEO Das ist der Liebe Unbill nun

einmal. Schon eignes Leid will mir dieBrust zerpressen, Dein Gram um mich wirdvoll das Maß mir messen. DieFreundschaft, die du zeigst, mehrt meinenSchmerz; Denn, wie sich selbst, so quältauch dich mein Herz. Lieb ist ein Rauch,den Seufzerdämpf erzeugten, Geschürt,ein Feur, von dem die Augen leuchten,Gequält, ein Meer, von Tränen

angeschwellt; Was ist sie sonst?Verständge Raserei Und ekle Gall undsüße Spezerei. Lebt wohl, mein Freund!

(Im Gehen.)

BENVOLIO Sacht! Ich will mit Euchgehen; Ihr tut mir Unglimpf, laßt Ihr so

mich stehen.

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ROMEO Ach, ich verlor mich selbst; ichbin nicht Romeo. Der ist nicht hier: erist--ich weiß nicht, wo.

BENVOLIO Entdeckt mir ohne Mutwill,wen Ihr liebt.

ROMEO Bin ich nicht ohne Mut und ohneWillen?

BENVOLIO Nein, sagt mirs ernsthaftdoch!

ROMEO Bitt einen ernsthaft um seinTestament, Den Kranken quälts, wenn mandas Wort ihm nennt! Hört, Vetter, denn im

Ernst: Ich lieb ein Weib.

BENVOLIO Ich trafs doch gut, daß ichverliebt Euch glaubte.

ROMEO Ein wackrer Schütz!--Und die ich

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lieb, ist schön.

BENVOLIO Ein glänzend Ziel kann man

am ersten treffen.

ROMEO Dies Treffen traf dir fehl, meinguter Schütz; Sie weicht dem Pfeil aus, siehat Dianens Witz Umsonst hat ihren Panzerkeuscher Sitten Der Liebe kindischesGeschoß bestritten. Sie wehrt den Sturmder Liebesbitten ab, Steht nicht demAngriff kecker Augen, öffnet Nicht ihren

Schoß dem Gold, das Heilge lockt. O sieist reich an Schönheit; arm allein, Weil,wenn sie stirbt, ihr Reichtum hin wird sein.

BENVOLIO Beschwor sie derEnthaltsamkeit Gesetze?

ROMEO Sie tats, und dieser Geiz

vergeudet Schätze. Denn Schönheit, dieder Lust sich streng enthält, Bringt um ihr

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Erb die ungeborne Welt. Sie ist zu schönund weis', um Heil zu erben, Weil sie, mitWeisheit schön, mich zwingt zu sterben.

Sie schwor zu lieben ab, und dies GelübdIst Tod für den, der lebt, nur weil er liebt.

BENVOLIO Folg meinem Rat, vergiß ansie zu denken!

ROMEO So lehre mich, das Denken zuvergessen.

BENVOLIO Gib deinen Augen Freiheit,lenke sie Auf andre Reize hin.

ROMEO Das ist der Weg, Mir ihren Reiz

in vollem Licht zu zeigen. Die Schwärzejener neidenswerten Larven, Die schönerFrauen Stirne küssen, bringt Uns in denSinn, daß sie das Schöne bergen. Der,

welchen Blindheit schlug, kann nie dasKleinod Des eingebüßten Augenlichts

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vergessen. Zeigt mir ein Weib,unübertroffen schön: Mir gilt ihr Reiz wieeine Weisung nur, Worin ich lese, wer sie

übertrifft. Leb wohl! Vergessen lehrest dumich nie.

BENVOLIO Dein Schuldner sterb ich,glückt mir nicht die Müh.

(Beide ab.)

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ZWEITE SZENE

(Eine Straße)

(Capulet, Paris und ein Diener kommen.)

CAPULET Und Montague ist mitderselben Buße Wie ich bedroht? FürGreise, wie wir sind, Ist Frieden halten,denk ich, nicht so schwer.

PARIS Ihr geltet beid als ehrenwerteMänner, Und Jammer ists um Euren langenZwiespalt. Doch, edler Graf, wie dünktEuch mein Gesuch?

CAPULET Es dünkt mich so, wie ichvorhin gesagt. Mein Kind ist noch einFremdling in der Welt, Sie hat kaum

vierzehn Jahre wechseln sehn. Laßt nochzwei Sommer prangen und verschwinden,

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Eh wir sie reif, um Braut zu werden, finden.

PARIS Noch jüngre wurden oft beglückte

Mütter.

CAPULET Wer vor der Zeit beginnt, derendigt früh. All meine Hoffnungenverschlang die Erde; Mir blieb nur dieseshoffnungsvolle Kind. Doch werbt nur,lieber Graf! Sucht Euer Heil! Mein Will istvon dem ihren nur ein Teil. Wenn sie ausWahl in Eure Bitten willigt, So hab ich im

voraus ihr Wort gebilligt, Ich gebe heutein Fest, von alters hergebracht, Und luddarauf der Gäste viel zu Nacht, Was meineFreunde sind: Ihr, der dazu gehöret, Sollt

hoch willkommen sein, wenn Ihr die Zahlvermehret. In meinem armen Haus sollt Ihrdes Himmels Glanz Heut nacht verdunkeltsehn durch irdscher Sterne Tanz. Wie

muntre Jünglinge mit neuem Mut sichfreuen, Wenn auf die Fersen nun der Fuß

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des holden Maien Dem lahmen Wintertritt: die Lust steht Euch bevor, Wann Euchin meinem Haus ein frischer Mädchenflor

Von jeder Seit umgibt. Ihr hört, Ihr sehtsie alle, Daß, die am schönsten prangt, ammeisten Euch gefalle. Dann mögt Ihr in derZahl auch meine Tochter sehn, Sie zählt füreine mit, gilt sie schon nicht für schön.Kommt, geht mit mir!--Du, Bursch, nimmdas Papier mit Namen, Trab in der Stadtherum, such alle Herrn und Damen, So hiergeschrieben stehn,

(übergibt ein Papier)

und sag mit Höflichkeit: Mein Haus und

mein Empfang steh ihrem Dienst bereit.

(Capulet und Paris gehen ab.)

DIENER Die Leute soll ich suchen, wovondie Namen hier geschrieben stehn? Es

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steht geschrieben, der Schuster soll sichum seine Elle kümmern, der Schneider umseinen Leisten, der Fischer um seinen

Pinsel, der Maler um seine Netze. Abermich schicken sie, um die Leute ausfindigzu machen, wovon die Namen hiergeschrieben stehn, und ich kann doch garnicht ausfindig machen, was für Namender Schreiber hier aufgeschrieben hat. Ichmuß zu den Gelahrten!--

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DRITTE SZENE

(Ein Zimmer in Capulets Hause)

(Gräfin Capulet und die Wärterin.)

GRÄFIN CAPULET Ruft meine Tochterher; wo ist sie, Amme?

WÄRTERIN Bei meiner Jungfernschaft imzwölften Jahr, Ich rief sie schon.--He,

Lämmchen! zartes Täubchen-- Daß Gott!wo ist das Kind? He, Juliette!

(Julia kommt.)

JULIA Was ist? Wer ruft mich?

WÄRTERIN Eure Mutter.

JULIA Hier bin ich, gnädge Mutter! Was

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beliebt?

GRÄFIN CAPULET Die Sach ist

diese!--Amme, geh beiseit, Wir müssenheimlich sprechen.--Amme, komm Nurwieder her, ich habe mich besonnen, Ichwill dich mit zur Überlegung ziehn. Duweißt, mein Kind hat schon ein hübschesAlter.

WÄRTERIN Das zähl ich, meiner Treu, amFinger her.

GRÄFIN CAPULET Sie ist nicht vierzehnJahre.

WÄRTERIN Ich wette vierzehn meinerZähne drauf-- Zwar hab ich nur vier Zahn,ich arme Frau--, Sie ist noch nicht vierzehn.Wie lang ists bis Johannis?

GRÄFIN CAPULET Ein vierzehn Tag und

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drüber.

WÄRTERIN Nun, drüber oder drunter.

Just den Tag, Johannistag zu Abend, wirdsie vierzehn. Suschen und sie--Gott gebejedem Christen Das ewge Leben!--wareneines Alters. Nun, Suschen ist bei Gott; Siewar zu gut für mich. Doch wie ich sagte,Johannistag zu Abend wird sie vierzehn.Das wird sie, meiner Treu; ich weiß rechtgut. Elf Jahr ists her, seit wir 's Erdbebenhatten; Und ich entwöhnte sie--mein Leben

lang Vergeß ichs nicht--just auf denselbenTag. Ich hatte Wermut auf die Brust gelegtUnd saß am Taubenschlage in der Sonne;Die gnädge Herrschaft war zu Mantua. Ja,

ja! Ich habe Grütz im Kopf! Nun, wie ichsagte: Als es den Wermut auf der Warzeschmeckte Und fand ihn bitter--närrsches,kleines Ding--, Wie's böse ward und zog

der Brust ein Gsicht! Krach! sagt' derTaubenschlag; und ich, fürwahr, Ich wußte

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nicht, wie ich mich tummeln sollte, Undseit der Zeit ists nun elf Jahre her. Denndamals stand sie schon allein; mein Treu,

Sie lief und watschelt' Euch schon flinkherum. Denn tags zuvor fiel sie die Stirnentzwei, Und da hob sie mein Mann--Gotthab ihn selig! Er war ein lustgerMann--vom Boden auf. Ei, sagt' er, fällst duso auf dein Gesicht? Wirst rücklings fallen,wenn du klüger bist, Nicht wahr, meinKind? Und liebe, heilge Frau! DasMädchen schrie nicht mehr und sagte: Ja.

Da seh man, wie so 'n Spaß zum Vorscheinkommt! Und lebt ich tausend Jahre lang,ich wette, Daß ich es nie vergaß. Nichtwahr, mein Kind? sagt' er; Und 's liebe

Närrchen ward still und sagte: Ja.

GRÄFIN CAPULET Genug davon, ichbitte, halt dich ruhig.

WÄRTERIN Ja, gnädge Frau. Doch

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lächerts mich noch immer, Wie 's Kind seinSchreien ließ und sagte: Ja, Und saß ihm,meiner Treu, doch eine Beule, So dick wie

'n Hühnerei, auf seiner Stirn, Rechtgfährlich dick, und es schrie bitterlich.Mein Mann, der sagte: Ei, fällst aufsGesicht? Wirst rücklings fallen, wenn duälter bist. Nicht wahr, mein Kind? Stillwards und sagte: Ja.

JULIA Ich bitt dich, Amme, sei doch auchnur still.

WÄRTERIN Gut, ich bin fertig. Gottbehüte dich! Du warst das feinstePüppchen, das ich säugte. Erleb ich deine

Hochzeit noch einmal, So wünsch ichweiter nichts.

GRÄFIN CAPULET Die Hochzeit, ja, das ist

der Punkt, von dem Ich sprechen wollte.Sag mir, liebe Tochter, Wie stehts mit

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deiner Lust, dich zu vermählen?

JULIA Ich träumte nie von dieser Ehre

noch.

WÄRTERIN Ein Ehre! Hättst du eineandre Amme Als mich gehabt, so wollt ichsagen: Kind, Du habest Weisheit mit derMilch gesogen.

GRÄFIN CAPULET Gut, denke jetzt dran;jünger noch als du Sind angesehne Fraun

hier in Verona Schon Mütter worden. Istmir recht, so war Ich deine Mutter indemselben Alter, Wo du noch Mädchenbist. Mit einem Wort: Der brave Paris

wirbt um deine Hand.

WÄRTERIN Das ist ein Mann, meinFräulein! Solch ein Mann, Als alle

Welt--ein wahrer Zuckermann!

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GRÄFIN CAPULET Die schönste Blumevon Veronas Flor.

WÄRTERIN Ach ja, 'ne Blume! Gelt, 'nerechte Blume!

GRÄFIN CAPULET Was sagst du? Wiegefällt dir dieser Mann? Heut abend siehstdu ihn bei unserm Fest. Dann lies im Bucheseines Angesichts, In das der SchönheitGriffel Wonne schrieb, Betrachte seinerZüge Lieblichkeit, Wie jeglicher dem

andern Zierde leiht. Was dunkel in demholden Buch geblieben, Das lies in seinemAug am Rand geschrieben. Und diesesFreiers ungebundner Stand, Dies Buch der

Liebe braucht nur einen Band. Der Fischlebt in der See, und doppelt teuer Wirdäußres Schön' als innrer SchönheitSchleier. Das Buch glänzt allermeist im

Aug der Welt, Das goldne Lehr in goldnenSpangen hält. So wirst du alles, was er hat,

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genießen, Wenn du ihn hast, ohn etwaseinzubüßen.

WÄRTERIN Einbüßen? Nein, zunehmenwird sie eher; Die Weiber nehmen oftdurch Männer zu.

GRÄFIN CAPULET Sag kurz, fühlst dudem Grafen dich geneigt?

JULIA Gern will ich sehn, ob SehenNeigung zeugt; Doch weiter soll mein Blick

den Flug nicht wagen, Als ihn dieSchwingen Eures Beifalls tragen.

(Ein Diener kommt.)

DIENER Gnädige Frau, die Gäste sind da,das Abendessen auf dem Tisch; Ihr werdetgerufen, das Fräulein gesucht, die Amme

in der Speisekammer zum Henkergewünscht, und alles geht drunter und

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drüber. Ich muß fort, aufwarten; ich bitteEuch, kommt unverzüglich!

GRÄFIN CAPULET Gleich!--

(Der Diener geht ab.)

Paris wartet; Julia, komm geschwind!

WÄRTERIN Such frohe Nacht auf froheTage, Kind!

(Alle ab.)

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VIERTE SZENE

(Eine Straße)

(Romeo, Mercutio, Benvolio mit fünf odersechs Masken, Fackelträgern undanderen.)

ROMEO Soll diese Red uns zurEntschuldgung dienen? Wie? Oder tretenwir nur grad hinein?

BENVOLIO Umschweife solcher Art sindnicht mehr Sitte. Wir wollen keinen Amor,mit der Schärpe Geblendet, der den bunt

bemalten Bogen Wie ein Tatar geschnitztaus Latten trägt Und wie 'ne Vogelscheuchdie Frauen schreckt; Auch keinenhergebeteten Prolog, Wobei viel

zugeblasen wird, zum Eintritt. Laßt sie unsnur, wofür sie wollen, nehmen, Wir

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nehmen ein paar Tänze mit und gehn.

ROMEO Ich mag nicht springen; gebt mir

eine Fackel! Da ich so finster bin, so willich leuchten.

MERCUTIO Nein, du mußt tanzen, lieberRomeo.

ROMEO Ich wahrlich nicht! Ihr seid soleicht von Sinn Als leicht beschuht; michdrückt ein Herz von Blei Zu Boden, daß ich

kaum mich regen kann.

MERCUTIO Ihr seid ein Liebender; borgtAmors Flügel und schwebet frei in

ungewohnten Höhn.

ROMEO Ich bin zu tief von seinem Pfeildurchbohrt, Auf seinen leichten

Schwingen hoch zu schweben. GewohnteFesseln lassen mich nicht frei; Ich sinke

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unter schwerer Liebeslast.

MERCUTIO Und wolltet Ihr denn in die

Liebe sinken? Ihr seid zu schwer für ein sozartes Ding.

ROMEO Ist Lieb ein zartes Ding? Sie istzu rauh, Zu wild, zu tobend; und sie stichtwie Dorn.

MERCUTIO Begegnet Lieb Euch rauh, sotut desgleichen! Stecht Liebe, wenn sie

sticht; das schlägt sie nieder.

(Zu einem andern aus dem Gefolge.)

Gebt ein Gehäuse für mein Antlitz mir:

(Eine Maske aufsetzend.)

'ne Larve für 'ne Larve!

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(Bindet die Maske vor.)

Nun erspähe Die Neugier Mißgestalt:

was kümmerts mich? Erröten wird für michdies Wachsgesicht.

BENVOLIO Fort! Klopft, und dann hinein!Und sind wir drinnen, So rühre gleich einjeder flink die Beine!

ROMEO Mir eine Fackel! LeichtgeherzteBuben, Die laßt das Estrich mit den Sohlen

kitzeln. Ich habe mich verbrämt mit einemalten Großvaterspruch: Wer 's Licht hält,schauet zu! Nie war das Spiel so schön;doch ich bin matt.

MERCUTIO Jawohl, zu matt, dich aus demSchlamme--nein, Der Liebe wollt ichsagen--dich zu ziehn, Worin du leider

steckst bis an die Ohren. Macht fort, wirleuchten ja dem Tage hier.

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ROMEO Das tun wir nicht.

MERCUTIO Ich meine, wir verscherzen,Wie Licht bei Tag, durch Zögern unsreKerzen. Nehmt meine Meinung nach demguten Sinn Und sucht nicht Spiele desVerstandes drin.

ROMEO Wir meinens gut, da wir zumBalle gehen; Doch es ist Unverstand.

MERCUTIO Wie? Laßt doch sehen!

ROMEO Ich hatte diese Nacht 'nen Traum.

MERCUTIO Auch ich.

ROMEO Was war der Eure?

MERCUTIO Daß auf Träume sich Nichtsbauen läßt, daß Träume öfters lügen.

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Fuhrmann vorn, Nicht halb so groß als wieein kleines Würmchen, Das in desMädchens müßgem Finger nistet. Die

Kutsch ist eine hohle Haselnuß, VomTischler Eichhorn oder Meister WurmZurechtgemacht, die seit uralten ZeitenDer Feen Wagner sind. In diesem StaatTrabt sie dann Nacht für Nacht; befährt dasHirn Verliebter, und sie träumen dann vonLiebe, Des Schranzen Knie, der schnellvon Reverenzen, Des Anwalts Finger, dervon Sporteln gleich, Der Schönen Lippen,

die von Küssen träumen; Oft plagt die böseMab mit Bläschen diese, Weil ihren OdemNäscherei verdarb. Bald trabt sie übereines Hofmanns Nase, Dann wittert er im

Traum sich Ämter aus, Bald kitzelt sie miteines Zinshahns Federn Des Pfarrers Nase,wenn er schlafend liegt, Von einer bessernPfründe träumt ihm dann; Bald fährt sie

über des Soldaten Nacken, Der träumtsofort von Niedersäbeln, träumt Von

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Breschen, Hinterhalten, Damaszenern, Vonmanchem klaftertiefen Ehrentrunk; Nuntrommelts ihm ins Ohr: da fährt er auf Und

flucht in seinem Schreck ein paar GebeteUnd schläft von neuem. Eben diese MabVerwirrt der Pferde Mähnen in der NachtUnd flicht in struppges Haar dieWeichselzöpfe, Die, wiederum entwirrt,auf Unglück deuten. Dies ist die Hexe,welche Mädchen drückt, Die auf demRücken ruhn, und die sie lehrt, Als Weibereinst die Männer zu ertragen. Dies ist sie--

ROMEO Still, o still, Mercutio! Du sprichstvon einem Nichts.

MERCUTIO Wohl wahr, ich rede VonTräumen, Kindern eines müßgen Hirns,Von nichts als eitler Phantasie erzeugt, Dieaus so dünnem Stoff als Luft besteht Und

flüchtger wechselt als der Wind, der baldUm die erfrorne Brust des Nordens buhlt

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Und, schnell erzürnt, hinweg von dannenschnaubend, Die Stirn zum taubeträuftenSüden kehrt.

BENVOLIO Der Wind, von dem Ihrsprecht, entführt uns selbst. Man hatgespeist; wir kamen schon zu spät.

ROMEO Zu früh, befürcht ich; denn meinHerz erbangt Und ahnet ein Verhängnis,welches, noch Verborgen in den Sternen,heute nacht Bei dieser Lustbarkeit den

furchtbarn Zeitlauf Beginnen und das Zieldes lästgen Lebens, Das meine Brustverschließt, mir kürzen wird Durch einenschnöd verwirkten frühen Tod. Doch er,

der mir zur Fahrt das Steuer lenkt, Richtauch mein Segel!--Auf, ihr lustgenFreunde!

BENVOLIO Rührt Trommeln!

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(Alle ab.)

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FÜNFTE SZENE

(Ein Saal in Capulets Hause)

(Musikanten warten. Diener kommen.)

ERSTER DIENER Wo ist Schmorpfanne,daß er nicht abräumen hilft? Der wirdTeller wechseln, Teller scheuern!

ZWEITER DIENER Wenn die gute

Lebensart in eines oder zweier MenschenHänden sein soll, die noch obendreinungewaschen sind: 's ist ein unsaubrerHandel.

ERSTER DIENER Die Klappstühle fort!Rückt den Schenktisch beiseit! Seht nachdem Silberzeuge! Kamerad, heb mir ein

Stück Marzipan auf, und wo du michliebhast, sag dem Pförtner, daß er Suse

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Mühlstein und Lene hereinläßt. Anton!Schmorpfanne!

(Andre Diener kommen.)

ZWEITER DIENER Hier, Bursch, wir sindparat.

ERSTER DIENER Im großen Saaleverlangt man euch, vermißt man euch,sucht man euch.

ZWEITER DIENER Wir können nichtzugleich hier und dort sein.--Lustig, Kerle,haltet euch brav; wer am längsten lebt,kriegt den ganzen Bettel.

(Sie ziehen sich in den Hintergrundzurück. Capulet etc. [und die Seinen] mitden Gästen und Masken [und

Dienerschaft].)

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CAPULET Willkommen, meine Herrn!Wenn Eure Füße Kein Leichdorn plagt. IhrDamen, flink ans Werk! He, he. Ihr

schönen Fraun, wer von Euch allenSchlägts nun wohl ab zu tanzen? Ziert sicheine, Ich wette, die hat Hühneraugen.Nun, Hab ichs Euch nah gelegt? Ihr Herrn,willkommen! Ich weiß die Zeit, da ich 'neLarve trug Und einer Schönen eine Weis'ins Ohr Zu flüstern wußte, die ihrwohlgefiel. Das ist vorbei, vorbei!Willkommen, Herren! Kommt, Musikanten,

spielt! Macht Platz da, Platz! Ihr Mädchen,frisch gesprungen!

(Musik und Tanz. [--Zu den Dienern:])

Mehr Licht, ihr Burschen, und beiseit dieTische! Das Feuer weg! Das Zimmer ist zuheiß.-- Ha, recht gelegen kommt der

unverhoffte Spaß. Na, setzt Euch, setztEuch, Vetter Capulet! Wir beide sind ja

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übers Tanzen hin. Wie lang ists jetzo, seitwir uns zuletzt In Larven steckten?

ZWEITER CAPULET Dreißig Jahr, meinSeel.

CAPULET Wie, Schatz? So lang nochnicht, so lang noch nicht. Denn seit derHochzeit des Lucentio Ists etwafünfundzwanzig Jahr, sobald Wir Pfingstenhaben; und da tanzten wir.

ZWEITER CAPULET 's ist mehr, 's ist mehr!Sein Sohn ist älter, Herr, Sein Sohn istdreißig.

CAPULET Sagt mir das doch nicht! SeinSohn war noch nicht mündig vor zweiJahren.

ROMEO (zu einem Diener aus seinemGefolge.) Wer ist das Fräulein, welche

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dort den Ritter Mit ihrer Hand beehrt?

DER DIENER Ich weiß nicht, Herr.

ROMEO Oh, sie nur lehrt die Kerzen, hellzu glühn! Wie in dem Ohr des Mohren einRubin, So hängt der Holden Schönheit anden Wangen Der Nacht; zu hoch, zuhimmlisch dem Verlangen. Sie stellt sichunter den Gespielen dar Als weiße Taub ineiner Krähenschar. Schließt sich der Tanz,so nah ich ihr: ein Drücken Der zarten

Hand soll meine Hand beglücken. Liebt ichwohl je? Nein, schwör es ab, Gesicht! Dusahst bis jetzt noch wahre Schönheit nicht.

TYBALT Nach seiner Stimm ist dies einMontague. (Zu einem Diener.) Hol meinenDegen, Bursch!--Was? Wagt der Schurk,Vermummt in eine Fratze, herzukommen

Zu Hohn und Schimpfe gegen unser Fest?Fürwahr, bei meines Stammes Ruhm und

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Adel, Wer tot ihn schlüg, verdiente keinenTadel!

CAPULET Was habt Ihr, Vetter? Welchein Sturm? Wozu?

TYBALT Seht, Oheim, der da ist einMontague! Der Schurke drängt sich unterEure Gäste Und macht sich einen Spott andiesem Feste.

CAPULET Ist es der junge Romeo?

TYBALT Der Schurke Romeo!

CAPULET Seid ruhig, Herzensvetter! Laßt

ihn gehn! Er hält sich wie ein wackrerEdelmann; Und in der Tat, Verona preisetihn Als einen sittgen, tugendsamenJüngling. Ich möchte nicht für alles Gut der

Stadt In meinem Haus ihm einen Unglimpf tun. Drum seid geduldig; merket nicht auf

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ihn. Das ist mein Will, und wenn du diesenehrst, So zeig dich freundlich, streif dieRunzeln weg, Die übel sich bei einem

Feste ziemen.

TYBALT Kommt solch ein Schurk als Gast,so stehn sie wohl. Ich leid ihn nicht.

CAPULET Er soll gelitten werden, Ersoll!--Herr Junge, hört Er das? Nur zu! Werist hier Herr? Er oder ich? Nur zu! So, willEr ihn nicht leiden?--Helf mir Gott!-- Will

Hader unter meinen Gästen stiften? Willsich als starken Mann hier wichtigmachen?

TYBALT Ists nicht 'ne Schande, Oheim?

CAPULET Zu! Nur zu! Ihr seid ein keckerBursch. Ei, seht mir doch! Der Streich mag

Euch gereun; ich weiß schon was. Ihrmacht mirs bunt! Ja, das käm eben recht!--

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Brav, Herzenskinder!--Geht, vorwitzig seidIhr! Seid ruhig, sonst--Mehr Licht, mehrLicht, zum Kuckuck!-- Will ich zur Ruh Euch

bringen!--Lustig, Kinder!

TYBALT Mir kämpft Geduld aus Zwangmit willger Wut Im Innern und empörtmein siedend Blut. Ich gehe.--Hand istfrommer Waller Kuß.

ROMEO Haben nicht Heilge Lippen wiedie Waller?

JULIA Ja, doch Gebet ist die Bestimmungaller.

ROMEO O so vergönne, teure Heilge nun,Daß auch die Lippen wie die Hände tun.Voll Inbrunst beten sie zu dir: erhöre, DaßGlaube nicht sich in Verzweiflung kehre!

JULIA Du weißt, ein Heilger pflegt sich

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nicht zu regen, Auch wenn er eine Bittezugesteht.

ROMEO So reg dich, Holde, nicht, wieHeilge pflegen, Derweil mein Mund dirnimmt, was er erfleht.

(Er küßt sie.)

Nun hat dein Mund ihn aller Sündentbunden.

JULIA So hat mein Mund zum Lohn Sündfür die Gunst?

ROMEO Zum Lohn die Sünd? O Vorwurf,

süß erfunden! Gebt sie zurück!

(Küßt sie wieder.)

JULIA Ihr küßt recht nach der Kunst.

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WÄRTERIN (tritt heran.) Mama will Euchein Wörtchen sagen, Fräulein.

ROMEO Wer ist des Fräuleins Mutter?

WÄRTERIN Ei nun, Junker, Das ist diegnädge Frau vom Hause hier, Gar einewackre Frau und klug und ehrsam. DieTochter, die Ihr spracht, hab ich gesäugt.Ich sag Euch, wer ihr' habhaft werdenkann, Ist wohl gebettet.

ROMEO Sie eine Capulet? O teurer Preis!Mein Leben Ist meinem Feind als Schulddahingegeben!

BENVOLIO Fort, laßt uns gehn; die Lustist bald dahin.

ROMEO Ach, leider wohl! Das ängstet

meinen Sinn.

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CAPULET Nein, liebe Herrn, denkt nochans Weggehn nicht! Ein kleines, schlichtesMahl ist schon bereitet.-- Muß es denn

sein? Nun wohl, ich dank Euch allen; Ichdank Euch, edle Herren: Gute Nacht!--Mehr Fackeln her!--Kommt nun, bringtmich zu Bett.

(Zum zweiten Capulet.)

Wahrhaftig, es wird spät, ich will zur Ruh.

(Alle ab, außer Julia und Wärterin.)

JULIA Komm zu mir, Amme; wer ist dortder Herr?

WÄRTERIN Tiberios, des alten, Sohn undErbe.

JULIA Wer ists, der eben aus der Türegeht?

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WÄRTERIN Das, denk ich, ist der junge[Marcellin] Petruchio.

JULIA Wer folgt ihm da, der gar nichttanzen wollte?

WÄRTERIN Ich weiß nicht.

JULIA Geh, frage, wie er heißt!--Ist ervermählt, So ist das Grab zum Brautbettmir erwählt.

WÄRTERIN (kommt zurück.) Sein Nam istRomeo, ein Montague Und Eures großenFeindes einzger Sohn.

JULIA So einzge Lieb aus großem Haßentbrannt! Ich sah zu früh, den ich zu späterkannt. O Wunderwerk: ich fühle mich

getrieben, Den ärgsten Feind aufszärtlichste zu lieben.

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WÄRTERIN Wieso, wieso?

JULIA Es ist ein Reim, den ich von einemTänzer Soeben lernte.

(Man ruft drinnen: Julia!)

WÄRTERIN Gleich, wir kommen ja!Kommt, laßt uns gehn; kein Fremder istmehr da.

(Ab.)

(Der Chorus tritt auf.)

CHORUS Die alte Liebe stirbt in ihmdahin, Und junge Zuneigung beerbt sieda; Die Schöne, nach der schmachtendstand sein Sinn, Scheint nicht mehr schön

nun neben Julia. Er wird geliebt und liebtnun auch zum Schluß, Ein Zauberblick

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kann beiderseits nicht fehln, Doch scheintals Feind sie, der ers klagen muß, Undseiner Falle Köder muß sie stehln. Als

Feind gesehn, darf er nicht zu ihr her, Zuschwörn, wie wirs sonst bei Verliebtensehn; Auch sie liebt ihn, doch kann nochweniger Zum neu geliebten irgendwohingehn: Doch Zeit schafft Rat, Verlangenleiht die Kraft Und lindert Leid durch süßeLeidenschaft.

(Geht ab.)

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ZWEITER AKT

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ERSTE SZENE

(Ein offner Platz, der an Capulets Garten

stößt)

(Romeo tritt auf.)

ROMEO Kann ich von hinnen, da meinHerz hier bleibt? Geh, frostge Erde, suchedeine Sonne!

(Er ersteigt die Mauer und springthinunter. Benvolio und Mercutio tretenauf.)

BENVOLIO He, Romeo, he, Vetter!

MERCUTIO Er ist klug Und hat, meinSeel, sich heim ins Bett gestohlen.

BENVOLIO Er lief hieher und sprang die

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Gartenmauer Hinüber. Ruf ihn, FreundMercutio!

MERCUTIO Ja, auch beschwören will ich.Romeo! Was? Grillen! Toller!Leidenschaft! Verliebter! Erscheine du,gestaltet wie ein Seufzer; Sprich nur einReimchen, so genügt mirs schon; Ein Achnur jammre, paare Lieb und Triebe; Gibder Gevattrin Venus ein gut Wort, Schimpf eins auf ihren blinden Sohn und Erben,Held Amor, der so flink gezielt, als König

Kophetua das Bettlermädchen liebte. Erhöret nicht, er regt sich nicht, er rührt sichnicht. Der Aff ist tot; ich muß ihn wohlbeschwören. Nun wohl: Bei Rosalindens

hellem Auge, Bei ihrer Purpurlipp undhohen Stirn, Bei ihrem zarten Fuß, demschlanken Bein, Den üppgen Hüften undder Region, Die ihnen nahe liegt,

beschwör ich dich, Daß du in eignerBildung uns erscheinest.

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BENVOLIO Wenn er dich hört, so wird erzornig werden.

MERCUTIO Hierüber kann ers nicht; erhätte Grund, Bannt ich hinauf in seinerDame Kreis Ihm einen Geist von seltsameigner Art Und ließe den da stehn, bis sieden Trotz Gezähmt und nieder ihnbeschworen hätte. Das wär Beschimpfung!Meine Anrufung Ist gut und ehrlich; mitder Liebsten Namen Beschwör ich ihn,

bloß um ihn aufzurichten.

BENVOLIO Komm! Er verbarg sich unterjenen Bäumen Und pflegt des Umgangs

mit der feuchten Nacht. Die Lieb ist blind,das Dunkel ist ihr recht.

MERCUTIO Ist Liebe blind, so zielt sie

freilich schlecht. Nun sitzt er wohl an einenBaum gelehnt Und wünscht, sein Liebchen

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wär die reife Frucht Und fiel ihm in denSchoß. Doch, gute Nacht, Freund Romeo!Ich will ins Federbett; Das Feldbett ist zum

Schlafen mir zu kalt. Komm, gehn wir?

BENVOLIO Ja, es ist vergeblich, ihn Zusuchen, der nicht will gefunden sein.

(Beide ab.)

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ZWEITE SZENE

(Capulets Garten)

(Romeo kommt.)

ROMEO Der Narben lacht, wer Wundennie gefühlt.

(Julia erscheint oben an einem Fenster.)

Doch still, was schimmert durch dasFenster dort? Es ist der Ost, und Julia dieSonne!-- Geh auf, du holde Sonn! ErtöteLunen, Die neidisch ist und schon vor

Grame bleich, Daß du viel schöner bist,obwohl ihr dienend. O da sie neidisch ist,so dien ihr nicht! Nur Toren gehn in ihrerblassen, kranken Vestalentracht einher;

wirf du sie ab! Sie ist es, meine Göttin,meine Liebe! O wüßte sie, daß sie es ist!--

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Sie spricht, doch sagt sie nichts: wasschadet das? Ihr Auge redt, ich will ihmAntwort geben.-- Ich bin zu kühn, es redet

nicht zu mir. Ein Paar der schönsten Sternam ganzen Himmel Wird ausgesandt undbittet Juliens Augen, In ihren Kreisenunterdes zu funkeln. Doch wären ihreAugen dort, die Sterne In ihrem Antlitz?Würde nicht der Glanz Von ihren Wangenjene so beschämen Wie Sonnenlicht dieLampe? Würd ihr Aug Aus luftgen Höhnsich nicht so hell ergießen, Daß Vögel

sängen, froh den Tag zu grüßen? O wie sieauf die Hand die Wange lehnt! Wär ich derHandschuh doch auf dieser Hand Undküßte diese Wange!

JULIA Weh mir!

ROMEO Horch! Sie spricht. O sprich

noch einmal, holder Engel! Denn übermeinem Haupt erscheinest du Der Nacht

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so glorreich, wie ein Flügelbote DesHimmels dem erstaunten, über sichGekehrten Aug der Menschensöhne, die

Sich rücklings werfen, um ihmnachzuschaun, Wenn er dahin fährt auf denträgen Wolken Und auf der Luftgewölbtem Busen schwebt.

JULIA O Romeo! Warum denn Romeo?Verleugne deinen Vater, deinen Namen!Willst du das nicht, schwör dich zu meinemLiebsten, Und ich bin länger keine

Capulet!

ROMEO (für sich.) Hör ich noch länger,oder soll ich reden?

JULIA Dein Nam ist nur mein Feind. Dubliebst du selbst, Und wärst du auch keinMontague. Was ist Denn Montague? Es ist

nicht Hand, nicht Fuß, Nicht Arm nochAntlitz, noch ein andrer Teil Von einem

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Menschen. Sei ein andrer Name! Was istein Name? Was uns Rose heißt, Wie esauch hieße, würde lieblich duften; So

Romeo, wenn er auch anders hieße, Erwürde doch den köstlichen GehaltBewahren, welcher sein ist ohne Titel. ORomeo, leg deinen Namen ab, Und für denNamen, der dein Selbst nicht ist, Nimmmeines ganz!

ROMEO (indem er näher hinzutritt.) Ichnehme dich beim Wort. Nenn Liebster

mich, so bin ich neu getauft Und willhinfort nicht Romeo mehr sein.

JULIA Wer bist du, der du, von der Nacht

beschirmt, Dich drängst in meines HerzensRat?

ROMEO Mit Namen Weiß ich dir nicht zu

sagen, wer ich bin. Mein eigner Name,teure Heilge, wird, Weil er dein Feind ist,

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von mir selbst gehaßt; Hätt ich ihnschriftlich, so zerriss' ich ihn.

JULIA Mein Ohr trank keine hundertWorte noch Von diesen Lippen, doch eskennt den Ton. Bist du nicht Romeo, einMontague?

ROMEO Nein, Holde; keines, wenn direins mißfällt.

JULIA Wie kamst du her? O sag mir, und

warum? Die Gartenmaur ist hoch, schwerzu erklimmen; Die Stätt ist Tod--bedenknur, wer du bist--, Wenn einer meinerVettern dich hier findet.

ROMEO Der Liebe leichte Schwingentrugen mich, Kein steinern Bollwerk kannder Liebe wehren; Und Liebe wagt, was

irgend Liebe kann, Drum hielten deineVettern mich nicht auf.

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JULIA Wenn sie dich sehn, sie werdendich ermorden.

ROMEO Ach, deine Augen drohn mirmehr Gefahr Als zwanzig ihrer Schwerter;blick du freundlich, So bin ich gegen ihrenHaß gestählt.

JULIA Ich wollt um alles nicht, daß siedich sähn.

ROMEO Vor ihnen hüllt mich Nacht inihren Mantel. Liebst du mich nicht, so laßsie nur mich finden; Durch ihren Haß zusterben wär mir besser Als ohne deine

Liebe Lebensfrist.

JULIA Wer zeigte dir den Weg zu diesemOrt?

ROMEO Die Liebe, die zuerst mich

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forschen hieß; Sie lieh mir Rat, ich lieh ihrmeine Augen. Ich bin kein Steuermann,doch wärst du fern Wie Ufer, von dem

fernsten Meer bespült, Ich wagte michnach solchem Kleinod hin.

JULIA Du weißt, die Nacht verschleiertmein Gesicht, Sonst färbte Mädchenrötemeine Wangen Um das, was du vorhinmich sagen hörtest. Gern hielt ich strengauf Sitte, möchte gern Verleugnen, was ichsprach; doch weg mit Form! Sag, liebst du

mich? Ich weiß, du wirsts bejahn, Und willdem Worte traun; doch wenn du schwörst,So kannst du treulos werden; wie siesagen, Lacht Jupiter des Meineids der

Verliebten. O holder Romeo, wenn dumich liebst: Sags ohne Falsch! Dochdächtest du, ich sei Zu schnell besiegt, sowill ich finster blicken, Will widerspenstig

sein und Nein dir sagen, So du dannwerben willst; sonst nicht um alles. Gewiß,

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mein Montague, ich bin zu herzlich, Dukönntest denken, ich sei leichten Sinns. Ichglaube, Mann, ich werde treuer sein Als

sie, die fremd zu tun geschickter sind.Auch ich, bekenn ich, hätte fremd getan,Wär ich von dir, eh ichs gewahrte, nichtBelauscht in Liebesklagen. Drum vergib!Schilt diese Hingebung nicht Flatterliebe,Die so die stille Nacht verraten hat.

ROMEO Ich schwöre, Fräulein, bei demheilgen Mond, Der silbern dieser Bäume

Wipfel säumt--Lieben sei!

ROMEO Wobei denn soll ich schwören?

JULIA Laß es ganz! Doch willst du, schwörbei deinem edlen Selbst, Dem Götterbildemeiner Anbetung; So will ich glauben.

ROMEO Wenn die Herzensliebe--

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JULIA Gut, schwöre nicht! Obwohl ichdein mich freue, Freu ich mich nicht desBundes dieser Nacht. Er ist zu rasch, zu

unbedacht, zu plötzlich, Gleicht allzusehrdem Blitz, der nicht mehr ist, Noch eh mansagen kann: es blitzt.--Schlaf süß! DesSommers warmer Hauch kann dieseKnospe Der Liebe wohl zur schönen Blumentfalten, Bis wir das nächste Mal unswiedersehn. Nun gute Nacht! So süße Ruhund Frieden, Als mir im Busen wohnt, seidir beschieden.

ROMEO Ach, willst du lassen mich soungetröstet?

JULIA Welch Tröstung kannst du dieseNacht begehren?

ROMEO Gib deinen treuen Liebesschwur

für meinen!

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JULIA Ich gab ihn dir, eh du darumgefleht; Und doch, ich wollt, er stündenoch zu geben.

ROMEO Wolltst du mir ihn entziehn?Wozu das, Liebe?

JULIA Um unverstellt ihn dirzurückzugeben. Allein ich wünsche, wasich habe, nur. So grenzenlos ist meineHuld, die Liebe So tief ja wie das Meer. Jemehr ich gebe, Je mehr auch hab ich:

beides ist unendlich. Ich hör im HausGeräusch; leb wohl. Geliebter!

(Die Wärterin ruft hinter der Szene.)

Gleich, Amme! Holder Montague, seitreu! Wart einen Augenblick; ich kommewieder!

(Sie geht zurück.)

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ROMEO O selge, selge Nacht! Nur fürchtich, weil Mich Nacht umgibt, dies alles sei

nur Traum, Zu schmeichelnd süß, umwirklich zu bestehn.

(Julia erscheint wieder am Fenster.)

JULIA Drei Worte, Romeo, dann guteNacht! Wenn deine Liebe tugendsamgesinnt Vermählung wünscht, so laß michmorgen wissen Durch jemand, den ich zu

dir senden will, Wo du und wann dieTrauung willst vollziehn. Dann leg ich dirmein ganzes Glück zu Füßen Und folgedurch die Welt dir, meinem Herrn.

(Die Wärterin hinter der Szene: Fräulein!)

Ich komme, gleich!--Doch meinst du es

nicht gut, So bitt ich dich--

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(Die Wärterin hinter der Szene: Fräulein!)

Im Augenblick, ich komme! --Hör auf zu

werben, laß mich meinem Gram! Ichsende morgen früh.

ROMEO Beim ewgen Heil!

JULIA Nun tausend gute Nacht!

(Geht zurück.)

ROMEO Raubst du dein Licht ihr, wird siebang durchwacht. Wie Knaben aus derSchul eilt Liebe hin zum Lieben, WieKnaben an ihr Buch wird sie

hinweggetrieben.

(Er entfernt sich langsam. Julia erscheintwieder am Fenster.)

JULIA St! Romeo, st! O eines Jägers

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Stimme, Den edlen Falken wiederherzulocken! Abhängigkeit ist heiser, wagtnicht laut Zu reden, sonst zersprengt ich

Echos Kluft Und machte heisrer ihre luftgeKehle Als meine mit dem Namen Romeo.

ROMEO (umkehrend.) Mein Leben ists,das meinen Namen ruft. Wie silbersüß töntbei der Nacht die Stimme Der Liebenden,gleich lieblicher Musik Dem Ohr desLauschers!

JULIA Romeo!

ROMEO Mein Fräulein!

JULIA Um welche Stunde soll ich morgenschicken?

ROMEO Um neun.

JULIA Ich will nicht säumen; zwanzig

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Jahre Sinds bis dahin. Doch ich vergaß,warum Ich dich zurückgerufen.

ROMEO Laß hier mich stehn, derweil dudich bedenkst.

JULIA Auf daß du stets hier weilst, werdich vergessen, Bedenkend, wie mir deineNäh so lieb.

ROMEO Auf daß du stets vergessest,werd ich weilen, Vergessend, daß ich

irgend sonst daheim.

JULIA Es tagt beinah, ich wollte nun, dugingst; Doch weiter nicht, als wie ein

tändelnd Mädchen Ihr Vögelchen derHand entschlüpfen läßt, Gleich einemArmen in der Banden Druck, Und dannzurück ihn zieht am seidnen Faden; So

liebevoll mißgönnt sie ihm die Freiheit.

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ROMEO War ich dein Vögelchen!

JULIA Ach wärst du's. Lieber! Doch hegt

und pflegt ich dich gewiß zu Tod. Nun guteNacht! So süß ist Trennungswehe, Ich rief wohl gute Nacht, bis ich den Morgen sähe.

(Sie geht zurück.)

ROMEO Schlaf wohn auf deinem Aug,Fried in der Brust! O wär ich Fried undSchlaf und ruht in solcher Lust! Ich will zur

Zell des frommen Vaters gehen, MeinGlück ihm sagen und um Hülf ihn flehen.

(Ab.)

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DRITTE SZENE

([Ein Klostergarten] Bruder Lorenzos

Zelle)

(Bruder Lorenzo mit einem Körbchen.)

LORENZO Der Morgen lächelt froh derNacht ins Angesicht Und säumet dasGewölk im Ost mit Streifen Licht. Die matteFinsternis flieht wankend, wie betrunken,

Von Titans Pfad, besprüht von seiner RosseFunken. Eh höher nun die Sonn ihrglühend Aug erhebt, Den Tau der Nachtverzehrt und neu die Welt belebt, Muß ich

dies Körbchen hier voll Kraut und Blumenlesen, Voll Pflanzen giftger Art unddiensam zum Genesen. Die Mutter derNatur, die Erd, ist auch ihr Grab, Und was

ihr Schoß gebar, sinkt tot in ihn hinab, UndKinder mannigfalt, so all ihr Schoß

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empfangen, Sehn wir, gesäugt von ihr, anihren Brüsten hangen. An vielen Tugendensind viele drunter reich, Ganz ohne Wert

nicht eins, doch keins dem andern gleich.Oh, große Kräfte sinds, weiß man sie rechtzu pflegen, Die Pflanzen, Kräuter, Stein inihrem Innern hegen; Was nur auf Erdenlebt, da ist auch nichts so schlecht, Daß esder Erde nicht besondern Nutzen brächt.Doch ist auch nichts so gut, das, diesemZiel entwendet, Abtrünnig seiner Art, sichnicht durch Mißbrauch schändet. In Laster

wandelt sich selbst Tugend, falsch geübt,Wie Ausführung auch wohl dem LasterWürde gibt. Die kleine Blume hierbeherbergt giftge Säfte In ihrer zarten Hüll

und milde Heilungskräfte! Sie labet denGeruch und dadurch jeden Sinn; Gekostet,dringt sie gleich zum Herzen tötend hin.Zwei Feinde lagern so im menschlichen

Gemüte Sich immerdar im Kampf:verderbter Will und Güte, Und wo das

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Schlechtre herrscht mit siegender Gewalt,Dergleichen Pflanze frißt des Todes Wurmgar bald.

(Romeo tritt auf.)

ROMEO Mein Vater, guten Morgen!

LORENZO Sei der Herr gesegnet! Wes istder frühe Gruß, der freundlich mirbegegnet? Mein junger Sohn, es zeigt, daßwildes Blut dich plagt, Daß du dem Bett so

früh schon Lebewohl gesagt. Die wacheSorge lauscht im Auge jedes Alten, UndSchlummer bettet nie sich da, wo Sorgenwalten; Doch da wohnt goldner Schlaf, wo

mit gesundem Blut Und grillenfreiem Hirndie frische Jugend ruht. Drum läßt michsicherlich dein frühes Kommen wissen,Daß innre Unordnung vom Lager dich

gerissen. Wie? Oder hätte gar meinRomeo die Nacht --Nun rat ichs

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besser--nicht im Bette hingebracht?

ROMEO So ists, ich wußte mir viel süßre

Ruh zu finden.

LORENZO Verzeih die Sünde Gott! Warstdu bei Rosalinden?

ROMEO Bei Rosalinden, ich? EhrwürdgerVater, nein! Vergessen ist der Nam unddieses Namens Pein.

LORENZO Das ist mein wackrer Sohn!Allein wo warst du? Sage!

ROMEO So hör; ich sparte gern dir eine

zweite Frage. Ich war bei meinem Feindauf einem Freudenmahl, Und daverwundete mich jemand auf einmal.Desgleichen tat ich ihm, und für die

beiden Wunden Wird heilge Arzenei beideinem Amt gefunden. Ich hege keinen

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Groll, mein frommer, alter Freund, Dennsieh, zustatten kommt die Bitt auch meinemFeind.

LORENZO Einfältig, lieber Sohn! NichtSilben fein gestochen! Wer Rätsel beichtet,wird in Rätseln losgesprochen.

ROMEO So wiss' einfältiglich: Ich wandteSeel und Sinn In Lieb auf Capuletsholdselge Tochter hin. Sie gab ihr ganzesHerz zurück mir für das meine, Und uns

Vereinten fehlt zum innigsten Vereine Dieheilge Trauung nur; doch wie und wo undwann Wir uns gesehn, erklärt und Schwurum Schwur getan, Das alles will ich dir auf

unserm Weg erzählen; Nur bitt ich, willgedrein, noch heut uns zu vermählen!

LORENZO O heiliger Sankt Franz! Was

für ein Unbestand! Ist Rosalinde schon ausdeiner Brust verbannt, Die du so heiß

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geliebt? Liegt junger Männer Liebe Dennin den Augen nur, nicht in des HerzensTriebe? O heiliger Sankt Franz! Wie wusch

ein salzig Naß Um Rosalinden dir so oft dieWangen blaß! Und löschen konnten dochso viele Tränenfluten Die Liebe nimmerdir; sie schürten ihre Gluten. Nochschwebt der Sonn ein Dunst von deinenSeufzern vor, Dein altes Stöhnen summtmir noch im alten Ohr, Sieh, auf derWange hier ist noch die Spur zu sehen Voneiner alten Trän, die noch nicht will

vergehen. Und warst du je du selbst unddiese Schmerzen dein, So war der Schmerzund du für Rosalind allein. Und soverwandelt nun? Dann leide, daß ich

spreche: Ein Weib darf fallen, wohnt inMännern solche Schwäche.

ROMEO Oft schmältest du mit mir um

Rosalinden schon.

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LORENZO Weil sie dein Abgott war, nichtweil du liebtest, Sohn.

ROMEO Und mahntest oft mich an, dieLiebe zu besiegen.

LORENZO Nicht um in deinem Sieg derzweiten zu erliegen.

ROMEO Ich bitt dich, schmäl nicht! Sie,der jetzt mein Herz gehört, Hat Lieb umLiebe mir und Gunst um Gunst gewährt.

Das tat die andre nie.

LORENZO Sie wußte wohl, dein LiebenSei zwar ein köstlich Wort, doch nur in

Sand geschrieben. Komm, jungerFlattergeist! Komm nur, wir wollen gehn;Ich bin aus einem Grund geneigt, dirbeizustehn: Vielleicht, daß dieser Bund zu

großem Glück sich wendet Und eurerHäuser Groll durch ihn in Freundschaft

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endet.

ROMEO O laß uns fort von hier! Ich bin in

großer Eil.

LORENZO Wer hastig läuft, der fällt; drumeile nur mit Weil.

(Beide ab.)

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VIERTE SZENE

(Eine Straße)

(Benvolio und Mercutio kommen.)

MERCUTIO Wo, Teufel, kann der Romeostecken? Kam er heute nacht nicht nachHause?

BENVOLIO Nach seines Vaters Hause

nicht; ich sprach seinen Diener.

MERCUTIO Ja, dies hartherzgeFrauenbild, die Rosalinde, Sie quält ihn so,

er wird gewiß verrückt.

BENVOLIO Tybalt, des alten CapuletVerwandter, Hat dort ins Haus ihm einen

Brief geschickt.

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MERCUTIO Eine Ausforderung, so wahrich lebe!

BENVOLIO Romeo wird ihm die Antwortnicht schuldig bleiben.

MERCUTIO Auf einen Brief kann ein jederantworten, wenn er schreiben kann.

BENVOLIO Nein, ich meine, er wird demBriefsteller zeigen, daß er Mut hat, wennman ihm so was zumutet.

MERCUTIO Ach, der arme Romeo; er istja schon tot! Durchbohrt von einer weißenDirne schwarzem Auge; durchs Ohr

geschossen mit einem Liebesliedchen;seine Herzensscheibe durch den Pfeil deskleinen blinden Schützen mittenentzweigespalten. Ist er der Mann

darnach, es mit dem Tybalt aufzunehmen?

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BENVOLIO Nun, was ist Tybalt dennGroßes?

MERCUTIO Kein papierner Held, daskann ich dir sagen! Oh, er ist einbeherzter Zeremonienmeister der Ehre.Er ficht, wie Ihr ein Liedlein singt, hält Taktund Maß und Ton. Er beobachtet seinePausen; eins--zwei--drei; dann sitzt Euchder Stoß in der Brust! Er bringt Euch einenseidnen Knopf unfehlbar ums Leben. EinRaufer, ein Raufer! Ein Ritter vom ersten

Range, der Euch alle Gründe einesEhrenstreits an den Fingern herzuzählenweiß. Ach die göttliche Passade! Diedoppelte Finte! Der!

BENVOLIO Der--was?

MERCUTIO Der Henker hole diese

phantastischen, gezierten, lispelndenEisenfresser! Was sie für neue Töne

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anstimmen!--"Eine sehr gute Klinge"--"Einsehr wohlgewachsener Mann!"--"Eine sehrgute Hure!"--Wetter, sie hatte doch einen

bessern Liebhaber, um sie zu bereimen!--,Dido eine Trutschel, Kleopatra eineZigeunerin, Helena und Hero Metzen undlose Dirnen, Thisbe ein artiges Blauaugeoder sonst so was, will aber nichtsvorstellen.

(Romeo tritt auf.)

Signor Romeo, bonjour! Da habt Ihreinen französischen Gruß für Eurefranzösischen Pumphosen! Ihr spieltet unsdiese Nacht einen schönen Streich.

ROMEO Guten Morgen, meine Freunde!Was für einen Streich?

MERCUTIO Einen Diebesstreich. Ihrstahlt Euch unversehens davon.

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ROMEO Verzeihung, guter Mercutio. Ichhatte etwas Wichtiges vor, und in einem

solchen Falle tut man wohl einmal derHöflichkeit Gewalt an.

MERCUTIO Das soll wohl heißen, daß ineinem solchen Falle ein Mann dazuvergewaltigt wird, sich in den Schenkelnzu verbeugen.

ROMEO Das bedeutet, einen höflichen

Knicks zu machen.

MERCUTIO Du hast es allergnädigsterfaßt.

ROMEO Eine äußerst höfliche Auslegung.

MERCUTIO Ich bringe die Höflichkeit zur

höchsten Blüte.

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ROMEO Blüte steht für Blume.

MERCUTIO Richtig.

ROMEO Nun, dann ist mein Tanzschuh gutgeblümt.

MERCUTIO Gut gesagt: spinne mir nundiesen Scherz weiter, bis du deinenTanzschuh abgenutzt hast; so daß, wennseine einzige Sohle abgenutzt ist, derScherz solo und einzigartig hernach übrig

bleibe.

ROMEO Oh einfachbesohlter Scherz,einfach einzigartig in seiner Einfalt!

MERCUTIO Tritt zwischen uns, guterBenvolio; mein Witz schwindet mir.

ROMEO Dann gib ihm Peitsche undSporen, Peitsche und Sporen; oder ich rufe

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mich zum Sieger aus.

MERCUTIO Nein, wenn dein Witz ebenso

ziellos herumgaloppiert wie bei einerWildgansjagd, bin ich fertig; denn du hastmehr von einer schnatternden Wildgans ineinem deiner Sinne, da bin ich mir sicher,als ich in meinen ganzen fünfen: bin ichEuch mit der Schnatterei zu nahe getreten?

Wildgansjagd (wild-goose chase: EinWettrennen zu Pferde, bei dem der

führende Reiter die Strecke bestimmt. Imübertragenen Sinn: ein sehr wenigerfolgversprechendes Unternehmen.

ROMEO Du bist nie nahe zu mir getreten,außer mit Schnatterei.

MERCUTIO Für diesen Scherz werde ich

dir am Ohr knabbern.

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ROMEO Nein, guter Gänserich, beißmich nicht.

MERCUTIO Dein Witz ist wie ein sehrbitterer Süßapfel; er ist eine äußerstscharfe Soße.

ROMEO Und ist er dann nicht genau dierichtige Beilage zu einer süßen Gans?

MERCUTIO Oh, das ist ein Witz ausGlacéleder, der sich von einem kleinen

Zoll auf eine große Elle dehnen läßt!

ROMEO Ich werde ihn durch das Wort"groß" ausdehnen, welches, wenn es der

Gans hinzugefügt wird, dich weit und breitals eine große Schnattergans dastehenläßt.

MERCUTIO Wie nun? [Du sprichst jaganz menschlich. Wie kommt es, daß du

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auf einmal deine aufgeweckte Zunge unddeine muntern Augen wiedergefundenhast? So hab ich dich gern.] Ist das nicht

besser als das ewige Liebesgekrächze?Jetzt bist du umgänglich, jetzt bist duRomeo; jetzt bist du was du bist, in deinerKunst ebenso wie in deiner Natur, denndieser faselnde Amor ist wie ein großerEinfaltspinsel, der lächsend auf und abrennt, um sein Stöckchen in einem Loch zuverstecken.

BENVOLIO Halt ein, halt ein.

MERCUTIO Du wünschst, daß ich meineErgüße unzeitig beende.

BENVOLIO Ansonsten wäre es dir zu langgeworden.

MERCUTIO O, du irrst dich; es wäresogleich wieder kurz geworden, denn ich

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bin bereits in die volle Tiefevorgedrungen und beabsichtigte in derTat, auf dem Fall nicht länger

herumzureiten.

ROMEO Seht den prächtigen Aufzug!

(Die Wärterin und Peter hinter ihr.)

MERCUTIO Was kommt da angesegelt?

BENVOLIO Zwei, zwei: ein Männerhemd

und ein Unterrock.

WÄRTERIN Peter!

PETER Was beliebt?

WÄRTERIN Meinen Fächer, Peter!

MERCUTIO Gib ihn ihr, guter Peter, umihr Gesicht zu verstecken. Ihr Fächer ist

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viel hübscher wie ihr Gesicht.

WÄRTERIN Schönen guten Morgen, Ihr

Herren!

MERCUTIO Schönen guten Abend,schöne Dame!

WÄRTERIN Warum guten Abend?

MERCUTIO Euer Brusttuch deutet auf Sonnenuntergang.

WÄRTERIN Pfui, was ist das für einMensch?

ROMEO Einer, Verehrte, den Gottgeschaffen hat, daß er sich selbstverderbe.

WÄRTERIN Schön gesagt, bei meinerSeele! Daß er sich selbst verderbe! Ganz

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recht! Aber, Ihr Herren, kann mir keinervon Euch sagen, wo ich den jungen Romeofinde?

ROMEO Ich kanns Euch sagen; aber derjunge Romeo wird älter sein, wenn Ihr ihngefunden habt, als er war, da Ihr ihnsuchtet. Ich bin der Jüngste, der denNamen führt, weil kein schlechterer dawar.

WÄRTERIN Gut gegeben.

MERCUTIO So? Ist das Schlechteste gutgegeben? Nun wahrhaftig: gut begriffen!Sehr vernünftig!

WÄRTERIN Wenn Ihr Romeo seid, meinHerr, so wünsche ich Euch insgeheim zusprechen.

BENVOLIO Sie wird ihn irgendwohin auf

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den Abend bitten.

MERCUTIO Eine Kupplerin, eine

Kupplerin! Ho, ho!

BENVOLIO Was witterst du?

MERCUTIO [Neue Jagd, neue Jagd!--]Kein Häschen, mein Herr; außer vielleichteiner Häsin, mein Herr, in einerFastenspeise, die schon etwas schal undschimmelig-grau geworden ist, bevor sie

vernascht wurde. (Singt.) Ein Has',ergraut, Und ein Has', ergraut, Welch sehrgute Fastenspeis'; Doch ein Has', derergraut, Ist zu viel zugetraut, Wenns

ergraut eh' ichs verspeis.

Es ist sicher kein Zufall, daß das Wort"hoar" (ergraut) genauso klingt wie

"whore" (Hure) und daß diesprichwörtliche Vermehrungsfreudigkeit

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der Hasen auch eine Interpretation von"hare" (Hase) als Hure nahelegt. So lautetdie erste Zeile wörtlich "Ein alter Hase,

(der) ergraut (ist)", doch der Zuhörerversteht "Eine alte Hure".

Romeo, kommt nach Eures Vaters Hause,wir wollen zu Mittag da essen.

ROMEO Ich komme euch nach.

MERCUTIO Lebt wohl, alte Schöne! Lebt

wohl, (Singt.) o Schöne--Schöne--Schöne!

(Benvolio und Mercutio gehen ab.)

WÄRTERIN Sagt mir doch, was war dasfür ein unverschämter Gesell, der nichtsals Schelmstücke im Kopfe hatte?

ROMEO Jemand, der sich selbst gernreden hört, meine gute Frau, und der in

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einer Minute mehr spricht, als er in einemMonate verantworten kann.

WÄRTERIN Ja, und wenn er auf mich waszu sagen hat, so will ich ihn bei den Ohrenkriegen, und wäre er auch nochvierschrötiger, als er ist, und zwanzigsolcher Hasenfüße obendrein; und kannichs nicht, so könnens andre. So 'nLausekerl! Ich bin keine von seinenKreaturen, ich bin keine von seinenKarnuten. (Zu Peter.) Und du mußt auch

dabeistehen und leiden, daß jeder Schuftsich nach Belieben über mich hermacht!

PETER Ich habe nicht gesehn, daß sich

jemand über Euch hergemacht hätte, sonsthätte ich geschwind vom Leder gezogen,das könnt Ihr glauben. Ich kann so gutausziehen wie ein andrer, wo es einen

ehrlichen Zank gibt und das Recht auf meiner Seite ist.

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WÄRTERIN Nu, weiß Gott, ich habe michso geärgert, daß ich am ganzen Leibe

zittre. So 'n Lausekerl!--Seid so gütig, meinHerr, auf ein Wort! Und was ich Euchsagte: Mein junges Fräulein befahl mir.Euch zu suchen. Was sie mir befahl. Euchzu sagen, das will ich für mich behalten;aber erst laßt mich Euch sagen, wenn Ihrsie wolltet bei der Nase herumführen,sozusagen, das wäre eine unartigeAufführung, sozusagen. Denn seht, das

Fräulein ist jung, und also, wenn Ihr falschgegen sie zu Werke gingt, das würde sichgar nicht gegen ein Fräulein schicken undwäre ein recht nichtsnutziger Handel.

ROMEO Empfiehl mich deinem Fräulein!Ich beteure dir--

WÄRTERIN Du meine Zeit! Gewiß undwahrhaftig, das will ich ihr wiedersagen. O

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jemine, sie wird sich vor Freude nicht zulassen wissen!

ROMEO Was willst du ihr sagen, guteFrau? Du gibst nicht Achtung.

WÄRTERIN Ich will ihr sagen, daß Ihrbeteuert, und ich meine, das ist recht wieein Kavalier gesprochen.

ROMEO Sag ihr, sie mög ein Mittel dochersinnen, Zur Beichte diesen Nachmittag

zu gehn. Dort in Lorenzos Zelle sollalsdann, Wenn sie gebeichtet, unsreTrauung sein. Hier ist für deine Müh.

WÄRTERIN Nein, wahrhaftig, Herr,keinen Pfennig!

ROMEO Nimm, sag ich dir; du mußt!

WÄRTERIN Heut nachmittag? Nun gut,

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sie wird Euch treffen.

ROMEO Du, gute Frau, wart hinter der

Abtei, Mein Diener soll dir diese Stundenoch, Geknüpft aus Seilen, eine Leiterbringen, Die zu dem Gipfel meinerFreuden ich Hinan will klimmen ingeheimer Nacht. Leb wohl! Sei treu, solohn ich deine Müh. Leb wohl! Empfiehlmich deinem Fräulein!

WÄRTERIN Nun, Gott der Herr gesegn

es!--Hört, noch eins!

ROMEO Was willst du, gute Frau?

WÄRTERIN Schweigt Euer Diener? HabtIhr nie vernommen: Wo zwei zu Rate gehn,laßt keinen dritten kommen?

ROMEO Verlaß dich drauf, der Menschist treu wie Gold.

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WÄRTERIN Nun gut, Herr, meineHerrschaft ist ein allerliebstes Fräulein. O

jemine, als sie noch so ein kleinesDingelchen war--Oh, da ist ein Edelmannin der Stadt, einer, der Paris heißt, dergern einhaken möchte; aber das gute Herzmag ebenso lieb eine Kröte sehn, einerechte Kröte, als ihn.--Ich ärgre siezuweilen und sag ihr: Paris wär doch derhübscheste; aber Ihr könnt mirs glauben,wenn ich das sage, so wird sie so blaß wie

ein Tischtuch. Fängt nicht Rosmarin undRomeo mit demselben Buchstaben an?

ROMEO Ja, gute Frau; beide mit einem R.

WÄRTERIN Ach, Spaßvogel, warum nichtgar? Das schnurrt ja wie 'n Spinnrad. Nein,ich weiß wohl, es fängt mit einem andern

Buchstaben an, und sie hat dieprächtigsten Reime und Sprichwörter

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darauf, daß Euch das Herz im Leibe lachentät, wenn Ihrs hörtet.

ROMEO Empfiehl mich deinem Fräulein!

(Ab.)

WÄRTERIN Jawohl, viel tausendmal!

(Romeo geht ab.)

--Peter!

PETER Was beliebt?

WÄRTERIN Peter, nimm meinen Fächer

und geh vorauf!

(Beide ab.)

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FÜNFTE SZENE

(Capulets Garten)

(Julia tritt auf.)

JULIA Neun schlug die Glock, als ich dieAmme sandte. In einer halben Stundewollte sie Schon wieder hier sein. Kann sieihn vielleicht Nicht treffen? Nein, dasnicht. Oh, sie ist lahm! Zu Liebesboten

taugen nur Gedanken, Die zehnmalschneller fliehn als Sonnenstrahlen, Wennsie die Nacht von finstern Hügelnscheuchen. Deswegen ziehn ja

leichtbeschwingte Tauben Der LiebeWagen, und Cupido hat WindschnelleFlügel. Auf der steilsten Höhe DerTagereise steht die Sonne jetzt; Von neun

bis zwölf, drei lange Stunden sinds, Unddennoch bleibt sie aus. O hätte sie Ein

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Herz und warmes, jugendliches Blut, Siewürde wie ein Ball behende fliegen, Esschnellte sie mein Wort dem Trauten zu

Und seines mir. Doch Alte tun, als lebtensie nicht mehr, Träg, unbehülflich, und wieBlei so schwer.

(Die Wärterin und Peter kommen.)

O Gott, sie kommt!

(Die Amme und Peter treten auf.)

Was bringst du, goldne Amme? Trafst duihn an? Schick deinen Diener weg!

WÄRTERIN Wart vor der Türe, Peter!

(Peter ab.)

JULIA Nun, Mütterchen? Gott, warumblickst du traurig? Ist dein Bericht schon

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traurig, gib ihn fröhlich, Und klingt er gut,verdirb die Weise nicht, Indem du sie mitsaurer Miene spielst.

WÄRTERIN Ich bin ermattet; laßt einWeilchen mich! Das war 'ne Jagd! Dasreißt in Gliedern mir!

JULIA Ich wollt, ich hätte deine Neuigkeit,Du meine Glieder. Nun, so sprichgeschwind! Ich bitt dich, liebe, liebeAmme, sprich!

WÄRTERIN Was für 'ne Hast! Könnt Ihrkein Weilchen warten? Seht Ihr nicht, daßich außer Atem bin?

JULIA Wie außer Atem, wenn du Atemhast, Um mir zu sagen, daß du keinen hast?Der Vorwand deines Zögerns währt ja

länger Als der Bericht, den du dadurchverzögerst. Gib Antwort: Bringst du Gutes

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oder Böses! Nur das, so wart ich auf dasNähere gern. Beruhge mich! Ists Gutesoder Böses?

WÄRTERIN Ei, Ihr habt mir eine rechteinfältige Wahl getroffen; Ihr versteht aucheinen Mann auszulosen! Romeo--ja, das istder rechte!--Er hat zwar ein hübscherGesicht wie andre Leute; aber seine Beinegehen über alle Beine, und Hand und Fußund die ganze Positur--es läßt sich ebennicht viel davon sagen, aber man kann sie

mit nichts vergleichen. Er ist keinAusbund von feinen Manieren, doch wettich drauf, wie ein Lamm so sanft.--Treibsnur so fort, Kind, und fürchte Gott!--Habt

Ihr diesen Mittag zu Hause gegessen?

JULIA Nein, nein! Doch all dies wußt ichschon zuvor. Was sagt er von der Trauung?

Hurtig: was?

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WÄRTERIN O je, wie schmerzt der Kopf mir! Welch ein Kopf! Er schlägt, als wollter gleich in Stücke springen. Da hier mein

Rücken, o mein armer Rücken! Gott seiEuch gnädig, daß Ihr hin und her So vielmich schickt, mich bald zu Tode hetzt.

JULIA Im Ernst, daß du nicht wohl bist, tutmir leid. Doch, beste, beste Amme, sagemir: Was macht mein Liebster?

WÄRTERIN Eur Liebster sagt, so wie ein

wackrer Herr--und ein artiger und einfreundlicher und ein hübscher Herr und,auf mein Wort, ein tugendsamer Herr.--Woist denn Eure Mutter?

JULIA Wo meine Mutter ist? Nun, sie istdrinnen; Wo wär sie sonst? Wie seltsamdu erwiderst: Eur Liebster sagt, so wie ein

wackrer Herr-- Wo ist denn Eure Mutter?

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WÄRTERIN Jemine! Seid Ihr so hitzig?Seht doch! Kommt mir nur! Ist das dieBähung für mein Gliederweh? Geht künftig

selbst, wenn Ihr 'ne Botschaft habt.

JULIA Das ist 'ne Not! Was sagt er? Bitte,sprich!

WÄRTERIN Habt Ihr Erlaubnis, heut zubeichten?

JULIA Ja.

WÄRTERIN So macht Euch auf zu EuresPaters Zelle, Da harrt ein Mann, um Euchzur Frau zu machen. Nun steigt das lose

Blut Euch in die Wangen, Gleich sind sieScharlach, wenns was Neues gibt. Eilt Ihrins Kloster; ich muß sonst wohin, Die Leiterholen, die der Liebste bald Zum Nest

hinan, wenns Nacht wird, klimmen soll. Ichbin das Lasttier, muß für Euch mich

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plagen, Doch Ihr sollt Eure Last zur Nachtschon tragen. Ich will zur Mahlzeit erst; eiltIhr zur Zelle hin!

JULIA Zu hohem Glücke, treue Pflegerin!

(Beide ab.)

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SECHSTE SZENE

(Bruder Lorenzos Zelle)

(Lorenzo und Romeo.)

LORENZO Der Himmel lächle so demheilgen Bund, Daß künftge Tag' uns nichtdurch Kummer schelten!

ROMEO Amen! So sei's! Doch laß den

Kummer kommen, So sehr er mag; wiegter die Freuden auf, Die mir in ihremAnblick eine flüchtge Minute gibt? Fügunsre Hände nur Durch deinen

Segensspruch in eins, dann tue SeinÄußerstes der Liebeswürger Tod; Genug,daß ich nur mein sie nennen darf.

LORENZO So wilde Freude nimmt einwildes Ende Und stirbt im höchsten Sieg,

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wie Feur und Pulver Im Kusse sichverzehrt. Die Süßigkeit Des Honigs widertdurch ihr Übermaß, Und im Geschmack

erstickt sie unsre Lust. Drum liebe mäßig;solche Lieb ist stet; Zu hastig und zu trägekommt gleich spät.

(Julia tritt auf.)

Hier kommt das Fräulein, sieh, Mitleichtem Tritt, der keine Blume biegt. Sieh,wie die Macht der Lieb und Wonne siegt!

(Julia tritt auf.)

JULIA Ehrwürdger Herr, ich sag Euch

guten Abend.

LORENZO Für mich und sich danktRomeo, mein Kind.

JULIA Es gilt ihm mit, sonst wär sein Dank

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zuviel.

ROMEO Ach Julia! Ist deiner Freude Maß

Gehäuft wie meins und weißt du mehr dieKunst, Ihr Schmuck zu leihn, so würze ringsdie Luft Durch deinen Hauch; laß desGesanges Mund Die Seligkeit verkünden,die wir beide Bei dieser teuern Näh imandern finden.

JULIA Gefühl, an Inhalt reicher als anWorten, Ist stolz auf seinen Wert und nicht

auf Schmuck. Nur Bettler wissen ihres GutsBetrag; Doch meine treue Liebe stieg sohoch, Daß keine Schätzung ihre Schätzerreicht.

LORENZO Kommt, kommt mit mir, wirschreiten gleich zur Sache. Ich leide nicht,daß ihr allein mir bleibt, Bis euch die Kirch

einander einverleibt.

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(Alle ab.)

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DRITTER AKT

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ERSTE SZENE

(Ein öffentlicher Platz)

(Mercutio, Benvolio, Page und Diener.)

BENVOLIO Ich bitt dich, Freund, laß unsnach Hause gehn! Der Tag ist heiß, dieCapulets sind draußen, Und treffen wir, sogibt es sicher Zank: Denn bei der Hitzetobt das tolle Blut.

MERCUTIO Du bist mir so ein Zeisig, der,sobald er die Schwelle eines Wirtshausesbetritt, mit dem Degen auf den Tisch

schlägt und ausruft: Gebe Gott, daß ichdich nicht nötig habe!--a kommen dieCapulets.

MERCUTIO Bei meiner Sohle! Michkümmerts nicht.

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(Tybalt und andre kommen.)

TYBALT (zu seinen Leuten.) Schließt euchmir an, ich will mit ihnen reden.-- GutenTag, Ihr Herrn! Ein Wort mit Euer einem!

MERCUTIO Nur ein Wort mit einem vonuns? Gebt noch was zu, laßt es ein Wortund einen Schlag sein!

TYBALT Dazu werdet Ihr mich bereit

genug finden, wenn Ihr mir Anlaß gebt.

MERCUTIO Könntet Ihr ihn nicht nehmen,ohne daß wir ihn gäben?

TYBALT Mercutio, du harmonierst mitRomeo.

MERCUTIO Harmonierst? Was? Machstdu uns zu Musikanten? Wenn du uns zu

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Musikanten machen willst, so sollst duauch nichts als Dissonanzen zu hörenkriegen. Hier ist mein Fiedelbogen, wart,

der soll Euch tanzen lehren! Alle Wetter!Über das Harmonieren!

BENVOLIO Wir reden hier auf öffentlichem Markt; Entweder sucht Eucheinen stillern Ort, Wo nicht, besprechtEuch kühl von Eurem Zwist. Sonst geht!Hier gafft ein jedes Aug auf uns.

MERCUTIO Zum Gaffen hat das Volk dieAugen; laß sie! Ich weich und wank umkeines willen, ich!

(Romeo tritt auf.)

TYBALT Herr, zieht in Frieden! Hierkommt mein Gesell.

(Romeo tritt auf.)

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MERCUTIO Ich will gehängt sein, Herr,wenn Ihr sein Meister seid. Doch stellt

Euch nur, er wird sich zu Euch halten; Indem Sinn mögen Eure Gnaden wohl Gesellihn nennen.

TYBALT Hör, Romeo! Der Haß, den ichdir schwur, Gönnt diesen Gruß dir nur: Dubist ein Schurke!

ROMEO Tybalt, die Ursach, die ich habe,

dich Zu lieben, mildert sehr die Wut, diesonst Auf diesen Gruß sich ziemt. Ich binkein Schurke, Drum lebe wohl! Ich seh, dukennst mich nicht.

TYBALT Nein, Knabe, dies entschuldigtnicht den Hohn, Den du mir angetan; kehrum und zieh!

ROMEO Ich schwöre dir, nie tat ich Hohn

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dir an. Ich liebe mehr dich, als du denkenkannst, Bis du die Ursach meiner Liebeweißt. Drum, guter Capulet, ein Name,

den Ich wert wie meinen halte, seizufrieden!

MERCUTIO O zahme, schimpfliche,verhaßte Demut! Die Kunst des Raufersträgt den Sieg davon.--

(Er zieht.)

Tybalt, du Ratzenfänger, willst du dran?

TYBALT Was willst du denn von mir?

MERCUTIO Mein guter Katzenkönig,nichts als eins von Euern neun Leben;damit will ich mich nebenbei lustigmachen, und wenn Ihr mir wieder über

den Weg lauft, auch die andern achtausklopfen. Wollt Ihr bald Euren Degen

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bei den Ohren aus der Scheide ziehn?Macht zu, sonst habt Ihr meinen um dieOhren, eh er heraus ist.

TYBALT Ich steh zu Dienst.

(Er zieht.)

ROMEO Lieber Mercutio, steck denDegen ein!

MERCUTIO Kommt, Herr! Laßt Eure

Finten sehn!

(Sie fechten.)

ROMEO Zieh, Benvolio! Schlag zwischenihre Degen! Schämt euch doch Und haltetein mit Wüten! Tybalt! Mercutio! DerPrinz verbot ausdrücklich solchen Aufruhr

In Veronas Gassen. Halt, Tybalt! FreundMercutio!

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(Tybalt entfernt sich mit seinenAnhängern.)

MERCUTIO Ich bin verwundet.-- ZumTeufel beider Sippschaft! Ich bin hin. Undist er fort? Und hat nichts abgekriegt?

BENVOLIO Bist du verwundet, wie?

MERCUTIO Ja, ja, geritzt, geritzt!--Wetter,'s ist genug.-- Wo ist mein Page?--Bursch,

hol einen Wundarzt!

(Der Page geht ab.)

ROMEO Sei guten Muts, Freund! DieWunde kann nicht beträchtlich sein.

MERCUTIO Nein, nicht so tief wie ein

Brunnen noch so weit wie eine Kirchtüre;aber es reicht eben hin. Fragt morgen

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nach mir, und Ihr werdet einen stillenMann an mir finden. Für diese Welt,glaubts nur, ist mir der Spaß

versalzen.--Hol der Henker eure beidenHäuser!--Was? Von einem Hund, einerMaus, einer Ratze, einer Katze zu Todegekratzt zu werden! Von so einem Prahler,einem Schuft, der nach dem Rechenbucheficht!--Warum zum Teufel kamt Ihrzwischen uns? Unter Eurem Arm wurdeich verwundet.

ROMEO Ich dacht es gut zu machen.

MERCUTIO O hilf mir in ein Haus hinein,Benvolio. Sonst sink ich hin.--Zum Teufel

eure Häuser! Sie haben Würmerspeis ausmir gemacht. Ich hab es tüchtig weg;verdammte Sippschaft!

(Mercutio und Benvolio ab.)

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ROMEO Um meinetwillen wurde dieserRitter, Dem Prinzen nah verwandt, meineigner Freund, Verwundet auf den Tod;

mein Ruf befleckt Durch TybaltsLästerungen, Tybalts, der Seit einer Stundemir verschwägert war. O süße Julia, deineSchönheit hat So weibisch mich gemacht;sie hat den Stahl Der Tapferkeit in meinerBrust erweicht.

(Benvolio kommt zurück.)

BENVOLIO O Romeo, der wackre Freundist tot, Sein edler Geist schwang in dieWolken sich, Der allzu früh der Erde Staubverschmäht.

ROMEO Nichts kann den Unstern diesesTages wenden; Er hebt das Weh an, andremüssens enden.

(Tybalt kommt zurück.)

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BENVOLIO Da kommt der grimmigeTybalt wieder her.

ROMEO Am Leben! Siegreich! Und meinFreund erschlagen! Nun flieh gen Himmel,schonungsreiche Milde! Entflammte Wut,sei meine Führerin!

(Tybalt kommt zurück.)

Nun, Tybalt, nimm den Schurken wieder,

den du Mir eben gabst! Der GeistMercutios Schwebt nah noch über unsernHäuptern hin Und harrt, daß deiner sichihm zugeselle. Du oder ich! sonst folgen

wir ihm beide.

TYBALT Elendes Kind, hier hieltest du'smit ihm Und sollst mit ihm von hinnen.

ROMEO Dies entscheide!

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(Sie fechten; Tybalt fällt.)

BENVOLIO Flieh, Romeo, die Bürger sindin Wehr Und Tybalt tot. Steh so versteinertnicht! Flieh, flieh, der Prinz verdammt zumTode dich, Wenn sie dich greifen. Fort,nur fort mit dir!

ROMEO Weh mir, ich Narr des Glücks!

BENVOLIO Was weilst du noch?

(Romeo ab. Bürger treten auf.)

EIN BÜRGER Wo lief er hin, der den

Mercutio totschlug? Der Mörder Tybalts?Hat ihn wer gesehn?

BENVOLIO Da liegt der Tybalt.

EIN BÜRGER Auf, Herr, geht mit mir!

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Gehorcht! Ich mahn Euch von des Fürstenwegen.

(Der Prinz mit Gefolge, Montague,Capulet, ihre Gemahlinnen und andre.)

PRINZ Wer durfte freventlich hier Streiterregen?

BENVOLIO O edler Fürst, ich kannverkünden recht Nach seinem Hergangdies unselige Gefecht. Der deinen

wackren Freund Mercutio Erschlagen,liegt hier tot, entleibt vom Romeo.

GRÄFIN CAPULET Mein Vetter! Tybalt!

Meines Bruders Kind! O Fürst! O meinGemahl! O seht, noch rinnt Das teure Blut!Mein Fürst, bei Ehr und Huld, Im Blut derMontagues tilg ihre Schuld!-- O Vetter,

Vetter!

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PRINZ Benvolio, sprich, wer hat den Streiterregt?

BENVOLIO Der tot hier liegt, von Romeoerlegt. Viel gute Worte gab ihm Romeo,Hieß ihn bedenken, wie gering der Anlaß,Wie sehr zu fürchten Euer höchster Zorn.Dies alles, vorgebracht mit sanftem Ton,Gelaßnem Blick, bescheidner Stellung,konnte Nicht Tybalts ungezähmte Wutentwaffnen. Dem Frieden taub, berennt mitscharfem Stahl Er die entschloßne Brust

Mercutios; Der kehrt gleich rasch ihmSpitze gegen Spitze Und wehrt mitKämpfertrotz mit einer Hand Den kaltenTod ab, schickt ihn mit der andern Dem

Gegner wieder, des Behendigkeit Zurückihn schleudert. Romeo ruft laut: Halt,Freunde, auseinander! Und geschwinderAls seine Zunge schlägt sein rüstger Arm,

Dazwischen stürzend, beider Mordstahlnieder. Recht unter diesem Arm traf des

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Mercutio Leben Ein falscher Stoß vomTybalt. Der entfloh, Kam aber gleich zumRomeo zurück, Der eben erst der Rache

Raum gegeben. Nun fallen sie mitBlitzeseil sich an, Denn eh ich ziehenkonnt, um sie zu trennen, War derbeherzte Tybalt umgebracht. Er fiel, undRomeo, bestürzt, entwich. Ich rede wahr,sonst führt zum Tode mich.

GRÄFIN CAPULET Er ist verwandt mitMontagues Geschlecht, Aus Freundschaft

spricht er falsch, verletzt das Recht. DieFehd erhoben sie zu ganzen Horden, Undalle konnten nur ein Leben morden. Ichfleh um Recht; Fürst, weise mich nicht ab:

Gib Romeo, was er dem Tybalt gab!

PRINZ Er hat Mercutio, ihn Romeoerschlagen; Wer soll die Schuld des teuren

Blutes tragen?

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GRÄFIN MONTAGUE Fürst, nicht meinSohn, der Freund Mercutios; Was demGesetz doch heimfiel, nahm er bloß: Das

Leben Tybalts.

PRINZ Weil er das verbrochen, Sei überihn sofort der Bann gesprochen. Michselber trifft der Ausbruch eurer Wut, Umeuren Zwiespalt fließt mein eignes Blut;Allein ich will dafür so streng euch büßen,Daß mein Verlust euch ewig sollverdrießen. Taub bin ich jeglicher

Beschönigung, Kein Flehn, kein Weinenkauft Begnadigung; Drum spart sie.Romeo flieh schnell von hinnen! Greift manihn, soll er nicht dem Tod entrinnen. Tragt

diese Leiche weg! Vernehmt mein Wort!Wenn Gnade Mörder schont, verübt sieMord!

(Alle ab.)

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ZWEITE SZENE

(Ein Zimmer in Capulets Hause)

(Julia tritt auf.)

JULIA Hinab, du flammenhufigesGespann, Zu Phöbus' Wohnung! Solch einWagenlenker Wie Phaethon jagt' euch genWesten wohl Und brächte schnell diewolkige Nacht herauf. Verbreite deinen

dichten Vorhang, Nacht, DuLiebespflegerin, damit das Auge DerNeubegier sich schließ und Romeo Mirunbelauscht in diese Arme schlüpfe.

Verliebten gnügt zu der geheimen WeiheDas Licht der eignen Schönheit, oder wennDie Liebe blind ist, stimmt sie wohl zurNacht. Komm, ernste Nacht, du züchtig

stille Frau, Ganz angetan mit Schwarz, undlehre mich Ein Spiel, wo jedes reiner

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Jugend Blüte Zum Pfände setzt, gewinnendzu verlieren! Verhülle mit dem schwarzenMantel mir Das wilde Blut, das in den

Wangen flattert, Bis scheue Liebe kühnerwird und nichts Als Unschuld sieht ininnger Liebe Tun. Komm, Nacht! Komm,Romeo, du Tag in Nacht, Denn du wirstruhn auf Fittichen der Nacht Wie frischerSchnee auf eines Raben Rücken. Komm,milde, liebevolle Nacht! Komm, gib Mirmeinen Romeo! Und stirbt er einst, Nimmihn, zerteil in kleine Sterne ihn: Er wird

des Himmels Antlitz so verschönen, Daßalle Welt sich in die Nacht verliebt Undniemand mehr der eitlen Sonne huldigt.--Ich habe Lieb erworben wie ein Haus, Und

durfte noch nicht einziehn; bin verkauft,Doch noch nicht übergeben. Dieser TagWährt so verdrießlich lang mir wie dieNacht Vor einem Fest dem ungeduldgen

Kinde, Das noch sein neues Kleid nichttragen durfte.

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(Die Wärterin mit einer Strickleiter.)

Da kommt die Amme ja, die bringtBericht, Und jede Zunge, die nur RomeoBeim Namen nennt, spricht so beredt wieEngel.

(Die Amme tritt auf mit einer Strickleiter.)

Nun, Amme? Sag, was gibts, was hast duda? Die Stricke, die dich Romeo hieß

holen?

WÄRTERIN Ja, ja, die Stricke!

(Sie wirft sie auf die Erde.)

JULIA Weh mir! Was gibts? Was ringstdu so die Hände?

WÄRTERIN Daß Gott erbarm! Er ist tot, er

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ist tot, er ist tot! Wir sind verloren,Fräulein, sind verloren! O weh uns! Er isthin! Ermordet! Tot!

JULIA So neidisch kann der Himmel sein?

WÄRTERIN Ja, das kann Romeo; derHimmel nicht. O Romeo, wer hätt es jegedacht? O Romeo, Romeo!

JULIA Welch Teufel bist du, daß du somich folterst? Die grause Hölle nur brüllt

solche Qual. Hat Romeo sich selbstermordet? Sprich! Und sagt du "Ja",vergiftet dieser Laut Mehr als des Basiliskstodbringend "Aug". Ich bin nicht "ich",

wenns gibt ein solches "Ja", Dies Auge zu,das dich zwingt zu dem "Ja".

Ein Wortspiel mit den Wörtern "aye" (ja),

"I" (ich) und "eye" (Auge), die alle gleichausgesprochen werden.

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Ist er entleibt, sag ja, wo nicht, sag nein!Ein kurzer Laut entscheidet Wonn und

Pein.

WÄRTERIN Ich sah die Wunde, meineAugen sahn sie --Behüte Gott!--auf seinertapfern Brust; Die blutge Leiche,jämmerlich und blutig, Bleich, bleich wieAsche, ganz mit Blut besudelt, Ganzstarres Blut--de wieder! Pulsschlag,hemme dich! Ein Sarg empfange Romeo

und mich!

WÄRTERIN O Tybalt, Tybalt! O meinbester Freund! Leutselger Tybalt,

wohlgesinnter Herr! So mußt ich leben, umdich tot zu sehn?

JULIA Was für ein Sturm tobt so von jeder

Seite? Ist Romeo erschlagen? Tybalt tot?Mein teurer Vetter? Teuerster Gemahl?

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Dann töne nur des Weltgerichts Posaune!Wer lebt noch, wenn dahin die beidensind?

WÄRTERIN Dahin ist Tybalt, Romeoverbannt; Verbannt ist Romeo, der ihnerschlug.

JULIA Gott! Seine Hand, vergoß sieTybalts Blut?

WÄRTERIN Sie tats, sie tats! O weh uns,

weh, sie tats!

JULIA O Schlangenherz, von Blumenüberdeckt! Wohnt' in so schöner Höhl ein

Drache je? Holdselger Wütrich!Engelgleicher Unhold! Ergrimmte Taube!Lamm mit Wolfesgier! Verworfne Art ingöttlichster Gestalt! Das rechte Gegenteil

des, was mit Recht Du scheinest: einverdammter Heiliger, Ein ehrenwerter

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Schurke!--O Natur! Was hattest du zuschaffen in der Hölle, Als du des holdenLeibes Paradies Zum Lustsitz einem Teufel

übergabst? War je ein Buch, so argerDinge voll, So schön gebunden? Oh, daßFalschheit doch Solch herrlichen Palastbewohnen kann!

WÄRTERIN Kein Glaube, keine Treu nochRedlichkeit Ist unter Männern mehr. Siesind meineidig, Falsch sind sie, lauterSchelme, lauter Heuchler!-- Wo ist mein

Diener? Gebt mir Aquavit! Die Not, dieAngst, der Jammer macht mich alt. ZuSchanden werde Romeo!

JULIA Die Zunge Erkranke dir für einensolchen Wunsch! Er war zur Schande nichtgeboren; Schande Weilt mit Beschämungnur auf seiner Stirn. Sie ist ein Thron, wo

man die Ehre mag Als Allbeherrscherinder Erde krönen. O wie unmenschlich war

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ich, ihn zu schelten!

WÄRTERIN Von Eures Vetters Mörder

sprecht Ihr Gutes?

JULIA Soll ich von meinem Gatten Üblesreden? Ach, armer Gatte! Welche Zungewird Wohl deinem Namen Liebes tun,wenn ich, Dein Weib von wenig Stunden,ihn zerrissen? Doch, Arger, was erschlugstdu meinen Vetter? Der Arge wollte denGemahl erschlagen. Zurück zu eurem

Quell, verkehrte Tränen! Dem Schmerzgebühret eurer Tropfen Zoll, Ihr bringt ausIrrtum ihn der Freude dar. Mein Gatte lebt,den Tybalt fast getötet, Und tot ist Tybalt,

der ihn töten wollte. Dies alles ist ja Trost:was wein ich denn? Ich hört einschlimmres Wort als Tybalts Tod, Das micherwürgte; ich vergäß es gern! Doch ach,

es drückt auf mein Gedächtnis schwer WieFreveltaten auf des Sünders Seele. Tybalt

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ist tot und Romeo verbannt! O dies"Verbannt", dies eine Wort "Verbannt"Erschlug zehntausend Tybalts. Tybalts

Tod War gnug des Wehes, hätt es dageendet! Und liebt das Leid Gefährten,reiht durchaus An andre Leiden sich,warum denn folgte Auf ihre Botschaft: totist Tybalt, nicht: Dein Vater, deine Mutter,oder beide? Das hätte sanftre Klage wohlerregt. Allein dies Wort: verbannt istRomeo, Aus jenes Todes Hinterhaltgesprochen, Bringt Vater, Mutter, Tybalt,

Romeo Und Julien um! Verbannt istRomeo! Nicht Maß noch Ziel kennt diesesWortes Tod, Und keine Zung erschöpfetmeine Not.-- Wo mag mein Vater, meine

Mutter sein?

WÄRTERIN Bei Tybalts Leiche heulen sieund schrein. Wollt Ihr zu ihnen gehn? Ich

bring Euch hin.

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JULIA So waschen sie die Wunden ihm mitTränen? Ich spare meine für ein bängresSehnen. Nimm diese Seile auf.--Ach, armer

Strick, Getäuscht wie ich! Wer bringt ihnuns zurück? Zum Steg der Liebe knüpft' erdeine Bande, Ich aber sterb als Braut imWitwenstande. Komm, Amme, komm! Ichwill ins Brautbett! Fort! Nicht Romeo, denTod umarm ich dort.

WÄRTERIN Geht nur ins Schlafgemach!Zum Troste find ich Euch Romeo: ich weiß

wohl, wo er steckt. Hört, Romeo soll Euchzur Nacht erfreuen; Ich geh zu ihm; beimPater wartet er.

JULIA O such ihn auf! Gib diesen Ringdem Treuen; Bescheid aufs letzteLebewohl ihn her!

(Beide ab.)

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DRITTE SZENE

(Bruder Lorenzos Zelle)

(Lorenzo und Romeo kommen.] BruderLorenzo tritt auf.)

LORENZO Komm, Romeo! Hervor, duMann der Furcht! Bekümmernis hängt sichmit Lieb an dich, Und mit demMißgeschick bist du vermählt.

(Romeo tritt auf.)

ROMEO Vater, was gibts? Wie heißt des

Prinzen Spruch? Wie heißt der Kummer,der sich zu mir drängt Und noch mir fremdist?

LORENZO Zu vertraut, mein Sohn, Bist dumit solchen widrigen Gefährten. Ich bring

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dir Nachricht von des Prinzen Spruch.

ROMEO Und hat sein Spruch mir nicht

den Stab gebrochen?

LORENZO Ein mildres Urteil floß vonseinen Lippen: Nicht Leibes Tod, nurleibliche Verbannung.

ROMEO Verbannung? Sei barmherzig!Sage: Tod! Verbannung trägt derSchrecken mehr im Blick, Weit mehr als

Tod!--O sage nicht Verbannung!

LORENZO Hier aus Verona bist du nurverbannt; Sei ruhig, denn die Welt ist groß

und weit.

ROMEO Die Welt ist nirgends außerdiesen Mauern; Nur Fegefeuer, Qual, die

Hölle selbst. Von hier verbannt ist aus derWelt verbannt, Und solcher Bann ist Tod.

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Drum gibst du ihm Den falschenNamen.--Nennst du Tod Verbannung,Enthauptest du mit goldnem Beile mich

Und lächelst zu dem Streich, der michermordet.

LORENZO O schwere Sünd, oundankbarer Trotz! Dein Fehltritt heißtnach unsrer Satzung Tod; Doch dir zuliebhat sie der gütge Fürst Beiseit gestoßenund Verbannung nur Statt jenes schwarzenWortes ausgesprochen. Und diese teure

Gnad erkennst du nicht?

ROMEO Nein, Folter; Gnade nicht! Hierist der Himmel, Wo Julia lebt, und jeder

Hund und Katze Und kleine Maus, dasschlechteste Geschöpf, Lebt hier imHimmel, darf ihr Antlitz sehn; Doch Romeodarf nicht. Mehr Würdigkeit, Mehr

Ansehn, mehr gefällge Sitte lebt In Fliegenals in Romeo. Sie dürfen Das Wunderwerk

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der weißen Hand berühren UndHimmelswonne rauben ihren Lippen, Diesittsam in Vestalenunschuld stets Erröten,

gleich als wäre Sünd ihr Kuß. Dies dürfenFliegen tun, ich muß entfliehn; Sie sind einfreies Volk, ich bin verbannt. Und sagst dunoch, Verbannung sei nicht Tod? So hattestdu kein Gift gemischt, kein MesserGeschärft, kein schmählich Mittelschnellen Todes, Als dies "Verbannt", zutöten mich? Verbannt! O Mönch!Verdammte sprechen in der Hölle Dies

Wort mit Heulen aus; hast du das Herz, Dadu ein heilger Mann, ein Beichtiger bist,Ein Sündenlöser, mein erklärter Freund,Mich zu zermalmen mit dem Wort

Verbannung?

LORENZO Du kindisch blöder Mann, hördoch ein Wort!

ROMEO O du willst wieder von

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Verbannung sprechen!

LORENZO Ich will dir eine Wehr dagegen

leihn, Der Trübsal süße Milch, Philosophie,Um dich zu trösten, bist du gleichverbannt.

ROMEO Und noch verbannt? Hängt diePhilosophie! Kann sie nicht schaffen eineJulia, Aufheben eines Fürsten Urteilspruch,Verpflanzen eine Stadt, so hilft sie nicht, Sotaugt sie nicht, so rede länger nicht!

LORENZO Nun seh ich wohl.Wahnsinnige sind taub.

ROMEO Wärs anders möglich? Sind dochWeise blind.

LORENZO Laß über deinen Fall mit dir

mich rechten!

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ROMEO Du kannst von dem, was du nichtfühlst, nicht reden. Wärst du so jung wieich und Julia dein, Vermählt seit einer

Stund, erschlagen Tybalt, Wie ich von Liebentglüht, wie ich verbannt, Dann möchtestdu nur reden, möchtest nur Das Haar dirraufen, dich zu Boden werfen Wie ich undso dein künftges Grab dir messen.

([Er wirft sich an den Boden.] Man klopftdraußen.)

LORENZO Steh auf, man klopft; verbirgdich, lieber Freund!

ROMEO O nein, wo nicht des bangen

Stöhnens Hauch Gleich Nebeln mich vorSpäheraugen schirmt.

(Man klopft.)

LORENZO Horch, wie man klopft!--Wer

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da?--Fort, Romeo! Man wird dichfangen.--Wartet doch ein Weilchen!-- Stehauf

(Man klopft.)

und rett ins Lesezimmer dich!--

(Man klopft.)

Ja, ja! im Augenblick!--Gerechter Gott,Was für ein starrer Sinn!--ehn und dich

zurückzurufen Mitzwanzighunderttausendmal mehr Freude,Als du mit Jammer jetzt von hinnen ziehst.Geh, Wärterin, voraus, grüß mir dein

Fräulein; Heiß sie das ganze Haus zu Bettetreiben, Wohin der schwere Gram vonselbst sie treibt; Denn Romeo sollkommen.

WÄRTERIN O je, ich blieb hier gern die

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ganze Nacht Und hörte gute Lehr. Da siehtman doch, Was die Gelahrtheit ist!--Nun,gnädger Herr, Ich will dem Fräulein

sagen, daß Ihr kommt.

ROMEO Tu das und sag der Holden, daßsie sich Bereite, mich zu schelten.

WÄRTERIN Gnädger Herr, Hier ist einRing, den sie für Euch mir gab. Eilt Euch,macht fort, sonst wird es gar zu spät.

(Ab.)

ROMEO Wie ist mein Mut nun wieder neubelebt!

LORENZO Geh! Gute Nacht! Und hieranhängt dein Los: Entweder geh, bevor manWachen stellt, Wo nicht, verkleidet in der

Frühe fort. Verweil in Mantua; ich forschindessen Nach deinem Diener, und er

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meldet dir Von Zeit zu Zeit ein jedes guteGlück, Das hier begegnet. Gib mir deineHand! Es ist schon spät. Fahr wohl denn!

Gute Nacht!

ROMEO Mich rufen Freuden über alleFreuden, Sonst wärs ein Leid, von dir soschnell zu scheiden. Leb wohl!

(Beide ab.)

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VIERTE SZENE

(Ein Zimmer in Capulets Hause)

(Capulet, Gräfin Capulet, Paris.)

CAPULET Es ist so schlimm ergangen,Graf, daß wir Nicht Zeit gehabt, dieTochter anzumahnen. Denn seht, sie liebteherzlich ihren Vetter. Das tat ich auch; nun,einmal stirbt man doch.-- Es ist schon spät,

sie kommt nicht mehr herunter, Ich sagEuch, wärs nicht der Gesellschaft wegen,Seit einer Stunde läg ich schon im Bett.

PARIS So trübe Zeit gewährt nicht Zeitzum Frein; Gräfin, schlaft wohl, empfehltmich Eurer Tochter!

GRÄFIN CAPULET Ich tu's und forschemorgen früh sie aus. Heut nacht verschloß

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sie sich mit ihrem Gram.

CAPULET Graf Paris, ich vermesse mich

zu stehn Für meines Kindes Lieb; ichdenke wohl, Sie wird von mir in allenStücken sich Bedeuten lassen, ja ichzweifle nicht.-- Frau, geh noch zu ihr, eh duschlafen gehst, Tu meines Sohnes ParisLieb ihr kund Und sag ihr, merk es wohl:auf nächsten Mittwoch! Still, was ist heute?

PARIS Montag, edler Herr.

CAPULET Montag? So, so! Gut, Mittwochist zu früh. Sei's Donnerstag!--Sag ihr: amDonnerstag Wird sie vermählt mit diesem

edlen Grafen. Wollt Ihr bereit sein? LiebtIhr diese Eil? Wir tuns im stillen ab: nur einpaar Freunde; Denn seht, weil Tybalt ersterschlagen ist, So dächte man, er läg uns

nicht am Herzen, Als unser Blutsfreund,schwärmten wir zu viel. Drum laßt uns ein

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halb Dutzend Freunde laden Und damitgut. Wie dünkt Euch Donnerstag?

PARIS Mein Graf, ich wollte, Donnerstagwär morgen.

CAPULET Gut, geht nur heim! Sei's dennam Donnerstag.-- Geh, Frau, zu Julien, ehdu schlafen gehst, Bereite sie auf diesenHochzeittag.-- Lebt wohl, mein Graf!

(Paris ab.)

He! Licht auf meine Kammer! Nachmeiner Weise ists so spät, daß wir Baldfrüh es nennen können. Gute Nacht!

([Capulet und die Gräfin ab.] Alle ab.)

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FÜNFTE SZENE

(Eine offene Galerie vor Juliens Zimmer

mit Blick auf den Garten)

(Romeo und Julia.)

JULIA Willst du schon gehn? Der Tag istja noch fern. Es war die Nachtigall undnicht die Lerche, Die eben jetzt deinbanges Ohr durchdrang; Sie singt des

Nachts auf dem Granatbaum dort. Glaub,Lieber, mir: es war die Nachtigall.

ROMEO Die Lerche wars, die

Tagverkünderin, Nicht Philomele; sieh denneidschen Streif, Der dort im Ost derFrühe Wolken säumt. Die Nacht hat ihreKerzen ausgebrannt, Der muntre Tag

erklimmt die dunstgen Höhn; Nur Eilerettet mich, Verzug ist Tod.

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JULIA Trau mir, das Licht ist nicht desTages Licht, Die Sonne hauchte dieses

Luftbild aus, Dein Fackelträger dieseNacht zu sein, Dir auf dem Weg nachMantua zu leuchten. Drum bleibe noch; zugehn ist noch nicht not.

ROMEO Laß sie mich greifen, ja, laß siemich töten! Ich gebe gern mich drein,wenn du es willst. Nein, jenes Grau istnicht des Morgens Auge, Der bleiche

Abglanz nur von Cynthias Stirn. Das istauch nicht die Lerche, deren Schlag Hochüber uns des Himmels Wölbung trifft. Ichbleibe gern; zum Gehn bin ich verdrossen.

Willkommen, Tod, hat Julia dichbeschlossen!-- Nun, Herz? Noch tagt esnicht, noch plaudern wir.

JULIA Es tagt, es tagt! Auf, eile, fort vonhier! Es ist die Lerche, die so heiser singt

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Und falsche Weisen, rauhen Mißtongurgelt. Man sagt, der Lerche Harmoniesei süß; Nicht diese: sie zerreißt die unsre

ja. Die Lerche, sagt man, wechselt mit derKröte Die Augen; möchte sie doch auchdie Stimme! Die Stimm ists ja, die Arm ausArm uns schreckt, Dich von mir jagt, da sieden Tag erweckt. Stets hell und hellerwirds: wir müssen scheiden.

ROMEO Hell? Dunkler stets und dunklerunsre Leiden!

(Die Wärterin kommt herein.)

WÄRTERIN Fräulein!

JULIA Amme?

WÄRTERIN Die gnädge Gräfin kommt in

Eure Kammer; Seid auf der Hut; schon regtman sich im Haus.

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(Wärterin ab.)

JULIA (das Fenster öffnend.) Tag, scheinherein, und Leben, flieh hinaus!

ROMEO Ich steig hinab; laß dich nocheinmal küssen!

(Er steigt [aus dem Fenster] herab.)

JULIA (aus dem Fenster ihm nachsehend.)

Freund! Gatte! Trauter! Bist du mirentrissen? Gib Nachricht jeden Tag, zujeder Stunde; Schon die Minut enthält derTage viel. Ach, so zu rechnen bin ich hoch

in Jahren, Eh meinen Romeo ichwiederseh.

ROMEO (außerhalb.) Leb wohl! Kein

Mittel laß ich aus den Händen, Um dir, duLiebe, meinen Gruß zu senden.

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JULIA O denkst du, daß wir je unswiedersehn?

ROMEO Ich zweifle nicht, und all diesLeiden dient In Zukunft uns zu süßeremGeschwätz.

JULIA O Gott, ich hab ein Unglück ahnendHerz, Mir deucht, ich säh dich, da du untenbist, Als lägst du tot in eines Grabes Tiefe.Mein Auge trügt mich, oder du bist bleich.

ROMEO So, Liebe, scheinst du meinenAugen auch. Der Schmerz trinkt unser Blut.Leb wohl, leb wohl!

(Ab.)

JULIA O Glück, ein jeder nennt dich

unbeständig; Wenn du es bist: was tust dumit dem Treuen? Sei unbeständig. Glück!

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Dann hältst du ihn Nicht lange, hoff ich,sendest ihn zurück.

GRÄFIN CAPULET (hinter der Szene.) He,Tochter, bist du auf?

JULIA Wer ruft mich? Ist es meinegnädge Mutter? Wacht sie so spät noch,oder schon so früh? Welch ungewohnterAnlaß bringt sie her?

(Gräfin Capulet kommt herein.)

GRÄFIN CAPULET Nun, Julia, wie gehts?

JULIA Mir ist nicht gut.

GRÄFIN CAPULET Noch immer weinendum des Vetters Tod? Willst du mit Tränenaus der Gruft ihn waschen? Und könntest

du's, das rief' ihn nicht ins Leben; Drum laßdas! Trauern zeugt von vieler Liebe, Doch

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zu viel trauern zeugt von wenig Witz.

JULIA Um einen Schlag, der so

empfindlich traf, Erlaubt zu weinen mir!

GRÄFIN CAPULET So trifft er dich; DerFreund empfindet nichts, den du beweinst.

JULIA Doch ich empfind und muß denFreund beweinen.

GRÄFIN CAPULET Mein Kind, nicht

seinen Tod so sehr beweinst du, Als daßder Schurke lebt, der ihn erschlug.

JULIA Was für ein Schurke?

GRÄFIN CAPULET Nun, der Romeo.

JULIA (beiseit.) Er und ein Schurk sind

himmelweit entfernt.--

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(Laut.)

Vergeb ihm Gott! Ich tu's von ganzem

Herzen; Und dennoch kränkt kein Mann,wie er, mein Herz.

GRÄFIN CAPULET Ja freilich, weil derMeuchelmörder lebt.

JULIA Ja, wo ihn diese Hände nichterreichen!-- O rächte niemand doch als ichden Vetter!

GRÄFIN CAPULET Wir wollen Rachenehmen, sorge nicht; Drum weine du nichtmehr. Ich send an jemand Zu Mantua, wo

der Verlaufne lebt, Der soll ein kräftigTränkchen ihm bereiten, Das bald ihn zumGefährten Tybalts macht. Dann wirst duhoffentlich zufrieden sein.

JULIA Fürwahr, ich werde nie mit Romeo

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Zufrieden sein, erblick ich ihn nicht--tot--,Wenn so mein Herz um einen Blutsfreundleidet. Ach, fändet Ihr nur jemand, der ein

Gift Ihm reichte, gnädge Frau; ich wollt esmischen, Daß Romeo, wenn ersgenommen, bald In Ruhe schliefe.--Wiemein Herz es haßt, Ihn nennen hören--undnicht zu ihm können, Die Liebe, die ich zudem Vetter trug, An dem, der ihnerschlagen hat, zu büßen!

GRÄFIN CAPULET Findst du das Mittel,

find ich wohl den Mann. Doch bring ichjetzt dir frohe Zeitung, Mädchen.

JULIA In so bedrängter Zeit kommt

Freude recht. Wie lautet sie, ich bitt Euch,gnädge Mutter?

GRÄFIN CAPULET Nun Kind, du hast 'nen

aufmerksamen Vater: Um dich von deinemTrübsinn abzubringen, Ersann er dir ein

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plötzlich Freudenfest, Des ich so wenigmich versah wie du.

JULIA Ei, wie erwünscht! Was wär das,gnädge Mutter?

GRÄFIN CAPULET Ja, denk dir, Kind, amDonnerstag frühmorgens Soll derhochedle, wackre junge Herr, Graf Paris,in Sankt Peters Kirche dich Als frohe Brautan den Altar geleiten.

JULIA Nun, bei Sankt Peters Kirch undPetrus selbst, Er soll mich nicht als froheBraut geleiten! Mich wundert diese Eil,daß ich vermählt Muß werden, eh mein

Freier kommt zu werben. Ich bitt Euch,gnädge Frau, sagt meinem Vater UndHerrn, ich wollte noch mich nichtvermählen, Und wenn ichs tue, schwör ich:

Romeo, Von dem Ihr wißt, ich haß ihn, solles lieber Als Paris sein.--Fürwahr, das ist

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wohl Zeitung!

GRÄFIN CAPULET Da kommt dein Vater,

sag du selbst ihm das, Sieh, wie er sichsvon dir gefallen läßt.

(Capulet und die Wärterin kommen.)

CAPULET Die Luft sprüht Tau beimSonnenuntergang, Doch bei demUntergange meines Neffen, Da gießt derRegen recht. Was? Eine Traufe, Mädchen?

Stets in Tränen? Stets Regenschauer? Inso kleinem Körper Spielst du auf einmalSee und Wind und Kahn, Denn deineAugen ebben stets und fluten Von Tränen

wie die See; dein Körper ist der Kahn, Derdiese salzge Flut befährt; die Seufzer SindWinde, die, mit deinen Tränen tobend,Wie die mit ihnen, wenn nicht Stille

plötzlich Erfolgt, den hin und hergeworfnen Körper Zertrümmern

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werden.--Nun, wie steht es, Frau? Hast duihr unsern Ratschluß hinterbracht?

GRÄFIN CAPULET Ja, doch sie will esnicht, sie dankt Euch sehr. Wär doch dieTörin ihrem Grab vermählt!

CAPULET Sacht, rede deutlich, rededeutlich, Frau! Was? Will sie nicht? Weißsie uns keinen Dank? Ist sie nicht stolz?Schätzt sie sich nicht beglückt, Daß wirsolch einen würdgen Herrn vermocht,

Trotz ihrem Unwert, ihr Gemahl zu sein?

JULIA Nicht stolz darauf, doch dankbar,daß Ihrs tatet. Stolz kann ich nie auf das

sein, was ich hasse, Doch dankbar selbstfür Haß, gemeint wie Liebe.

CAPULET Ei seht mir, seht mir! Kramst du

Weisheit aus? Stolz--und ich dankEuch--ner Schleife hin. Pfui, du

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bleichsüchtges Ding, du lose Dirne! DuTalggesicht!

GRÄFIN CAPULET O pfui! Seid Ihr vonSinnen?

JULIA Ich fleh Euch auf den Knien, meinguter Vater, Hört mit Geduld ein einzigWort nur an!

CAPULET Geh mir zum Henker,widerspenstge Dirne! Ich sage dirs: zur

Kirch auf Donnerstag, Sonst komm mirniemals wieder vors Gesicht. Sprich nicht!Erwidre nicht! Gib keine Antwort! DieFinger jucken mir. O Weib, wir glaubten

Uns kaum genug gesegnet, weil uns GottDies eine Kind nur sandte; doch nun sehich, Dies eine war um eines schon zuviel,Und nur ein Fluch ward uns in ihr beschert.

Du Hexe!

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WÄRTERIN Gott im Himmel segne sie!Eur Gnaden tun nicht wohl, sie so zuschelten.

CAPULET Warum, Frau Weisheit? HaltetEuern Mund, Prophetin! Schnattert mitGevatterinnen!

WÄRTERIN Ich sage keine Schelmstück!

CAPULET Geht mit Gott!

WÄRTERIN Darf man nicht sprechen?

CAPULET Still doch, altes Waschmaul!Spart Eure Predigt zum Gevatterschmaus;

Hier brauchen wir sie nicht.

GRÄFIN CAPULET Ihr seid zu hitzig!

CAPULET Gotts Sakrament, es machtmich toll! Bei Tag, Bei Nacht, spät, früh,

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allein und in Gesellschaft, Zu Hause,draußen, wachend und im Schlaf, Warmeine Sorge stets, sie zu vermählen. Nun,

da ich einen Herrn ihr ausgemittelt, Vonfürstlicher Verwandtschaft, schönenGütern, Jung, edel auferzogen, ausstaffiert,Wie man wohl sagt, mit ritterlichen Gaben,Kurz, wie man einen Mann sich wünschenmöchte, Und dann ein albern, winselndesGeschöpf, Ein weinerliches Püppchen dazu haben, Die, wenn ihr Glück erscheint,zur Antwort gibt: Heiraten will ich nicht,

ich kann nicht lieben, Ich bin zu jung, ichbitt, entschuldigt mich.-- Gut, willst dunicht, du sollst entschuldigt sein; Gras', wodu willst, du sollst bei mir nicht hausen.

Sieh zu! Bedenk! Ich pflege nicht zuspaßen. Der Donnerstag ist nah: die Handaufs Herz! Und bist du mein, so soll meinFreund dich haben; Wo nicht, geh, bettle,

hungre, stirb am Wege! Denn nie, beimeiner Seel, erkenn ich dich, Und nichts,

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was mein, soll dir zugute kommen. Bedenkdich! Glaub, ich halte, was ich schwur!

(Ab.)

JULIA Und wohnt kein Mitleid droben inden Wolken, Das in die Tiefe meinesJammers schaut? O süße Mutter, stoß michdoch nicht weg! Nur einen Monat, eineWoche Frist! Wo nicht, bereite mir dasHochzeitsbette In jener düstern Gruft, woTybalt liegt!

GRÄFIN CAPULET Sprich nicht zu mir, ichsage nicht ein Wort. Tu, was du willst,denn ich bin mit dir fertig.

(Ab.)

JULIA O Gott! Wie ist dem vorzubeugen,

Amme? Mein Gatt auf Erden, meine Treuim Himmel-- Wie soll die Treu zur Erde

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wiederkehren, Wenn sie der Gatte nicht,der Erd entweichend, Vom Himmelsendet? Tröste, rate, hilf! Weh, weh mir,

daß der Himmel solche Tücken An einemsanften Wesen übt wie mir! Was sagst du?Hast du kein erfreuend Wort, Kein Wortdes Trostes?

WÄRTERIN Meiner Seel, hier ists: Er istverbannt, und tausend gegen eins, Daß ersich nimmer wieder her getraut, Euchanzusprechen; oder tät ers doch, So müßt

es schlechterdings verstohlen sein. Nun,weil denn so die Sachen stehn, so denkich, Das beste wär, daß Ihr den Grafennähmt. Ach, er ist solch ein allerliebster

Herr! Ein Lump ist Romeo nur gegen ihn.Ein Adlersauge, Fräulein, ist so grell, Soschön, so feurig nicht, wie Paris seins. Ichwill verwünscht sein, ist die zweite Heirat

Nicht wahres Glück für Euch; weitvorzuziehn Ist sie der ersten. Oder wär

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sie's nicht? Der erste Mann ist tot, so gutals tot; Denn lebt er schon, habt Ihr dochnichts von ihm.

JULIA Sprichst du von Herzen?

WÄRTERIN Und von ganzer Seele, Sonstmöge Gott mich strafen!

JULIA Amen!

WÄRTERIN Was?

JULIA Nun ja, du hast mich wunderbargetröstet. Geh, sag der Mutter, weil ichmeinen Vater Erzürnt, so woll ich nach

Lorenzos Zelle, Zu beichten undVergebung zu empfangen.

WÄRTERIN Gewiß, das will ich; Ihr tut

weislich dran.

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(Ab.)

JULIA O alter Erzfeind, höllischer

Versucher! Ists ärgre Sünde, so zumMeineid mich Verleiten, oder meinenGatten schmähn Mit eben dieser Zunge,die zuvor Viel tausendmal ihn ohne Maßund Ziel Gepriesen hat?-- Seht, wie siefröhlich aus der Beichte kommt!

(Julia tritt auf.)

CAPULET Nun, Starrkopf? Sag, wo bistherumgeschwärmt?

JULIA Wo ich gelernt, die Sünde zu

bereun Hartnäckgen Ungehorsams gegenEuch Und Eur Gebot, und wo der heilgeMann Mir auferlegt, vor Euch michhinzuwerfen, Vergebung zu

erflehn.--Vergebt, ich bitt Euch! Von nunan will ich stets Euch folgsam sein.

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CAPULET Schickt nach dem Grafen, gehtund sagt ihm dies. Gleich morgen früh will

ich dies Band geknüpft sehn.

JULIA Ich traf den jungen Grafen beiLorenzo, Und alle Huld und Lieb erwies ichihm, So das Gesetz der Zucht nichtübertritt.

CAPULET Nun wohl, das freut mich, dasist gut.--Steh auf! So ist es recht.--Laßt mich

den Grafen sehn. Potztausend, geht, sagich, und holt ihn her!-- So wahr Gott lebt,der würdge fromme Pater, Von unsrerganzen Stadt verdient er Dank.

JULIA Kommt, Amme, wollt Ihr mit mir auf mein Zimmer? Mir helfen Putz erlesen, wieIhr glaubt, Daß mir geziemt, ihn morgen

anzulegen?

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GRÄFIN CAPULET Nein, nicht vorDonnerstag; es hat noch Zeit.

CAPULET Geh mit ihr, Amme, morgengehts zur Kirche.

(Julia und die Wärterin ab.)

GRÄFIN CAPULET Die Zeit wird kurz zuunsrer Anstalt fallen; Es ist fast Nacht.

CAPULET Blitz! Ich will frisch mich

rühren, Und alles soll schon gehn, Frau,dafür steh ich. Geh du zu Julien, hilf anihrem Putz. Ich gehe nicht zu Bett; laß michgewähren, Ich will die Hausfrau diesmal

machen.--Heda!-- Kein Mensch zurHand?--Gut, ich will selber gehn ZumGrafen Paris, um ihn anzutreiben Auf morgen früh; mein Herz ist mächtig leicht,

Seit dies verkehrte Mädchen sichbesonnen.

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(Capulet und die Gräfin ab.)

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DRITTE SZENE

(Juliens Kammer)

(Julia und die Wärterin.)

JULIA Ja, dieser Anzug ist derbeste.--Doch Ich bitt dich, liebe Amme,laß mich nun Für diese Nacht allein; dennviel Gebete Tun not mir, um den Himmelzu bewegen, Daß er auf meinen Zustand

gnädig lächle, Der, wie du weißt, verderbtund sündlich ist.

(Gräfin Capulet kommt.)

GRÄFIN CAPULET Seid ihr geschäftig?Braucht ihr meine Hülfe?

JULIA Nein, gnädge Mutter, wir erwähltenschon Zur Tracht für morgen alles

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Zubehör. Gefällt es Euch, so laßt mich jetztallein Und laßt zu Nacht die Amme mitEuch wachen, Denn sicher habt Ihr alle

Hände voll Bei dieser eilgen Anstalt.

GRÄFIN CAPULET Gute Nacht! Geh nunzu Bett und ruh; du hast es nötig.

(Gräfin Capulet und die Wärterin ab.)

JULIA Lebt wohl!--Gott weiß, wann wiruns wiedersehn. Kalt rieselt matter Schau'r

durch meine Adern, Der fast dieLebenswärm erstarren macht. Ich willzurück sie rufen mir zum Trost.Amme!--Doch was soll sie hier? Mein

düstres Spiel muß ich allein vollenden.Komm du, mein Kelch!-- Doch wie, wenndieser Trank nun gar nichts wirkte, Wirdman dem Grafen mit Gewalt mich geben?

Nein, nein! Dies solls verwehren. Lieg duhier!--

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(Sie legt einen Dolch neben sich.)

Wie? Wär es Gift, das mir mit schlauerKunst Der Mönch bereitet, mir den Tod zubringen, Auf daß ihn diese Heirat nichtentehre, Weil er zuvor mich Romeovermählt? So, fürcht ich, ists!--Doch dünktmich, kanns nicht sein, Denn er ward stetsein frommer Mann erfunden. Ich will nichtRaum so bösem Argwohn geben. Wieaber, wenn ich, in die Gruft gelegt,

Erwache vor der Zeit, da Romeo Mich zuerlösen kommt? Furchtbarer Fall! Werdich dann nicht in dem Gewölb ersticken,Des giftger Mund nie reine Lüfte

einhaucht, Und so erwürgt da liegen, wanner kommt? Und leb ich auch, könnt es nichtleicht geschehn, Daß mich das grause Bildvon Tod und Nacht Zusammen mit den

Schrecken jenes Ortes Dort im Gewölb inalter Katakombe, Wo die Gebeine aller

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meiner Ahnen Seit vielen hundert Jahrenaufgehäuft, Wo frisch beerdigt erst derblutge Tybalt Im Leichentuch verwest; wo,

wie man sagt, In mitternächtger StundeGeister hausen-- Weh, weh!--könnt esnicht leicht geschehn, daß ich, Zu früherwachend--und nun ekler Dunst,Gekreisch wie von Alraunen, die manaufwühlt, Das Sterbliche, die's hören,sinnlos macht-- Oh, wach ich auf, werd ichnicht rasend werden, Umringt von all dengreuelvollen Schrecken, Und toll mit

meiner Väter Gliedern spielen? UndTybalt aus dem Leichentuche zerren? Undin der Wut mit irgendeines AhnherrnGebein zerschlagen mein zerrüttet Hirn? O

da! Mich dünkt, ich sehe Tybalts Geist! Erspäht nach Romeo, der seinen Leib Auf einen Degen spießte.--Tybalt, halt!-- Ichkomme, Romeo! Dies trink ich dir!

([Sie trinkt und] wirft sich auf das Bett.)

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VIERTE SZENE

(Ein Saal in Capulets Hause)

(Gräfin Capulet und die Wärterin.)

GRÄFIN CAPULET Da, nehmt dieSchlüssel, holt noch mehr Gewürz!

WÄRTERIN Sie wollen Quitten undOrangen haben Für ihre Bäckerei.

(Capulet kommt.)

CAPULET Auf, rührt euch, frisch! Schon

kräht der zweite Hahn, Die Morgenglockeläutet; 's ist drei Uhr. Sieh nach demBackwerk, Frau Angelika, Spar nichtsdaran!

WÄRTERIN Topfgucker! Geht nur, geht!

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Macht Euch zu Bett! Ja, Ihr seid morgenkrank, Wenn Ihr die ganze Nacht nichtschlaf!

CAPULET Kein bißchen! Was! Ich habum Kleiners wohl Die Nächtedurchgewacht und war nie krank.

GRÄFIN CAPULET Ja, ja! Ihr wart einfeiner Vogelsteller Zu Eurer Zeit! Nunaber will ich Euch Vor solchem Wachenschon bewachen.

(Gräfin und Wärterin ab.)

CAPULET O Ehestand, o Wehestand!

Nun, Kerle!

(Diener mit Bratspießen, Scheiten undKörben treten auf.)

Was bringt ihr da!

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(Diener mit Bratspießen, Scheiten undKörben gehn über die Bühne.)

ERSTER DIENER 's ist für den Koch, Herr;was, das weiß ich nicht.

CAPULET Macht zu, macht zu!

(Erster Diener ab.)

Hol trockne Klötze, Bursch! Ruf Petern,

denn der weiß es, wo sie sind.

ZWEITER DIENER Braucht Ihr 'nen Klotz,Herr, bin ich selber da Und hab nicht

nötig, Petern anzugehn.

(Ab.)

CAPULET Blitz! Gut gesagt! Ein lustgerTeufel! ha, Du sollst das Haupt der Klötze

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sein.--Wahrhaftig, 's ist Tag; der Graf wirdmit Musik gleich kommen. Das woll er,sagt' er ja; ich hör ihn schon.

(Musik hinter der Szene.)

Frau! Wärterin! He, sag ich, Wärterin!

(Die Wärterin kommt.)

Weckt Julien auf! Geht, putzt sie mirheraus! Ich geh indes und plaudre mit dem

Grafen. Eilt Euch, macht fort! DerBräutgam ist schon da. Fort, sag ich Euch.

(Beide ab.)

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FÜNFTE SZENE

(Juliens Kammer)

(Julia auf dem Bett. Die Wärterin kommt.)

WÄRTERIN Fräulein!--Nun, Fräulein!Julia!--Nun, das schläft! He, Lamm! He,Fräulein! Pfui, Langschläferin! MeinSchätzchen, sag ich! Süßes Herz! MeinBräutchen! Was, nicht ein Laut? Ihr nehmt

Eur Teil voraus, Schlaft für 'ne Woche;denn ich steh dafür, Auf nächste Nacht hatseine Ruh Graf Paris Daran gesetzt, daßwenig Ruh Ihr habt! Behüt der Herr sie!

Wie gesund sie schläft! Ich muß sie aberwecken.--Fräulein! Fräulein! Laßt Euchden Grafen nur im Bett ertappen, Der wirdEuch schon ermuntern; meint Ihr nicht?--

Was, schon in vollen Kleidern? Und sowieder Sich hingelegt? Ich muß durchaus

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Euch wecken. He, Fräulein! Fräulein!Fräulein!-- Daß Gott, daß Gott! Zu Hülfe!Sie ist tot! Ach, liebe Zeit! Daß ich je ward

geboren! Bringt Weingeist, he! He,gnädger Herr! Frau Gräfin!

(Grafin Capulet kommt.)

GRÄFIN CAPULET Was ist das für einLärm?

WÄRTERIN O Unglückstag!

GRÄFIN CAPULET Was gibts?

WÄRTERIN Seht, seht nur! O betrübter

Tag!

GRÄFIN CAPULET O weh, o weh! MeinKind, mein einzig Leben! Erwach, leb auf,

ich sterbe sonst mit dir! O Hülfe, Hülfe!Ruft doch Hülfe!

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(Capulet kommt.)

CAPULET Schämt euch! Bringt Julien her!Der Graf ist da.

WÄRTERIN Ach sie ist tot, verblichen, tot!O wehe!

GRÄFIN CAPULET O wehe, wehe, sie isttot, tot, tot!

CAPULET Laßt mich sie sehn!--Gott helf uns! Sie ist kalt, Ihr Blut steht still, dieGlieder sind ganz starr, Von diesen Lippenschied das Leben längst, Der Tod liegt auf

ihr, wie ein Maienfrost Auf des Gefildesschönster Blume liegt. Fluch dieser Stund!Ich armer alter Mann!

WÄRTERIN O Unglückstag!

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GRÄFIN CAPULET O jammervolleStunde!

CAPULET Der Tod, der mir sie nahm, mirKlagen auszupressen, Er bindet meineZung und macht sie stumm.

(Bruder Lorenzo, Graf Paris undMusikanten treten auf.)

LORENZO Kommt! Ist die Braut bereit zurKirch zu gehn?

CAPULET Bereit zu gehn, um niezurückzukehren.-- O Sohn, die Nacht vordeiner Hochzeit buhlte Der Tod mit deiner

Braut. Sieh, wie sie liegt, Die Blume, die inseinem Arm verblühte. Mein Eidam ist derTod, der Tod mein Erbe; Er freite meineTochter. Ich will sterben, Ihm alles lassen;

wer das Leben läßt, Der läßt dem Todealles.

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PARIS Hab ich nach dieses Morgens Lichtgeschmachtet, Und bietet es mir solchen

Anblick dar?

GRÄFIN CAPULET Unseliger, verhaßter,schwarzer Tag! Der Stundenjammervollste, so die Zeit Seit ihrer langenPilgerschaft gesehn. Nur eins, ein einzigarmes, liebes Kind, Ein Wesen nur, michdran zu freun, zu laben-- Und grausam rißes nun der Tod mir weg!

WÄRTERIN O Weh! OJammer--Jammer--Sachen hier sehn garerbärmlich aus.

(Ab.)

[ZWEITER] ERSTER MUSIKANT (zeigt auf

sein Instrument.) Ja, meiner Treu, dieSachen hier könnten wohl besser

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aussehen, aber sie klingen doch gut.

Im Original bezieht der Musiker den

Ausspruch der Amme aufgrund derDoppeldeutigkeit des Wortes "case"(Sache, Kasten) auf den Kasten für seinInstrument: "Ja, bei meiner Treu, denKasten kann man doch ausbessern."

PETER O Musikanten, Musikanten, spielt:"Frisch auf, mein Herz! Frisch auf, meinHerz, und singe!" O spielt, wenn euch

mein Leben lieb ist, spielt: "Frisch auf,mein Herz!"

ERSTER MUSIKANT Warum: "Frisch auf,

mein Herz?"

PETER O Musikanten, weil mein Herzselber spielt: "Mein Herz voll Angst und

Nöten." O spielt mir eine lustige Litanei,um mich aufzurichten.

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[ZWEITER] ERSTER MUSIKANT Nichts davon Litanei! Es ist jetzt nicht Spielens Zeit.

PETER Ihr wollt es also nicht?

[MUSIKANTEN] ERSTER MUSIKANT Nein.

PETER Nun, so will ich es euch schon[eintränken] gründlich geben.

ERSTER MUSIKANT Was wollt Ihr uns

[eintränken] geben?

PETER [Keinen Wein] Kein Geld,wahrhaftig; sondern Spott,--ich werde es

euch geben, indem ich euch alsSpielmänner beschimpfe.

ERSTER MUSIKANT Dann werde ich Euch

eine Dienstboten-Kreatur nennen.

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PETER Dann wird Euer Schädel den Dolchdieser Dienstboten-Kreatur zu spürenbekommen. Ich dulde solche Töne nicht:

[ich will euch eure Instrumente um denKopf schlagen.] Ich will euch befa-sol-laen.Das notiert euch!

ERSTER MUSIKANT Wenn Ihr unsbefa-sol-laet, so notiert Ihr uns.

ZWEITER MUSIKANT Bitte steckt EurenDolch ein und zieht Euren Witz hervor.

PETER Dann legt euch mit meinem Witzan! Ich werde euch mit eisernem Witzverbleuen und meinen eisernen Dolch

einstecken.-- [Hört, spannt mir einmal eureSchafsköpfe wie die Schafsdärme an eurenGeigen.] Antwortet verständlich: Wenn inder Leiden hartem Drang Das bange Herze

will erliegen, Musik mit ihremSilberklang--Warum "Silberklang"?

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warum "Musik mit ihrem Silberklang"?Was sagt Ihr, Hans Kolophonium?

ERSTER MUSIKANT Ei nun, Musje, weilSilber einen feinen Klang hat.

PETER Recht artig! Was sagt Ihr, MichelHackebrett?

ZWEITER MUSIKANT Ich sage"Silberklang", weil Musik nur für Silberklingt.

PETER Auch recht artig! Was sagt Ihr,Jakob Gellohr?

DRITTER MUSIKANT Mein Seel, ich weißnicht, was ich sagen soll.

PETER Oh, ich bitt Euch um Vergebung!

Ihr seid der Sänger, Ihr singt nur; so willich es denn für Euch sagen. Es heißt

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"Musik mit ihrem Silberklang", weil solcheKerle wie Ihr kein Gold fürs Spielenkriegen! Musik mit ihrem Silberklang

Weiß hülfreich ihnen obzusiegen.

(Geht [singend] ab.)

ERSTER MUSIKANT Was für ein Pestkerlist das?

ZWEITER MUSIKANT Hol ihn der Henker!Kommt, wir wollen hier hineingehn, auf die

Trauerleute warten und sehen, ob es nichtszu essen gibt.

(Alle ab.)

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FÜNFTER AKT

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ERSTE SZENE

(Mantua. Eine Straße)

(Romeo tritt auf.)

ROMEO Darf ich dem Schmeichelblickdes Schlafes traun, So deuten meine Träumein nahes Glück. Leicht auf dem Thron sitztmeiner Brust Gebieter; Mich hebt einungewohnter Geist mit frohen Gedanken

diesen ganzen Tag empor. Mein Mädchen,träumt ich, kam und fand mich tot--Seltsamer Traum, der Tote denken läßt!--Und hauchte mir solch Leben ein mit

Küssen, Daß ich vom Tod erstand undKaiser war. Ach Herz! Wie süß ist Liebeselbst begabt, Da schon so reich an Freudihr Schatten ist!

(Balthasar tritt auf.)

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Ha, Neues von Verona! Sag, wie stehts?Bringst du vom Pater keine Briefe mit? Was

macht mein teures Weib? Wie lebt meinVater? Ist meine Julie wohl? Das frag ichwieder, Denn nichts kann übel stehn,gehts ihr nur wohl.

BALTHASAR Nun, ihr gehts wohl, undnichts kann übel stehn. Ihr Körper schläftin Capulets Begräbnis, Und ihr unsterblichTeil lebt bei den Engeln. Ich sah sie

senken in der Väter Gruft Und ritt in Eilhieher, es Euch zu melden. O Herr,verzeiht die schlimme Botschaft mir, WeilIhr dazu den Auftrag selbst mir gabt!

ROMEO Ist es denn so? Ich biet euchTrotz, ihr Sterne!-- Du kennst mein Haus,hol mir Papier und Tinte Und miete Pferde;

ich will fort zu Nacht.

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BALTHASAR Verzeiht, ich darf Euch sonicht lassen, Herr! Ihr seht so blaß undwild, und Eure Blicke Weissagen Unglück.

ROMEO Nicht doch, du betrügst dich.Laß mich und tu, was ich dich heiße tun.Hast du für mich vom Pater keine Briefe?

BALTHASAR Nein, bester Herr.

ROMEO Es tut nichts; mach dich auf Undmiete Pferd', ich komme gleich nach Haus.

(Balthasar ab.)

Wohl, Julia, heute nacht ruh ich bei dir.

Ich muß auf Mittel sinnen.--O wie schnellDrängt Unheil sich in der VerzweiflungRat! Mir fällt ein Apotheker ein; er wohntHier irgendwo herum.--Ich sah ihn neulich,

Zerlumpt, die Augenbrauen überhangend;Er suchte Kräuter aus; hohl war sein Blick,

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Ihn hatte herbes Elend ausgemergelt. EinSchildpatt hing in seinem dürftgen Laden,Ein ausgestopftes Krokodil und Häute Von

mißgestalten Fischen; auf dem Sims Einbettelhafter Prunk von leeren Büchsen Undgrüne Töpfe, Blasen, muffger Samen,Bindfaden-Endchen, alte Rosenkuchen,Das alles dünn verteilt, zur Schau zudienen. Betrachtend diesen Mangel, sagtich mir: Bedürfte jemand Gift hier, desVerkauf In Mantua sogleich zum Todeführt, Da lebt ein armer Schelm, ders ihm

verkaufte. Oh, der Gedanke zielt' auf meinBedürfnis, Und dieser dürftge Mann mußmirs verkaufen. Soviel ich mich entsinn, istdies das Haus. Weils Festtag ist, schloß

seinen Kram der Bettler. Hei Holla!Apotheker!

(Der Apotheker kommt heraus.)

APOTHEKER Wer ruft so laut?

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ROMEO Mann, komm hieher!--erregt mirSchrecken.

(Entfernt sich.)

ROMEO O du verhaßter Schlund, duBauch des Todes, Der du der ErdeKöstlichstes verschlangst, So brech ichdeine morschen Kiefer auf

(Er bricht die Tür des Grabmals auf.)

Und will, zum Trotz, noch mehr dichüberfüllen.

(Er bricht die Tür des Gewölbes auf.)

PARIS Ha, der verbannte, stolzeMontague, Der Juliens Vetter mordete;

man glaubt, An diesem Grame starb dasholde Wesen. Hier kommt er jetzt, um

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niederträchtgen Schimpf Den Leichenanzutun; ich will ihn greifen!

(Tritt hervor.)

Laß dein verruchtes Werk, du Montague!Wird Rache übern Tod hinaus verfolgt?Verdammter Bube, ich verhafte dich;Gehorch und folge mir, denn du mußtsterben.

ROMEO Fürwahr, das muß ich; darum

kam ich her. Versuch nicht, guter Jüngling,den Verzweifelnden! Entflieh und laßmich; denke dieser Toten! Laß sie dichschrecken!--Ich beschwör dich, Jüngling,

Lad auf mein Haupt nicht eine neue Sünde,Wenn du zur Wut mich reizest; geh, o geh,Bei Gott, ich liebe mehr dich wie michselbst, Denn gegen mich gewaffnet komm

ich her. Fort, eile, leb und nennbarmherzig ihn, Den Rasenden, der dir

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gebot zu fliehn!

PARIS Ich kümmre mich um dein

Beschwören nicht Und greife dich alsMissetäter hier.

ROMEO Willst du mich zwingen? Knabe,sieh dich vor!

(Sie fechten.)

PAGE Sie fechten! Gott, ich will die

Wache rufen.

PARIS O ich bin hin!--

(Fällt.)

Hast du Erbarmen, öffne Die Gruft undlege mich zu Julien.

(Er stirbt.)

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ROMEO Auf Ehr, ich wills.--Laßt seinGesicht mich schaun. Mercutios edler

Vetter ists, Graf Paris. Was sagte dochmein Diener, weil wir ritten, Als diebestürmte Seel es nicht vernahm? Ichglaube, Julia habe sich mit ParisVermählen sollen: sagt' er mir nicht so?Wie, oder träumt ichs? Oder bild ichs mirIm Wahnsinn ein, weil er von Juliensprach? O gib mir deine Hand, du, so wieich, Ins Buch des herben Unglücks

eingezeichnet! Ich bette dich in eine stolzeGruft. Doch Gruft? Nein, helle Wölbung,Jungerschlagner! Denn hier liegt Julia: ihreSchönheit macht Dies Grab zur Feierhalle

voll von Licht. Toter, lieg da, von totemMann begraben!

(Er legt Paris in das Begräbnis.)

Wie oft sind Menschen, schon des Todes

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Raub, Noch fröhlich worden! Ihre Wärternennens Den letzten Lebensblitz. Wohlmag nun dies Ein Blitz mir heißen.--O mein

Herz! Mein Weib! Der Tod, der deinesOdems Balsam sog, Hat über deineSchönheit nichts vermocht. Noch bist dunicht besiegt; der Schönheit Fahne Wehtpurpurn noch auf Lipp und Wange dir;Hier pflanzte nicht der Tod sein bleichesBanner.-- Liegst du da, Tybalt, in demblutgen Tuch? O welchen größern Dienstkann ich dir tun, Als mit der Hand, die

deine Jugend fällte, Des Jugend, der deinFeind war, zu zerreißen? Vergib mir,Vetter!--Liebe Julia, Warum bist du soschön noch? Soll ich glauben, Der

körperlose Tod entbrenn in Lieb Und derverhaßte, hagre Unhold halte Als seineBuhle hier im Dunkeln dich? Aus Furchtdavor will ich dich nie verlassen Und will

aus diesem Palast dichter Nacht Niewieder weichen. Hier, hier will ich

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bleiben Mit Würmern, so dir Dienerinnensind. O hier bau ich die ewge Ruhstatt mirUnd schüttle von dem lebensmüden Leibe

Das Joch feindseliger Gestirne.--Augen,Blickt euer Letztes! Arme, nehmt die letzteUmarmung! Und, o Lippen, ihr, die ToreDes Odems, siegelt mit rechtmäßgemKusse Den ewigen Vertrag dem WuchrerTod. Komm, bittrer Führer, widrigerGefährt, Verzweifelter Pilot! Nun treib auf einmal Dein sturmerkranktes Schiff inFelsenbrandung! Dies auf dein Wohl, wo

du auch stranden magst! Dies meinerLieben!--

(Er trinkt.)

O wackrer Apotheker, Dein Trank wirktschnell.--Und so im Kusse sterb ich.

(Er stirbt, Bruder Lorenzo kommt vomandern Ende des Kirchhofes mit Laterne

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Brecheisen und Spaten.)

LORENZO Helf mir Sankt Franz! Wie oft

sind über Gräber Nicht meine alten Füßeheut gestolpert. Wer ist da? Wer ists, dernoch so spät zu Toten geht?

"Who is it that consorts, so late, thedead?" Dieser Vers findet sich in derFassung des "Project GutenbergShakespeare Team's", fehlt aber in allenanderen mir bekannten Ausgaben.

BALTHASAR Ein Freund, und einer, demIhr wohl bekannt.

LORENZO Gott segne dich! Sag mir,mein guter Freund, Welch eine Fackel ists,die dort ihr Licht Umsonst den Würmernleiht und blinden Schädeln? Mir scheint,

sie brennt in Capulets Begräbnis.

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BALTHASAR Ja, würdger Pater, und meinHerr ist dort, Ein Freund von Euch.

LORENZO Wer ist es?

BALTHASAR Romeo.

LORENZO Wie lange schon?

BALTHASAR Voll eine halbe Stunde.

LORENZO Geh mit mir zu der Gruft!

BALTHASAR Ich darf nicht, Herr. MeinHerr weiß anders nicht, als ich sei fort,Und drohte furchtbarlich den Tod mir an,

Blieb ich, um seinen Vorsatz auszuspähn.

LORENZO So bleib, ich geh allein.--EinGraun befällt mich; Oh, ich befürchte sehr

ein schlimmes Unglück!

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BALTHASAR Derweil ich unter dieserEibe schlief, Träumt ich, mein Herr undnoch ein andrer föchten, Und er erschlüge

jenen.

LORENZO Romeo?

(Er geht weiter nach vorn.)

O wehe, weh mir! Was für Blut beflecktDie Steine hier an dieses GrabmalsSchwelle? Was wollen diese herrenlosen

Schwerter, Daß sie verfärbt hier liegen ander Stätte Des Friedens?

(Er geht in das Begräbnis.)

Romeo?--Ach, bleich!--Wer sonst? Wie?Paris auch? Und in sein Blut getaucht? Owelche unmitleidge Stund ist schuld An

dieser kläglichen Begebenheit?-- DasFräulein regt sich.

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JULIA (erwachend.) O Trostesbringer!Wo ist mein Gemahl? Ich weiß recht gut

noch, wo ich sollte sein; Da bin ich auch.Wo ist mein Romeo?

(Geräusch von Kommenden.)

LORENZO Ich höre Lärm.--Kommt,Fräulein, flieht die Grube Des Tods, derSeuchen, des erzwungnen Schlafs; Denneine Macht, zu hoch dem Widerspruch, Hat

unsern Rat vereitelt. Komm, o komm! DeinGatte liegt an deinem Busen tot, Und Parisauch; komm, ich versorge dich Bei einerSchwesternschaft von heilgen Nonnen.

Verweil mit Fragen nicht; die Wachekommt. Geh, gutes Kind!

(Geräusch hinter der Szene.)

Ich darf nicht länger bleiben.

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(Ab.)

JULIA Geh nur, entweich, denn ich willnicht von hinnen.--

(Bruder Lorenzo geht ab.)

Was ist das hier? Ein Becher,festgeklemmt In meines TrautenHand?--Gift, seh ich, war Sein Ende vorder Zeit.--O Böser! Alles Zu trinken,

keinen gütgen Tropfen mir Zu gönnen, dermich zu dir brächt?--Ich will Dir deineLippen küssen. Ach, vielleicht Hängt nochein wenig Gift daran und läßt mich An

einer Labung sterben.

(Sie küßt ihn.)

Deine Lippen Sind warm.

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ERSTER WÄCHTER (hinter der Szene.)Wo ist es, Knabe? Führ uns!

JULIA Wie? Lärm?--Dann schnell nur!

(Sie ergreift Romeos Dolch.)

O willkommner Dolch!

(Sie ergreift Romeos Dolch.)

Dies werde deine Scheide.

(Ersticht sich.)

Roste da Und laß mich sterben!

(Sie fällt auf Romeos Leiche und stirbt.Wächter mit dem Pagen des Paris.)

PAGE Dies ist der Ort, da, wo die Fackelbrennt.

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ERSTER WÄCHTER Der Boden ist vollBlut; durchsucht den Kirchhof, Ein paar

von euch; geht, greifet, wen ihr trefft.

(Einige von der Wache ab.)

Betrübt zu sehn! Hier liegt der Graf erschlagen, Und Julia blutend, warm undkaum verschieden, Die schon zwei Tagehier begraben lag.-- Geht, sagts demFürsten! Weckt die Capulets! Lauft zu den

Montagues! Ihr andern sucht!

(Andre Wächter ab.)

Wir sehn den Grund, der diesen Jammerträgt; Allein den wahren Grund des bitternJammers Erfahren wir durch näh'reKundschaft nur.

(Einige von der Wache kommen mit

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Balthasar zurück.)

ZWEITER WÄCHTER Hier ist der Diener

Romeos; wir fanden Ihn auf dem Kirchhof.

ERSTER WÄCHTER Bewahrt ihn sicher,bis der Fürst erscheint!

([Ein andrer] Andere Wächter kommenzurück mit Lorenzo.)

DRITTER WÄCHTER Hier ist ein Mönch,

der zittert, weint und ächzt; Wir nahmenihm den Spaten und die Haue, Als er vonjener Seit des Kirchhofs kam.

ERSTER WÄCHTER Verdächtges Zeichen!Haltet auch den Mönch!

(Der Prinz und sein Gefolge.)

PRINZ Was für ein Unglück ist so früh

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schon wach, Das Uns aus UnsrerMorgenruhe stört?

(Capulet, Gräfin Capulet und andrekommen.)

CAPULET Was ists, daß draußen so dieLeute schrein?

GRÄFIN CAPULET Das Volk ruft auf denStraßen: "Romeo" Und "Julia" und "Paris";alles rennt Mit lautem Ausruf unserm

Grabmal zu.

PRINZ Welch Schrecken ists, das UnserOhr betäubt?

ERSTER WÄCHTER Durchlauchtger Herr,entleibt liegt hier Graf Paris; Tot Romeo;und Julia, tot zuvor, Noch warm und erst

getötet.

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PRINZ Sucht, späht, erforscht die Täterdieser Greuel!

ERSTER WÄCHTER Hier ist ein Mönchund Romeos Bedienter; Man fand Gerätbei ihnen, das die Gräber Der Totenaufzubrechen dient.

CAPULET O Himmel! O Weib! Sieh hier,wie unsre Tochter blutet. Der Dolch hatsich verirrt; sieh seine Scheide Liegt ledigauf dem Rücken Montagues, Er selbst

steckt fehl in unsrer Tochter Busen.

GRÄFIN CAPULET O weh mir! DieserTodesanblick mahnt Wie Grabgeläut mein

Alter an die Grube.

(Montague und andre kommen.)

PRINZ Komm, Montague! Früh hast dudich erhoben, Um früh gefallen deinen

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Sohn zu sehn.

MONTAGUE Ach, gnädger Fürst, mein

Weib starb diese Nacht; Gram um desSohnes Bann entseelte sie. Welch neuesLeid bricht auf mein Alter ein?

PRINZ Schau hin, und du wirst sehn.

MONTAGUE O Ungeratner! Was ist dasfür Sitte, Vor deinem Vater dich ins Grabzu drängen?

PRINZ Versiegelt noch den Mund desUngestüms, Bis wir die Dunkelheitenaufgehellt Und ihren Quell und wahren

Ursprung wissen. Dann will ich EurerLeiden Hauptmann sein Und selbst zumTod Euch führen.--Still indes! DasMißgeschick sei Sklave der Geduld. -

Führt die verdächtigen Personen vor!

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LORENZO Mich trifft, obschon denUnvermögendsten, Am meisten derVerdacht des grausen Mordes, Weil Zeit

und Ort sich gegen mich erklärt. Hier stehich, mich verdammend und verteidgend,Der Kläger und der Anwalt meiner selbst.

PRINZ So sag ohn Umschweif, was duhievon weißt!

LORENZO Kurz will ich sein, denn kurzeFrist des Atems Versagt gedehnte Reden.

Romeo, Der tot hier liegt, war dieser JuliaGatte, Und sie, die tot hier liegt, seintreues Weib. Ich traute heimlich sie, ihrHochzeittag War Tybalts letzter, des

unzeitger Tod Den jungen Gatten aus derStadt verbannte; Und Julia weint' um ihn,nicht um den Vetter. Ihr, um den Gram ausihrer Brust zu treiben, Verspracht und

wolltet sie dem Grafen Paris Vermählenmit Gewalt. Da kommt sie zu mir Mit

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wildem Blick, heißt mich auf Mittel sinnen,Um dieser zweiten Heirat zu entgehn,Sonst wollt in meiner Zelle sie sich töten.

Da gab ich, so belehrt durch meine Kunst,Ihr einen Schlaftrunk; er bewies sichwirksam Nach meiner Absicht, denn ergoß den Schein Des Todes über sie.Indessen schrieb ich An Romeo, daß ersich herbegäbe Und hülf aus demerborgten Grab sie holen In dieserSchreckensnacht, als um die Zeit, Wojenes Trankes Kraft erlösche. Doch Den

Träger meines Briefs, den Bruder Markus,Hielt Zufall auf, und gestern abend brachter Ihn mir zurück. Nun ging ich ganz alleinUm die bestimmte Stunde des Erwachens,

Sie zu befrein aus ihrer Ahnen Gruft, Unddacht in meiner Zelle sie zu bergen, Bis iches Romeo berichten könnte. Doch wie ichkam, Minuten früher nur, Eh sie erwacht',

fand ich hier tot zu früh Den treuen Romeo,den edlen Paris. Jetzt wacht' sie auf; ich bat

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sie, fortzugehn Und mit Geduld desHimmels Hand zu tragen; Doch daverscheucht' ein Lärm mich aus der Gruft.

Sie, in Verzweiflung, wollte mir nichtfolgen Und tat, so scheints, sich selbst einLeides an. Dies weiß ich nur; und ihreHeirat war Der Wärterin vertraut. Ist etwashier Durch mich verschuldet, laßt meinaltes Leben, Nur wenig Stunden vor derZeit, der Härte Des strengstenRichterspruchs geopfert werden.

PRINZ Wir kennen dich als einen heilgenMann.-- Wo ist der Diener Romeos? Wassagt er?

BALTHASAR Ich brachte meinem Herrnvon Juliens Tod Die Zeitung, und er ritt vonMantua In Eil zu diesem Platz, zu diesemGrabmal. Den Brief hier gab er mir für

seinen Vater, Und drohte Tod mir, als er indie Gruft ging, Wo ich mich nicht entfernt

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und dort ihn ließe.

PRINZ Gib mir den Brief; ich will ihn

überlesen.-- Wo ist der Bub des Grafen,der die Wache Geholt?--Sag, Bursch, wasmachte hier dein Herr?

PAGE Er kam, um Blumen seiner Brautaufs Grab Zu streun, und hieß mich fernstehn, und das tat ich. Drauf naht' sich wermit Licht, das Grab zu öffnen, Und gleichzog gegen ihn mein Herr den Degen;

Alsbald lief ich davon und holte Wache.

PRINZ Hier dieser Brief bewährt das Wortdes Mönchs, Den Liebesbund, die Zeitung

ihres Todes; Auch schreibt er, daß einarmer Apotheker Ihm Gift verkauft, womiter gehen wolle Zu Juliens Gruft, um nebenihr zu sterben.-- Wo sind sie, diese

Feinde?--Capulet, Montague! Seht, welchein Fluch auf eurem Hasse ruht, Daß Liebe

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eure Freuden töten muß! Und ich, weil ichdem Zwiespalt nachgesehn, Verlor auchzwei Verwandte. Alle büßen.

CAPULET O Bruder Montague, gib mirdie Hand! Das ist das Leibgedinge meinerTochter, Denn mehr kann ich nichtfordern.

MONTAGUE Aber ich Vermag dir mehrzu geben; denn ich will Aus klarem Goldihr Bildnis fertgen lassen. Solang Verona

seinen Namen trägt, Komm nie ein Bild anWert dem Bilde nah Der treuen,liebevollen Julia.

CAPULET So reich will ich es Romeobereiten. O arme Opfer unsrerZwistigkeiten!

PRINZ Nur düstern Frieden bringt unsdieser Morgen; Die Sonne scheint, verhüllt

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vor Weh, zu weilen. Kommt, offenbart mirferner, was verborgen, Ich will dannstrafen oder Gnad erteilen, Denn nie

verdarben Liebende noch so Wie diese:Julia und ihr Romeo.

(Alle ab.)

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Ende dieses Projekt Gutenberg EtextesRomeo und Julia, von William Shakespeare(Übersetzt von August Wilhelm von

Schlegel)

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