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Karlsruher Hochschulschriften für Wirtschaftsingenieurwesen und International Management ISSN 2198-2007 1 / 2014 STEFAN JOST*, PROF. THOMAS MAYER* Zusammenfassung Der Entwicklungsprozess von neuen Produkten und Dienstleistungen in Unterneh- men befindet sich im Wandel. Für die Gewinnung von Informationen und die Gene- rierung von neuen Ideen können sie dabei ihre Unternehmensgrenzen öffnen und externe Akteure miteinbeziehen. Diese Öffnung des Innovationsprozesses über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus und unter Einbezug externen Wissens ist die Grundidee des Open Innovation Ansatzes. Aufgrund ihrer charakteristischen Eigenschaften stehen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor besondere Herausforderungen den Ansatz zu implementieren. Dieser Artikel stellt einen Leitfaden vor, der die Herausforderungen und Barrieren von KMU bei der Umsetzung des Open Innovation Ansatzes berücksichtigt. Der Leitfaden ist dabei in die fünf Phasen Situationsanalyse, Zielsetzung, Planung, Umsetzung und Auswer- tung unterteilt und enthält punktuell Anregungen zur Verwendung von Instrumenten und Hilfsmitteln verschiedener Einrichtungen und Organisationen. Schlagworte Wirtschaftsingenieurwissenschaften, Open Innovation, kleine und mittlere Unter- nehmen, Mittelstand, Interaktive Wertschöpfung, Crowdsourcing, Innovations- partner * Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft, Moltkestraße 30, 76133 Karlsruhe Open Innovation im deutschen Mittelstand. Theoretische Analyse und Erstellung eines Projektleitfadens

1 /2014...Open Innovation kann als Überbegriff für ein Verständnis des Innovationsprozesses als in-teraktives, kooperatives und offenes Innovationssystem bezeichnet werden. Der

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Karlsruher Hochschulschriften

für Wirtschaftsingenieurwesen und International Management ISSN 2198-2007

1 / 2014

STEFAN JOST*, PROF. THOMAS MAYER*

Zusammenfassung

Der Entwicklungsprozess von neuen Produkten und Dienstleistungen in Unterneh-men befindet sich im Wandel. Für die Gewinnung von Informationen und die Gene-rierung von neuen Ideen können sie dabei ihre Unternehmensgrenzen öffnen und externe Akteure miteinbeziehen. Diese Öffnung des Innovationsprozesses über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus und unter Einbezug externen Wissens ist die Grundidee des Open Innovation Ansatzes. Aufgrund ihrer charakteristischen Eigenschaften stehen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor besondere Herausforderungen den Ansatz zu implementieren. Dieser Artikel stellt einen Leitfaden vor, der die Herausforderungen und Barrieren von KMU bei der Umsetzung des Open Innovation Ansatzes berücksichtigt. Der Leitfaden ist dabei in die fünf Phasen Situationsanalyse, Zielsetzung, Planung, Umsetzung und Auswer-tung unterteilt und enthält punktuell Anregungen zur Verwendung von Instrumenten und Hilfsmitteln verschiedener Einrichtungen und Organisationen.

Schlagworte

Wirtschaftsingenieurwissenschaften, Open Innovation, kleine und mittlere Unter-nehmen, Mittelstand, Interaktive Wertschöpfung, Crowdsourcing, Innovations-partner

* Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft, Moltkestraße 30, 76133 Karlsruhe

Open Innovation im deutschen Mittelstand. Theoretische Analyse und Erstellung eines Projektleitfadens

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Impressum

Ausgabe: 1/2014

Herausgeber:

Fakultät für Wirtschaftswissenschaften

Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft

Moltkestraße 30 76133 Karlsruhe

https://www.hs-karlsruhe.de/fakultaeten/w/lehre-und-forschung.html

ISSN 2198-2007

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1 Einleitung

Um im internationalen Wettbewerb dauerhaft bestehen zu können, müssen Unternehmen immer wieder neue Hürden überwinden und sich ständig neuen Herausforderungen stellen. Insbesondere kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) stehen gegenüber Großunter-nehmen weniger Systemmöglichkeiten zur Verfügung, zeitnah und effizient neue Produkte und Dienstleistungen aus ihrer Innovationstätigkeit zu generieren. Für die Gewinnung von Informationen und die Generierung von neuen Ideen können sie ihre Unternehmensgrenzen öffnen und externe Akteure miteinbeziehen. Dies kann in jeder Phase des Innovationspro-zesses von der Ideengenerierung über die Konzeptentwicklung bis hin zum Produkt- und Prototypen-test und schließlich der Markteinführung durchgeführt werden. Diese Öffnung über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus unter Einbezug externen Wissens, das ne-ben anderen Unternehmen insbesondere auch von Kunden, Lieferanten, Wettbewerbern und Forschungseinrichtungen stammt, ist die Grundidee des Open Innovation Ansatzes.

Nach den Informationen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) erwirtschafteten die rund 3,6 Mio. Unternehmen (99,6% aller Betriebe) des deutschen Mittelstands im Jahr 2010 ca. 37,1% des Gesamtumsatzes und beschäftigten 15,48 Mio. Menschen in Deutschland.1 Trotz der enormen Wirtschaftskraft von KMU und der steigenden Bedeutung ihrer Innovati-onstätigkeiten liegen bislang nur wenige Erkenntnisse darüber vor, wie KMU, erfolgreich den Open Innovation Ansatz implementieren können. Durch die Vorstellung eines Projektleitfa-dens für die Umsetzung von Open Innovation Aktivitäten von mittelständischen Unternehmen soll dieser Artikel einen Teil dieser Wissenslücke schließen. Der Leitfaden zeigt schrittweise einen Ansatz auf, wie KMU Open Innovation Methoden konkret umsetzen können.

2 Der Open Innovation Ansatz

Open Innovation kann als Überbegriff für ein Verständnis des Innovationsprozesses als in-teraktives, kooperatives und offenes Innovationssystem bezeichnet werden. Der Ansatz bil-det einen Kontrast zum in Abbildung 1 dargestellten klassisch-geschlossenen Prozess.

Abbildung 1: Das Closed Innovation Modell2

1 Vgl: [IfM10], Abruf vom 10.03.2013 2 Quelle: entnommen aus [Ili09], S. 29

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In diesem nutzen Unternehmen nur die Ideen und Lösungskompetenzen, die innerhalb der eigenen Unternehmensgrenzen oder durch einen im Netzwerk eng integrierten und bekann-ten Partner vorhanden sind.3 Chesbrough greift diese klassische Sichtweise zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf, bezeichnet sie als „Closed Innovation“ und beschreibt den Wandel in Richtung des Open Innovation Ansatzes.

Der Fokus des Open Innovation Modells liegt darauf, durch den Einbezug externer Akteure Zugang zu neuen Quellen von Bedürfnis- und Lösungsinformation zu erhalten und somit das Spektrum der Ideen- und Lösungsgenerierung zu erweitern. Abbildung 2 verdeutlicht diese Vorgehensweise. Die zentrale Idee von Open Innovation ist einerseits die Erschließung neu-en Wissens über die Präferenzen, Wünsche und Kaufmotive aktueller und potentieller Kun-den als Bedürfnisinformation. Andererseits soll durch die Nutzung eines großen heterogenen Netzwerks an Experten auch die Suche nach Problemlösungen in Form von Lösungsinfor-mation verbessert werden.4 Dieser aktive Wissens- und Ideenaustausch geschieht dabei nicht anhand klassischer Forschungs- und Entwicklungskooperationen, sondern durch einen offenen Aufruf an ein großes, undefiniertes Netzwerk an externe Akteure, an der Lösung einer Problemstellung mitzuwirken. Diese Methodik ist auch unter den Stichworten Interakti-ve Wertschöpfung oder Crowdsourcing bekannt geworden.5

Abbildung 2: Das Open Innovation Modell6

Grundsätzlich ist zu betonen, dass ein Ansatz im Sinne von Open Innovation vorhandene Praktiken im Innovationsmanagement lediglich ergänzt, sie aber nicht ersetzt.7 So lässt sich trotz des vollzogenen Wandels die Vermutung aufstellen, dass der geschlossene Innovati-onsprozess keineswegs unbedeutend geworden sei und Unternehmen mit ihm radikale In-novationen umsetzen könnten. Gerade in vielen KMU herrscht zudem aufgrund einer stren-gen Geheimhaltungspolitik und der Befürchtung von Know-how-Abfluss Misstrauen gegen-über einer Öffnung hin zu Innovationskooperationen.8

3 Vgl: [Che03], S. xx-xxi; S. 29 4 Vgl: [Pil06], S. 87ff.; [Rei09], S. 47ff. 5 Vgl: [Bis10], S. 484; [Gas13], S. 6; [Rei09], S. 51 6 Quelle: entnommen aus [Ili09], S. 28 7 Vgl: [Rei09], S. 156 8 Vgl: [Fra11], S. 4

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2.1 Die Methoden und Instrumente von Open Innovation

Für die Umsetzung einer Strategie im Sinne des Open Innovation Ansatzes werden neue Instrumente und Methoden eingesetzt, um einen besseren Zugang zu Bedürfnis- und Lö-sungsinformation zu erhalten und somit die Effizienz und die Effektivität im Innovationspro-zess zu steigern.9 Die Forschung in diesem Bereich hat dabei sowohl online-basierte als auch offline-basierte Methoden der Implementierung von Open Innovation Strategien hervor-gebracht, die exemplarisch aufzeigen sollen, wie Open Innovation konkret in Unternehmen umgesetzt werden kann. Die existierenden Methoden werden im Folgenden zunächst kurz skizziert.

Die Lead-User-Methode ist eine qualitative, prozessorientierte Vorgehensweise, die auf die Identifikation und aktive Einbindung ausgewählter innovativer Anwender abzielt. Mit Hilfe dieser sollen dann Ideen und Konzepte für neue Produkt- und Prozessinnovationen generiert werden.10 Den Kern dieser Methode stellen sogenannte Lead-User-Workshops dar, die das kreative Potenzial von Kunden und Anwendern durch gruppendynamische Effekte hervor-bringen sollen.11 Idealerweise werden die so gewonnenen Ideen und Problemlösungsvor-schläge noch während des Workshops durch unternehmensinterne Experten reflektiert und bspw. durch das Rapid-Prototyping-Verfahren vor Ort umgesetzt, um auch die Teilnehmer am Bewertungsprozess teilhaben lassen zu können.

Weiterhin existieren viele Open Innovation Ansätze, die auf dem Einsatz von einheitlichen Toolkits for User Innovation oder Toolkits for User Co-Design basieren.12 Vorrangiges Ziel dieses Ansatzes ist es, durch internetbasierte Instrumente die Anwender dabei zu unterstüt-zen, ihre Wünsche selbst in neue Produktideen zu transformieren um somit Bedürfnisinfor-mationen von ihnen zu erhalten. Im Gegensatz zur Lead-User-Methode zielt der Einsatz von Toolkits auf die Interaktion mit vielen Kunden in unterschiedlichen Phasen des Innovations-prozesses ab.13 Toolkits für Open Innovation beruhen auf der Idee, dass sich nicht der Her-steller, sondern der Nutzer selbst im Entwicklungsprozess durch Variation, Kombination und Evaluation von Lösungsmöglichkeiten für ein Problem der finalen Lösung nähert. Der soge-nannte Trial-and-Error-Prozess wird somit vom Hersteller an die Nutzer übergeben und dadurch die ständige und aufwändige Iteration zwischen Hersteller und Nutzer minimiert.

Durch den Einsatz von Online-Gemeinschaften (Communities für Open Innovation) wird deutlich, dass viele Innovationen nicht durch einzelne Nutzer entstehen, sondern als Ergeb-nisse der Zusammenarbeit und Vernetzung vieler Beteiligter anzusehen sind. Einen wichti-gen Faktor für die Zusammenarbeit stellt dabei der sich selbst verstärkende Effekt des Zu-sammenwirkens verschiedener Akteure mit unterschiedlichem Wissen, Stärken und Erfah-rungen dar.14 Durch das schnelle Wachstum von Online-Communities bestehen für Unter-nehmen neue Möglichkeiten des kostengünstigen und schnellen Informationsaustauschs mit bestehenden und potenziellen Kunden. Auf diese Weise können Unternehmen von der Krea-tivität und dem Wissen ihrer Austauschpartner profitieren, somit neue Produkte und Dienst-leistungen entwickeln und diese direkt bewerten lassen. Unternehmen können dabei selbst

9 Vgl: [Rei09], S. 173ff. 10 ebd. S. 139f. 11 Vgl: [Lüt06]; [Rei09], S. 185f. 12 Vgl: [Fra04], S. 402, 13 Vgl: [Rei09], S. 189f. 14 ebd. S. 206

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eine virtuelle Gemeinschaft etablieren oder existierende Plattformen auswerten (Netnogra-phie).15

Die Methode des Ideenwettbewerbs basiert auf dem Ansatz, den Wissenstransfer zwi-schen Nutzern und Unternehmen durch das Ausschreiben eines Wettbewerbs zu ver-stärken. Der Wettbewerbscharakter soll die Kreativität der Teilnehmer anregen, die Qualität ihrer Beiträge steigern. Durch eine Prämierung wird zusätzlich ein Anreiz zur Teilnahme ge-schaffen.16 Wettbewerbe können sich sowohl mit einem breiten Aufruf an eine sehr große Masse potentieller Kunden richten als auch mit einer spezifischen Fragestellung an eine kleinere Gruppe von Spezialisten. Ideenwettbewerbe zielen darauf ab, den Prozess der Su-che nach technischen Lösungen zu öffnen und Informationen über das Problem so breit zu streuen, dass auch unbekannte Außenseiter einen Beitrag zur Lösung leisten können. Dies ist bspw. im Rahmen von Ausschreibungen des externen Dienstleisters InnoCentive möglich (Prinzip des Broadcast Search), dessen Kerngeschäft u.a. darin besteht, Ideenwettbewerbe für Unternehmen auszutragen.17

Die Methode Cross Industry Innovation kann als eine Art Sonderform der Open Innovation bezeichnet werden,18 da Unternehmen das Potenzial anderer Branchen systematisch nut-zen. Anhand einer gezielten Vorgehensweise sind Unternehmen in der Lage sich über die Grenzen der eigenen Branche hinaus zu vernetzen. Vernetzungen innerhalb der Branchen werden hauptsächlich durch die zuvor dargestellten Methoden ermöglicht.19 Um das Poten-zial anderer Branchen verwenden zu können ist der Transfer von Knowhow, Technologien oder Lösungsansätzen notwendig, der in der Regel in einem dreistufigen Prozess mit den Phasen Abstraktion, Analogiefindung und Adaption durchgeführt wird.

2.2 Vorteile von Open Innovation für KMU

Der Prozess, externes Wissen durch die Anwendung einer Open Innovation Methode zu identifizieren und in den unternehmenseigenen Innovationsprozess zu integrieren, kann be-sonders für KMU großes Potenzial besitzen. Denn dadurch wird ihnen ein deutlich höheres Maß an Zugang zu Bedürfnis- und Lösungsinformation als im klassischen internen Innovati-onsprozess ermöglicht. Zudem stellt die Beherrschung des Open-Innovation-Prozesses ei-nen wichtigen Wettbewerbsfaktor für das Unternehmen dar.20 Im Ergebnis können so die existierenden Marktbedürfnisse besser befriedigt werden. Der Begriff „Fit-to-Market“ be-schreibt diese Marktakzeptanz einer Innovation, die beim Nachfrager eine positive Kaufein-stellung hervorruft und eine gesteigerte Zahlungsbereitschaft beinhalten kann. Die Erhöhung des „New-to-Market“ beschreibt die Steigerung des von den Anwendern wahrgenommenen Neuheitsgrads der Innovation und somit die Attraktivitätssteigerung des jeweiligen Pro-dukts.21 Mit diesen beiden Kriterien werden die Effektivität einer Innovation und damit der Zugang zu Bedürfnisinformation bestimmt. Dagegen ist unter Effizienz der Zugang zu Lö-sungsinformationen zu verstehen, um eine Problemlösung in kürzerer oder kostengünstige-rer Weise zu erhalten.

15 [Bar07], S. 84 16 Vgl: [Wag11], S. 115 17 Vgl: [Rei09], S. 198f. 18 Vgl: [Enk09], S. 181 19 Vgl: [IAOoA], abgerufen am 18.06.2013 20 Vgl: [Bis10], S. 486 21 Vgl: [Rei09], S. 175ff.

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Die Effizienzsteigerung wird bestimmt durch die Verkürzung der Produkteinführungszeit, der „Time-to-Market“ und der Reduzierung der Kosten, die von Beginn der Planung eines Pro-dukts bis zu dessen Markteinführung anfallen, dem „Cost-to-Market“.22

Ein wichtiger Vorteil von Open Innovation ist die Auslösung gemeinsamer Lernprozesse zwi-schen den beteiligten Akteuren. Denn Lernen und Wissensaustausch sind grundlegende Aktivitäten im Innovationsprozess. Wenn es Unternehmen bspw. durch eine eigene Commu-nity gelingt, vielfältige externe und interne Wissensquellen in einen interaktiven, aber den-noch zielgerichteten Problemlösungsprozess zu vereinen, kann die Leistungsfähigkeit des Innovationsmanagements entscheidend verbessert werden.23 Die Steigerung der Leistungs-fähigkeit ist vor allem auch eine Chance für KMU, da sie häufig unter sogenannter „Betriebs-blindheit“ leiden und oftmals für Problemlösungen nur auf die bereits vorhandenen Methoden zurückgreifen. Zudem weisen gerade die Instrumente des Crowdsourcing, wie bspw. Com-munities oder Ideenwettbewerbe, weitere Chancen auf, denn sie können den Unternehmen als eine Art Werbung dienen und signalisieren gleichzeitig die Innovationskraft des Unter-nehmens durch den Einsatz der vergleichsweise jungen Methoden.24

2.3 Herausforderungen, Risiken und Barrieren von Open Innovation für KMU

Auch wenn der vorausgehende Abschnitt in der Anwendung von Open Innovation Methoden diverse Potenziale und Chancen aufzeigt, müssen sich mittelständische Unternehmen gleichfalls mit den Herausforderungen, Risiken und Barrieren auseinandersetzen, die ein solcher Ansatz mit sich bringt.

Die Herausforderungen für KMU bestehen dabei hauptsächlich darin, eine neue oder bedingt unterschiedliche Denkweise in Bezug auf die Innovationsgenerierung zu erarbeiten. Somit ist es auch essenziell, dass KMU ihre gewohnten Strukturen und Einstellungen zumindest teil-weise überdenken und ggfs. verändern. Dies kann zu Spannungen im Unternehmen führen. Daher stellt sich grundsätzlich die Frage, ob und wie weit sich Unternehmen öffnen wollen und diese Öffnung vollziehen können.25

Grundsätzlich kann die Angst vor den Risiken dazu führen, dass Open Innovation-Aktivitäten nicht durchgeführt oder durch deren Abwägung einzelne Initiativen gestoppt werden. Ten-denziell besteht gerade bei KMU die Gefahr, dass sie ihren Innovationsprozess nicht öffnen, sondern unternehmensintern versuchen Ideen zu generieren und zu entwickeln. Daher ist es für KMU essenziell, die Risiken, die Open Innovation Aktivitäten implizit zu kennen und mög-lichst zu minieren. Die Betrachtung einer Studie mit 107 Technologieunternehmen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland liefert ein Bild darüber, welche Risiken erfahrene Nut-zer von Open Innovation Methoden erfahren.26 Dabei wurde das Risiko des Verlusts von Kernkompetenzen, wie bspw. durch Outsourcing am häufigsten genannt. Darauf folgt Wis-sensabfluss im Sinne von langfristigem Knowhow-Abfluss und erhöhte Komplexität, die bspw. durch eine Schnittstellenproblematik beim zu entwickelnden Produkt auftreten kann.

22 ebd. S. 173 23 Vgl: [Rei04], S. 10f. 24 Vgl: [Gas131], S. 17 25 Vgl: [Mös09], S. 100f. 26 Anmerkung: In der Untersuchung mit 107 Technologieunternehmen aus der Schweiz, Österreich und Deutsch-land, die zu gleichen Teilen KMU und größere Unternehmen einbezieht, haben 69 % einen Fokus auf die Integra-tion externen Wissens, 5 % auf die Externalisierung internen Wissens und 26 % einen Fokus auf beide Prozesse. Die befragten Unternehmen beantworteten die Frage, welche drei Hauptrisiken bei denen von ihnen durchgeführ-ten Aktivitäten im Rahmen von Open Innovation auftreten.

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Ein weiteres häufig gesehenes Risiko ist die nur noch partiell vorhandene Systembeherr-schung wegen der Abhängigkeit von Partnern in großen Bereichen des Projekts. Alle weite-ren Risiken, wie die Kooperationsrisiken, mangelnde Differenzierung von Konkurrenten, bspw. aufgrund von Kooperation mit gleichen Partnern, Verlust des geistigen Eigentums und Fehlinvestitionen in Open Innovation Projekte treten seltener auf.27

Neben den vorgestellten, eher strategischen Risiken sind bei der Anwendung von Open In-novation Maßnahmen auch operative Barrieren zu beachten. Die zuvor betrachtete Untersu-chung zeigt auch hier, welche Barrieren in Open Innovation Projekten am häufigsten auftre-ten und stellt heraus, dass Unternehmen als eine der drei größten Barrieren angeben, dass kein Partner gefunden werden konnte, der die benötigten Anforderungen erfüllt. Mit deutli-chem Abstand dahinter nennen die Unternehmen die Balance zwischen Tagesgeschäft und Open Innovation Aktivitäten sowie die benötigten zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Diese Ausprägung ist wenig überraschend, da bspw. ein Mangel an zeitlichen und finanziel-len Ressourcen eine charakteristische Eigenschaft mittelständischer Unternehmen dar-stellt.28 Im mittleren Drittel der am häufigsten auftretenden Barrieren werden das Not-Invented-Here-Syndrom29, befürchteter Wissensabfluss, Mangel an technischem und admi-nistrativem Wissen bzw. kompetentem Personal und die Aufteilung der Rechte am intellektu-ellen Kapital genannt. Weitere Barrieren wie zu spezifische Marktanforderungen, unbekannte Marktanforderungen oder ungenügende Marktforschung, bürokratische und administrative Hürden, sowie dass kein Partner mit benötigtem Wissen zur Kooperation motiviert werden konnte treten in Open Innovation Projekten der befragten Unternehmen seltener auf.30

3 Projektleitfaden für die Umsetzung von Open Innovation Maßnahmen innerhalb mittelständischer Unternehmen

Die Analyse zeigt, dass bei der Innovationsgenerierung innerhalb mittelständischer Unter-nehmen im Rahmen von Open Innovation Projekten Herausforderungen, Risiken und Barrie-ren auftreten. Insbesondere zeitlich und finanziell begrenzte Ressourcen konnten durch die Auswertung von Untersuchungen als kritische Aspekte bestätigt werden. Somit lassen die vorhergehenden Abschnitte den Schluss zu, dass eine erfolgreiche Anwendung des Open Innovation Ansatzes in mittelständischen Unternehmen diese Barrieren berücksichtigen soll-te. An dieser Stelle setzt der Projektleitfaden an, der auf die spezifischen Anforderungen, denen KMU im Zusammenhang mit der Implementierung von Open Innovation begegnen, zugeschnitten ist. Zudem soll er eine Hilfestellung bieten, welche (Gegen-)Maßnahmen die Unternehmen zur Überwindung der genannten Barrieren treffen können.

Um den Projektleitfaden im Zusammenhang mit Open Innovation in KMU darzustellen, wird dieser in fünf aufeinanderfolgende Schritte aufgeteilt und beinhaltet die Phasen Situations-analyse, Zielsetzung, Planung, Umsetzung und Auswertung. In einer ganzheitlichen Betrach-tung werden die wichtigsten Punkte mit Hilfe einer Checkliste festgehalten.

27 Vgl: [Enk09], S. 188 28 Vgl: [Lei10], S. 102; [von10], S. 11 29 Anmerkung: Not-Invented-Here(NIH) beschreibt die negative Einstellung bzw. ablehnende Haltung der eigenen Mitarbeiter gegenüber dem Einbezug von externem Wissen. [Hau07], S. 196 30 Vgl: [Enk09], S. 190

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3.1 Situationsanalyse

1. Bewusste Entscheidung der Unternehmensleitung

Die Unternehmensleitung sollte sich aufgrund benötigter personeller und finanziel-ler Ressourcen bewusst dafür entscheiden, sich konsequent mit dem Thema zu beschäftigen. Regionale Vertretungen der Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie bspw. das Fraunhofer-Institut IAO in Stuttgart bieten für KMU durch Tages-seminare, Gesprächskreise und Workshops fundierte Informationen oder fallweise Einzelberatung zu diesem Thema an.

2. Evaluierung der bereits vorhandenen Innovationsaktivitäten

Für die Implementierung ist eine aktuelle und realistische Einschätzung unabding-bar, inwieweit Ideen- bzw. Innovationsmanagement in den internen Prozessen be-reits vorhanden ist und umgesetzt wird.

Innovationsmanagement reicht dabei von der Aufstellung von Ideenboxen über Maßnahmen im Rahmen des Betrieblichen Vorschlagswesens bis hin zu eigenen Stellen oder Abteilungen. Für die Evaluierung des eigenen Innovationsmanage-ments können KMU auch die Online-Beurteilung von IMP³rove nutzen, die KMU die Möglichkeit bietet, die Leistung und Effizienz ihres Innovationsmanagements in einem Benchmarking gegenüber anderen KMU derselben Branche, desselben Lands oder derselben Größe bzw. Alters zu bewerten.31

3. Link zur Unternehmensstrategie

Die Bereitschaft der Geschäftsleitung grundlegende Maßnahmen für die Imple-mentierung des Open Innovation Ansatzes durchzuführen sollte in Form einer kla-ren Vision bzgl. Innovationen bspw. in der Unternehmensstrategie formuliert wer-den. Da jedoch gerade KMU erhebliche Defizite bei der strategischen Planung aufwei-sen, sollten sich die Unternehmen durch eine Analyse ihrer eigenen Stärken und Schwächen der Formulierung einer Strategie schrittweise nähern. Zudem sollte ei-ne Befragung von Mitarbeitern mehrerer Bereiche, die sich bspw. mit Entwick-lungsthemen und Produktmanagement beschäftigen, durchgeführt werden, um po-tentielle innerbetriebliche Innovationsbarrieren zu identifizieren.

4. Analyse von Chancen und Risiken

Für eine umfangreiche Situationsanalyse sollten KMU Chancen und Risiken hin-sichtlich der zukünftigen Unternehmensentwicklung identifizieren. KMU, denen es nicht möglich ist, sich ausführlich mit zukunftsrelevanten Themen zu beschäftigen können bspw. das Steinbeis-Europa-Zentrum (SEZ) 32 konsultie-ren, um gemeinsam den jeweiligen gegenwärtigen und zukünftigen Technologie-bedarf des Unternehmens zu identifizieren und den Nutzen von strategischem

31 Anmerkung: IMP³rove ist eine internationale Organisation der INNOVA Initiative der EU Kommission: [IMP13], abgerufen am 22.08.2013 32 Anmerkung: Das SEZ ist eine Initiative des Landes Baden-Württemberg und unterstützt Unternehmen, Hoch-schulen und Forschungseinrichtungen bei der Antragstellung und Durchführung grenzüberschreitender Projekte, in Fragen europäischer Förder- und Technologieprogramme und europäischer Unternehmenskooperationen. [SEZoA], abgerufen am 19.08.2013

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Wissen für langfristige Investitionsaktivitäten und Strategieplanung zu veranschau-lichen und für das KMU nutzbar zu machen.33 Wie diese Strategien im Anschluss gestaltet werden hängt von der Geschäftsführung oder dem Top Management der Unternehmen ab.

5. Open-Innovation-Readiness

Für die Implementierung des Open Innovation Ansatzes sollten KMU fähig sein, große Mengen externer Informationen in die unternehmensinternen Prozesse auf-zunehmen und zu verarbeiten. Außerdem sollten KMU überprüfen, inwiefern die vorgestellten Barrieren, wie bspw. das „Not-Invented-Here“-Syndrom34, im eigenen Unternehmen auftreten und ob sie die notwendigen Voraussetzungen erfüllen, die eine erfolgreiche Umsetzung der Methoden ermöglichen.

Zu diesem Zweck hat ein Forschungsteam der RWTH35 Aachen einen Evaluie-rungsbogen als Open-Innovation-Readiness-Audit konzipiert. Aus den Ergebnis-sen lässt sich ableiten, ob ein Unternehmen für Open Innovation Maßnahmen ten-denziell bereit ist und vereinfacht die Herleitung von Handlungsempfehlungen in den notwendigen Bereichen.36

6. Freigabe der nächsten Phase

Am Ende der Situationsanalyse sollte der Entschluss für oder gegen die Durchfüh-rung von Open Innovation Methoden durch die Verantwortlichen getroffen werden, um in der nächsten Phase der Zielsetzung weitere Schritte einleiten zu können.

3.2 Zielsetzung

1. Ziele formulieren

Die verantwortlichen Mitarbeiter sollten sich darüber bewusst werden, was das er-hoffte Ergebnis der Maßnahmen sein soll, um den Erfolg messbar darstellen zu können. Dies kann durch Kennzahlen geschehen, wie bspw. die Anzahl der einge-reichten Vorschläge bei einem Ideenwettbewerb.

In Abhängigkeit der Frage- bzw. Problemstellung, die in der Regel zu Beginn die-ser Phase existiert, können die Erwartungen an das Ergebnis unterschiedlich aus-fallen. Einerseits können die Verantwortlichen damit zufrieden sein, dass sie neue Ideen sammeln oder durch eine Community interne Ideen bestätigt werden konn-ten. Andererseits können Unternehmen bei einer komplexen Fragestellung auch bspw. einen fertig konstruierten Prototyp erwarten.

2. Aufgabe strukturieren

Die verantwortlichen Mitarbeiter sollten das Problem bzw. die Aufgabe definieren und als präzise Fragestellung formulieren.

33 Vgl: [SEZoA1], abgerufen am 19.08.2013 34 Anmerkung: Das „Not-Invented-Here“-Syndrom stellt den Widerstand der Mitarbeiter gegenüber extern bezo-genem Wissen dar 35 Anmerkung: Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule 36 Vgl: [StioA], abgerufen am 19.08.2013

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Dabei ist es hilfreich, das Problem mit mehr oder weniger hoher Komplexität in kleine Teilaufgaben zu zerlegen, damit die Mitarbeiter eine exaktere Vorstellung erhalten und sich externe Akteure der Problemstellung nähern können. Eine gut definierte Fragestellung vereinfacht den Prozess herauszufinden, welche Informa-tionsart für die Problemlösung notwendig ist, um letztendlich eine geeignete Me-thode auswählen zu können.

3. Methoden auswählen

Die verantwortlichen Mitarbeiter sollten bei der Auswahl einer geeigneten Methode mehrere Aspekte berücksichtigen:

Die Branche des Unternehmens. Für KMU im Bereich der Mikro- und Nanotech-nologie bietet sich bspw. eher die Anwendung von Broadcast Search an, als eine allgemeine Online-Community zu befragen.

Die Kunden des jeweiligen KMU. Die Integration der Kunden in den Innovations-prozess kann nur gelingen, wenn sie bereit sind die Open Innovation Methoden zu nutzen, die ihnen zur Verfügung gestellt werden.

Den Grad, inwieweit sich das Unternehmen nach außen öffnen will. Die Durch-führung eines Lead User Workshops ist weniger öffentlich als ein Ideenwettbe-werb.

Die Art von Information, die das Unternehmen durch eine Aktivität erhalten will. Bei Bedürfnisinformation besteht die Frage „Was will der Kunde?“. Bei Lösungs-information besteht die Frage „Wie kann ein Problem gelöst werden?“

Die Phase innerhalb des Innovationsprozesses, in der das Problem besteht. Be-dürfnisse und Ideen werden in frühen Phasen gesucht, Lösungen und Konzepte in späteren Phasen.

4. Kommunikation und Dokumentation

Am Ende der Zielsetzung sollten die verantwortlichen Mitarbeiter das erhoffte Er-gebnis, die Problemdefinition, die Bestimmung der Teilaufgaben sowie die ausge-wählte Methode und deren Eignung an alle Beteiligten kommunizieren und doku-mentieren.

3.3 Planung

Eine ausführliche Planung ist wichtig, um die potentiell auftretenden Risiken zu minimieren und die vorhandenen Barrieren zu überwinden. Für die Erreichung des Ziels einer effizienten Durchführung der Methoden sind in der Planungsphase verschiedene unternehmensinterne und -externe Aspekte zu beachten. Diese sollten je nach Art der Methode unterschiedlich stark berücksichtigt werden. Insgesamt kommt es auf den Gesamtumfang der Umsetzung einer Open Innovation Aktivität an, der von Größen wie Dauer der Durchführung, Anzahl der beteiligten Mitarbeiter oder der einzusetzenden Arbeitszeit abhängig ist.

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1. Zeit und Ablauf planen

Im Rahmen der Zeitplanung liegen bisher noch keine fundierten Erfahrungen zur Kalkulation des Zeitaufwands vor. Aus diesem Grund sollten die Verantwortlichen für die Umsetzung von Open Innovation Aktivitäten einen ausreichenden Zeitpuffer einplanen. KMU sollten zudem durch kleine Projekte, die nicht das Kerngeschäft betreffen, eigene Erfahrungen sammeln, diese ausführlich dokumentieren und Lerneffekte anstreben. Grundsätzlich hängt der Zeitaufwand vom Umfang der ein-zelnen Methode ab. Für die Bestimmung des Zeitpunkts der Durchführung ist ei-nerseits eine interne Abstimmung mit anderen Projekten, deren Aktivitäten be-stimmte Ressourcen benötigen, notwendig. Andererseits ist zu beachten, dass ex-terne Akteure zeitlich nicht immer verfügbar sind.

Für die Planungsphase ist es jedoch trotz einer erschwerten Einschätzung not-wendig, einen Terminplan bspw. einen Projektstrukturplan zu erstellen, um zu be-stimmten Meilensteinen den Verlauf des Projekts überprüfen zu können.

2. Personaleinsatz planen

Die Planung des Personalbedarfs ist einerseits abhängig von dem jeweiligen Um-fang in dem KMU die Umsetzung der Methoden realisieren wollen. Andererseits steht diese in direktem Zusammenhang damit, inwiefern das Innovationsmanage-ment in Form von Personal bereits fest in die Unternehmensstrukturen verankert ist. Über zusätzlichen Personalbedarf sollte somit auf Basis der vorhandenen Res-sourcen diskutiert werden.

Steht ein KMU am Anfang der Nutzung von Open Innovation Instrumenten und will bspw. einen Ideenwettbewerb durchführen, beziffert sich der personelle Aufwand ca. auf eine halbe Stelle. Sollen Open Innovation Maßnahmen tiefgreifend und langfristig in KMU eingebunden werden, erfordert dies die Schaffung einer eigenen Vollzeitstelle.

Bei der Verteilung von Verantwortlichkeiten sollte zudem klargestellt werden, ob es eine zentrale Stelle zur Koordination der einzelnen Maßnahmen und Tätigkeiten gibt oder, ob die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt werden soll. Auch bei der Personalplanung können KMU mit jeder weiteren Erfahrung Lerneffekte erzielen.

3. Kosten und Budget kalkulieren

Um das Risiko eines Projektabbruchs aufgrund zu hoher Kosten zu verringern, sollten die verantwortlichen Mitarbeiter eine strukturierte Kostenplanung der jewei-ligen Methode durchführen. Bei der Betrachtung der Kosten für die einzelnen Me-thoden sollten verschiedene Aspekte, wie bspw. der Personalaufwand oder die Nutzung externer Servicedienstleistungen berücksichtigt werden.

4. Risiken begrenzen

Aufgrund der potentiell auftretenden Risiken im Rahmen von Open Innovation Ak-tivitäten sollten sich die verantwortlichen Mitarbeiter ausführlich mit rechtlichen Fragen auseinandersetzen. Diese sollten Fragen zum Schutz des geistigen Eigen-

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tums in der Planungsphase systematisch bearbeiten und exakt klären, um im An-schluss das Risiko rechtlicher Konsequenzen zu minimieren.

KMU schützen ihr generiertes Wissen am besten durch die Festschreibung in Form von Patenten. Dabei entsteht allerdings die Herausforderung, eine neue Idee klar definieren und den technischen Sachverhalt präzise in Worte fassen zu kön-nen, um ein Patent anzumelden. Eine erste Stelle für rechtliche Fragen bei Open Innovation bietet die Erfinderberatung der regionalen IHK. Für weitergehende Fra-gen sollten sich KMU an Patentanwälte richten.

5. Fördermittel in Anspruch nehmen

Können die Open Innovation Aktivitäten nicht durch die zur Verfügung stehenden Eigenmittel des Unternehmens geschehen, sollten sich die verantwortlichen Mitar-beiter über spezielle Fördermittel von staatlichen Einrichtungen informieren.

Für die Planungsphase sollten KMU daher diese Möglichkeiten ausfindig machen und sich einsetzen, um bspw. Fördermittel des Zentralen Innovationsprogramms ZIM37 oder Innovationsgutscheine38 zu erhalten.

3.4 Umsetzung

In der Umsetzungsphase findet die Anwendung der zuvor ausgewählten Methode statt. Da-bei wird durch die involvierten Mitarbeiter eine Vielzahl an Aufgaben in Abhängigkeit der je-weiligen Methode ausgeführt. Um die vorgestellten Methoden durchführen zu können sollten KMU versuchen bestimmte Rahmenbedingungen und grundsätzliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung zu schaffen.

1. Monitoring durch Geschäftsführung

Die Umsetzung von Maßnahmen sollte durch interne Kommunikationsmaßnahmen zwischen den Mitarbeitern und der Geschäftsführung gestaltet werden. Regelmä-ßige Berichte, Statussitzungen und Projektreviews informieren über den Fortgang der Projekte. Die Zuständigkeiten für Arbeitspakete werden eindeutig festgelegt. Teilziele und Meilensteinen werden definiert und regelmäßig kontrolliert. So kann das Risiko minimiert werden, dass die Mitarbeiter den Projekten skeptisch gegen-über stehen und sie nur ungenügend umsetzen, so dass eine Implementierung letztendlich scheitert.

2. Ziele entfalten und informieren

Sind zu Beginn einer Implementierung eher vereinzelte Personen, Entscheidungs-träger und Verantwortliche involviert, sollten vor allem erfolgreiche Ergebnisse ei-ner Umsetzung kommuniziert werden, um weitere Mitarbeiter zu informieren und diese von dem offenen Ansatz zu überzeugen. Durch die Kommunikation positiver

37 Anmerkung: Das ZIM bietet mittelständischen Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern Fördermöglichkeiten für einzelbetriebliche F&E-Projekte, F&E-Kooperationsprojekte oder Kooperationsnetzwerke. [ZIMoA], abgerufen am 18.09.2013 38 Anmerkung: Durch Innovationsgutscheine werden Projekte von KMU zur Planung, Entwicklung und Umsetzung neuer Produkte, Produktionsverfahren und Dienstleistungen sowie deren wesentliche qualitative Verbesserung mit bis zu 5.000 € gefördert. [InnoA], abgerufen am 18.09.2013

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Erlebnisse sollten die Mitarbeiter für eine aktive Teilnahme an Open Innovation Aktivitäten motiviert werden.

3. Anreize schaffen

Zusätzlich sollte die Unternehmensleitung durch die Einführung eines variablen Vergütungssystems wie bspw. dem Cafeteria-System Anreize schaffen.39 Eine Un-ternehmenskultur, in der solche alternativen Konzepte verankert werden, die Mit-arbeiter motiviert und Beteiligungsmöglichkeiten vorhanden sind sowie ein gewis-ses Maß an Freiräumen besteht ermöglicht es den Mitarbeitern innovativ zu han-deln und gegenüber neuen Ideen offen zu sein.

3.5 Auswertung

Nach der Umsetzung von einer dargestellten Methode, ist für die letzte Phase die Auswer-tung der Ergebnisse essenziell. Zudem stehen die Verwertung der Problemlösungen und die Nachbereitung der Open Innovation Aktivitäten im Fokus dieser Phase. Ziel ist es, die erhal-tenen Ideen umzusetzen, die Vorgehensweise bei der Durchführung zu reflektieren und die Ergebnisse zu dokumentieren.

1. Ideen und Konzepte bewerten

In Abhängigkeit der einzelnen Methoden werden die zuvor festgelegten Kriterien wie bspw. Kennzahlen zur Bewertung der Ideen und Konzepte verwendet. Grund-sätzlich sollte danach bewertet werden, wie die Aufgabenstellung erfüllt worden ist. Dies wird in der Regel von demjenigen bewertet, der die Aufgabe gestellt hat. Aus diesem Grund ist eine Festlegung der Kriterien im Rahmen der Zielsetzungs-phase unabdingbar und sollte zudem an alle Beteiligten deutlich kommuniziert werden. Die Ideen und Konzepte sollten durch eine festgelegte unternehmensin-terne Jury oder eine Community bspw. bei einem Ideenwettbewerb ausgewählt und bewertet werden.

2. Ideen realisieren

Die Anwendung einzelner Open Innovation Methoden sowie die Auswertung der Ergebnisse haben nur einen Wert, wenn nach der Auswahl der besten Ideen oder Konzepte diese Lösungsansätze auch verwertet werden. Während bei Methoden zur Generierung von Lösungsinformation häufig dringend der Bedarf besteht, die Problemlösung umzusetzen, werden Erkenntnisse aus der Ermittlung von Bedürf-nisinformation oftmals nur zur Kenntnis genommen. An diesem Punkt hilft KMU die klare Formulierung ihrer Ziele vor der Umsetzung der Methoden. Die Unternehmen sollten sich bewusst machen, wofür das Projekt durchgeführt worden ist und wel-che Ergebnisse daraus entstehen sollen. Nur auf diese Weise können die gewon-nenen Ideen und das generierte Wissen auch wirklich in den Innovationsprozess der KMU integriert werden, um daraus Produkte für die Kunden herstellen zu kön-nen.

39 Anmerkung: Beim Cafeteria-System werden Mitarbeiter durch selbstgewählte alternative Leistungen, wie bspw. variable Arbeitszeitmodelle oder Angebote privater Altersversorgung entlohnt. [Bis10], S. 491

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3. Aus Fehlern lernen

Die Nachbereitung besitzt insbesondere dann einen hohen Stellenwert, wenn die durchgeführten Aktivitäten erst den Anfang der Implementierung des Open Innova-tion Ansatzes darstellen. Gerade bei den ersten Open Innovation Projekten ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Fehlern recht hoch. Die Verantwortlichen sollten sich jedoch bewusst machen, dass eine konsequente Fehlerdokumentation einen sehr viel höheren Nutzen bringen kann, als die Vertuschung von Problemen aus Angst vor möglichen Konsequenzen. Um Lerneffekte erzielen zu können, soll-ten die verantwortlichen Mitarbeiter dafür sorgen, dass eine detaillierte Projektdo-kumentation durchgeführt wird. Diese Lerneffekte stellen die Grundlage für eine mögliche Verbesserung der Arbeitsweise in den einzelnen Schritten dar und bieten so Potenziale für Kosteneinsparungen bei KMU.

4. Wissen sichern

Bei der Nachbereitung ist auch die Überprüfung von Kennzahlen essenziell um Er-fahrungen in Hinblick auf eine realistische Zielsetzung zu sammeln. Neben dieser quantitativen Überprüfung sollten jedoch auch qualitative Ergebnisse und Aspekte, wie das Auftreten von Spillover-Effekten, Reputationsschäden oder Imagegewinn reflektiert werden, um Erkenntnisse für weitere Aktivitäten zu erhalten.

3.6 Ganzheitliche Betrachtung des Projektleitfadens

Den Ausgangspunkt für den Projektleitfaden stellen die fünf Phasen dar. Dabei lässt die Ab-bildung 3 erkennen, dass die Planungsphase von zentraler Bedeutung ist. In dieser Phase werden die für den Verlauf der Umsetzung relevanten Faktoren, wie bspw. die Finanzierung der Aktivität bestimmt. So sollte geprüft werden, ob finanzielle Mittel verfügbar sind, wie wirt-schaftlich die Umsetzung einer bestimmten Methode ist und welche Fördermöglichkeiten in Anspruch genommen werden können. Auch die Phase der Auswertung ist von hoher Bedeu-tung, da mit Hilfe einer detaillierten Dokumentation Lerneffekte erzielt und Einsparpotenziale entdeckt werden können. Die erfolgreiche Anwendung der richtigen Methoden ist jedoch auch das Ergebnis der Zielsetzungsphase, bei der eine klar formulierte Problemstellung ge-schaffen werden sollte. Für KMU ist es ebenso essenziell, Grundlagen für den Aufbau und die Existenz wichtiger Rahmenbedingungen zu schaffen. Hierbei hat sich gezeigt, dass die Geschäftsleitung in KMU einen großen Einfluss auf die Unternehmenskultur und somit auf die Rahmenbedingungen hat. Die Geschäftsleitung ist es letztendlich auch, die Erlaubnis gibt für die Umsetzung von Open Innovation Maßnahmen durch eine bewusste Entscheidung zu Beginn des Projektleitfadens.

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Abbildung 3: ganzheitliche Betrachtung des Projektleitfadens

4 Fazit

KMU können durch die Öffnung ihrer Unternehmensgrenzen und den Einbezug externer Ak-teure Beschränkungen durch die Unternehmensgröße überwinden, wichtige Informationen gewinnen und neue Ideen generieren. So können Open Innovation Aktivitäten große Vorteile im Innovationsprozess der mittelständischen Unternehmen bedeuten. Allerdings zeigt der Artikel auch, dass gerade in KMU häufig Barrieren auftreten, die eine Umsetzung der Metho-den erschweren. Durch die Identifikation solcher Barrieren wurden Ansatzpunkte für den Aufbau eines Projektleitfadens gefunden, der einen Beitrag dazu leistet, wie KMU die Open Innovation Methoden umsetzen können.

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